Als Kinder fuhren wir in den Sommerferien immer nach Oberbayern in den Urlaub. Selbstverständlich musste man dort auch essen und wir taten dies häufig in typischen, urigen Landgasthöfen. Nach einem Tag am See und einem häufig langen Marsch zum Gasthof kamen wir ziemlich ausgehungert an und das erste, was einem serviert wurde - lange bevor die Nudelsuppe, die immer nach Maggi schrie, oder das Paprikagulasch mit buttergebackenen Spätzle auf dem Tisch erschienen - war ein gemischter Salat, ein gemischter Salat im Sinne von mehrere verschiedene Salate auf einem Teller, nicht im Sinne von alles durcheinander. Da war Kopf-, Gurken-, Tomaten- und Kartoffelsalat, da waren Gelberüben, Sellerie und rote Beete, da war krause Petersilie als Verzierung, und wenn meine Mutter dabei war, beklagte sie sich, dass Gelberüben, Sellerie und rote Beete nicht frisch waren, sondern aus dem Glas kamen und der Kartoffelsalat aus einem Eimer.
Wie dem auch sei, für mich war das der bayrische Salat schlechthin, Sinnbild für Ferien, Sommer, Sonne, See und die köstliche Abendluft im Voralpenland.
Und plötzlich, ganz plötzlich, standen da frische Salate mit gegrillten Garnelen, mit Mozzarella und Oliven auf der Speisekarte. Ich sage Euch, da brach für mich eine kleine Welt zusammen. Ich sehe es ja ein, der Kosmopolit möchte seine gegrillten Garnelen auch im bayrischen Landgasthof nicht missen und man will den Ureinwohnern die internationalen Genüsse nicht vorenthalten, aber für mich war es ein trauriges Ereignis. Eine Epoche ging zu enden. Ja, an solchen Kleinigkeiten mache ich das fest.
Es ist schon mehr als vierzig Jahre her und komplett verdaut, also das traumatische Erlebnis, gegrillte Garnelen auf jener ehemals urbayrischen Speisekarte zu sehen, ist komplett verdaut, aber ich habe gestern doch noch einmal daran gedacht, an den Gelberübensalat und die roten Beete und den sauren Sellerie aus dem Glas und den Kartoffelsalat, und habe als kleine Hommage an jene Zeit selbst einen solchen historischen Salatteller zusammengestellt (da ich in Spanien bin, habe ich leider keinen Zugang zu Kartoffelsalat aus industrieller Fertigung und musste auf hausgemachten Kartoffelsalat ausweichen).