Die spanischen Gewerkschaften haben für morgen, den 29. März, zu einem Generalstreik gegen die Reform des Arbeitsmarktes aufgerufen. Mit dieser Reform sollen unter anderem Entlassungen erleichtert werden. In Spanien liegt die Arbeitslosigkeit bei über 20 %, mehr als 5,3 Millionen Menschen sind erwerbslos. So schwer kann das Entlassen da ja nicht sein, sollte man denken. Der spanische Arbeitsmarkt ist aber, grob dargestellt, zweigeteilt. Festangestellte Arbeitnehmer kann man fast überhaupt nicht mehr loswerden, Arbeit Suchende sind schutzlos, um die geht es morgen auch gar nicht.
Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 50 %. Von den übrigen 50 % sind viele Praktikanten oder befinden sich in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen (60 Stundenwochen bei 600 Euro Monatslohn sind keine Seltenheit). Manche Eltern sind bereit, dafür zu bezahlen, dass ihre Kinder einen Praktikantenstelle bekommen, auf der sie Erfahrung erwerben können.
Viele junge Familien wurden durch den Kauf einer Wohnung in Lebenssituationen gebracht, in denen sie praktisch Leibeigene der Banken sind. Ja, von Deutschland aus ist das schwer zu verstehen. Hier in wenigen Worten ein Erklärungsversuch: In Spanien ist es aus historischen Gründen üblich, dass die meisten Menschen nicht zur Miete, sondern in Eigentumswohnungen leben. Die Preise für diese Wohnungen sind jahrzehntelang unaufhaltsam gestiegen, in den letzten Jahren vor dem Platzen der Blase mit Geschwindigkeiten bis zu 20 % pro Jahr (grobe Zahlen aus dem Gedächtnis). Es war also ziemlich eilig und dringend, Wohnraum zu erwerben, da einem die Preise davonliefen. Durch den Euro waren die Hypothekenzinsen sehr niedrig, also, hinein ins Vergnügen. Familien mit einem Einkommen von 2 x 1000 Euro erwarben Wohnungen im Wert von 300.000 Euro. Und dann wurde einer von beiden oder gar beide arbeitslos. Mehr als 100.000 Wohnungen (in denen ja normalerweise mehr als einer lebt) wurden mittlerweile zwangsgeräumt und gingen zurück an die Banken. Die Banco de Santander hat in den Jahren von 2007 bis 2010 - man erinnere sich: in den Jahren der Bankenkrise - einen Gewinn von insgesamt 35 Milliarden Euro eingefahren (diese Zahl habe ich nachgeschaut). Darum geht es morgen aber auch nicht.
Langzeitarbeitslose erhalten Unterstützung in Höhe von 420 Euro. So wenig ist das doch gar nicht, werden nun die Leute sagen, die mit Hartz IV vergleichen. Bedenkt aber, dass es in Spanien kein Wohngeld und kein Kindergeld gibt. 420 Euro ist alles, was die Leute bekommen. Darum geht es morgen aber auch nicht.
Wer wissen möchte, wie es in den Jahren zuging, als in Spanien noch Party war und der spanischen Sprache mächtig ist, dem seien diese beiden Videos ans Herz gelegt, die zur besten Sendezeit im Fernsehen gezeigt wurden. Das erste heißt "Cuando éramos ricos", "Als wir reich waren", das zweite "Cuando éramos cultos", "Als wir gebildet waren". Hochinteressant. Die eigentlichen Videos sind 45 Minuten lang und beginnen nach gefühlten 10 Minuten Reklame und Vorschau.
Wenn die Hetzjagd auf Spanien beginnt (Bald? In ein paar Jahren?), werden die Deutschen mit Bildern wie in den Videos gezeigt berieselt werden, um zu belegen ... naja ... damit's halt alle wissen, so, wie wir alle wissen, dass die Griechen Renten für ihre Toten beziehen und die griechischen Lokführer dreimal soviel verdienen wie deutsche Piloten (oder so ähnlich) und überhaupt.
Korruption und Vetternwirtschaft sind große Probleme in Spanien. Diese kleine Korruption wie in Griechenland (wo, wie wir sicher mittlerweile alle wissen, "Fakelaki" an Hinz und Kunz bezahlt werden müssen) gibt es in Spanien nicht, aber Vorteilsannahme und persönliche Bereicherung am Volksvermögen im großen Stil ist überall, wo dies möglich ist, gang und gäbe. Und damit schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei den Gewerkschaften und dem morgigen Generalstreik. Die Gewerkschaften haben im Jahr 2011 von der Regierung 175 Millionen Euro Subventionen erhalten (nachgeschaut). Ist das nicht ideal, wenn der vermeintliche Gegner vollkommen von einem abhängig ist? Wenn dann also übermorgen der Streik vorbei ist und alle wieder zur Tagesordnung zurückkehren (okay, vielleicht lenkt die Regierung bei ihrer Arbeitsmarktreform das vorher womöglich schon einberechnete kleine Bisschen ein), ist die Arbeit der Gewerkschaften wieder für eine Weile geschafft und um alles andere ging es ja sowieso nicht.
P.S. Diese kleine Anekdote, die auch im ersten Video zu sehen ist, möchte ich Euch nicht vorenthalten. Wie Ihr noch nicht wisst, aber zum gegebenen Zeitpunkt (Hetzjagd!) erfahren werdet, hat aus Gerechtigkeitsgründen jede spanische Provinz einen Flughafen, unter anderem auch Castellon in der Provinz Valencia mit seinen 180.000 Einwohnern (nachgeschaut!). Auf diesem Flughafen starten und landen keine Flugzeuge, unter anderem wohl auch deshalb, weil sich der Flughafen von Valencia in nur 50 Autominuten Entfernung befindet. Im März 2011 wurde er von Carlos Fabra, dem Regierungspräsidenten der Provinz Castellon (angeklagt wegen Vorteilsgewährung, Bestechung und Steuerdelikten (nee, deshalb wird niemand eingesperrt und da muss man auch nichts zurückzahlen (Teil des Problems!))) eingeweiht, wo bei dieser die folgenden Worte sprach (auf Spanisch natürlich): "Es gibt Leute, die sagen, wir wären verrückt weil wir einen Flughafen ohne Flugzeuge einweihen. Die haben nichts kapiert. Sechs Wochen lang können alle Bürger dieses Terminal besuchen und auf den Start- und Landepisten spazieren gehen, wenn sie dies möchten. Und das würden sie ja nicht können, wenn hier Flugzeuge starten und landen würden. Dies ist ein Flughafen für die Menschen." Nun ist ein Jahr 'rum und es ist immer noch ein Flughafen für die Menschen.
Hier könnt Ihr den entsprechenden Artikel lesen:
Da ich mich gerade in Spanien befinde, werde ich morgen mal losziehen und schauen, was los ist.
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