Freitag, 23. November 2012

Äußerste Zufriedenheit

Ich habe gerade in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen eine Kolumne gelesen und zwar diese Zur äußersten Zufriedenheit hier und musste dabei daran denken, wie es war, als wir im Sommer unser Auto kauften und hinterher x Mal von Audi nach unserer Zufriedenheit gefragt wurden.
Herr V., der Verkäufer, hatte sich abschließend erkundigt, ob wir mit dem Kauf und seinen Umständen zufrieden gewesen wären. "Ja, sehr," hatte ich ihm geantwortet. Ob es uns in diesem Fall etwas ausmachen würde, wollte er weiter wissen, bei den Befragungen, die uns nun erwarteten, stets mit "äußerst zufrieden" zu antworten. Da wir rundum zufrieden gewesen waren, sagte ich ihm, das würde uns nichts ausmachen. Er erklärte weiterhin, dass ein rundum zufriedener Kunde vor uns auf viele Fragen mit "zufrieden" und "sehr zufrieden" geantwortet hätte und das wäre für ihn, den Herrn V., nicht gut gewesen. 
Ich versicherte ihm, dass wir zufrieden gewesen seien und daher kein Problem damit hätten, zu behaupten, wir seien "äußerst zufrieden" gewesen. Besonders gefallen hatte mir, dass er nach dem Autokauf eine gute halbe Stunde als Beifahrer mit uns herumgefahren war und uns die Automatikschaltung und vieles mehr erklärt hatte, dass er mit uns das Fahren des Wagens geübt hatte. Danach wurde aber, glaube ich, gar nicht gefragt.
Als dann schließlich der Fragebogen mit der Post eintraf, füllte ich ihn im Großen und Ganzen wie von Herrn V. gewünscht aus. Die Frage nach unserem Kontakt zur Werkstatt beantwortete ich nicht, da uns diese Werkstatt vor etlichen Jahren durch eine fehlerhafte Reparatur beinahe ums Leben gebracht hätte. Ich glaube, Audi möchte das gar nicht wissen. Wir wechselten danach zu einer freien Werkstatt, bei der wir nun schon seit vielen Jahren Kunden sind.
Eine weitere Frage, bei der ich stutzte, war (sinngemäß): "Wie waren Sie mit dem Empfang bei Ihrem ersten Besuch zufrieden?"
Unser erster Besuch hatte sich wie folgt gestaltet: Mein Sohn D. und ich trafen an einem heißen Nachmittag beim Autohändler ein. Vor der Tür war kein Parkplatz frei, wir parkten in etwa 30 Meter Entfernung. Wir begaben uns zur Tür, die sich automatisch öffnete. Drinnen war es angenehm kühl. Beide Verkäufer waren mit Kunden beschäftigt. Herr V. kam zu uns und bat uns, uns zu gedulden, während er fertig bediente. "Selbstverständlich", antworteten wir und fragten, ob wir derweil die ausgestellten Autos anschauen dürften. "Selbstverständlich", antwortete er. Wir schauten uns also den A3 an und den Q7 und was da sonst noch rumstand. Das war für meinen Sohn und für mich sehr interessant und machte uns überhaupt nichts aus, im Gegenteil. Dann kam Herr V. wieder auf uns zu, entschuldigte sich und begann, uns nett, freundlich und kompetent zu unserer Zufriedenheit zu bedienen. Was ist eigentlich so schlecht an der Zufriedenheit? Wie sagt schon Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel? "Die größte Freud' ist doch die Zufriedenheit" und nicht "Die größte Freud' ist doch die äußerste Zufriedenheit".
Wie hätte der Empfang bei unserem ersten Besuch sein müssen, damit ich "äußerst zufrieden" gewesen wäre? Mein Sohn D. und ich treffen an einem heißen Nachmittag beim Autohändler ein. Wir parken direkt vor der Türe. Ein livrierter Doorman reißt selbige auf. Er streckt uns eine geöffnete Hand entgegen, in die wir die Autoschlüssel plumpsen lassen (valet parking). Wir treten ein. Ein gutaussehender junger Mann reicht uns leckere Cocktails. Junge Frauen in weich fließenden, weißen Gewändern streuen Blumen auf unseren Weg. In der Mitte des Verkaufsraums befindet sich ein Springbrunnen (siehe Alhambra in Granada). Es duftet nach Jasmin. Klassische Musik spielt (irgendwas von Händel), in der Ecke sitzt ein kleines Orchester. Herr V. kommt auf uns zu. Er bedient uns wie oben beschrieben und nennt sofort den niedrigsten Preis, zu dem er gewillt ist, den gewünschten Wagen an uns abzugeben. Auf diese Weise wäre der Empfang beim ersten Besuch zu meiner "äußersten Zufriedenheit" verlaufen, so konnte ich leider nur "sehr zufrieden" ankreuzen. 
Ich halte nicht viel von solchen Umfragen, da ich glaube, dass die Firmen nicht ernsthaft auf negative Antworten eingehen. Was mich jedoch nicht daran hinderte, Herrn V. in allen Kategorien - außer bei der Frage nach dem Empfang, bei der ich kurz mein Hirn einschaltete - meine "äußerste Zufriedenheit" zu bescheinigen. 

Dienstag, 20. November 2012

Ich habe einen Plum Pudding gebacken!

Und zwar einen original englischen, einen Christmas Pudding mit Nierenfett und allem Pipapo. 
Vor zwei Jahren haben wir das Weihnachtsfest in England verbracht, dort haben wir den Plum oder Christmas Pudding kennengelernt. Wir hatten dort einen der Größe der Wohnung angemessenen Baum (Höhe etwa 30 cm) und wir feierten im englischen Stil, mit Christmas Crackers. Das sind diese Dinger, die aussehen wie große Bonbons, in denen aber Zündplättchen drin sind. Jeder zieht an einer Seite und dann macht es "plopp". Hilarious! Ja, und wir hatten Papierhüte auf, wir versuchten, so richtig englisch zu sein. Der Christmas Pudding war von Tesco, der war absolut okay. 
Da ich nun dieses Lammnierenfett hatte, wollte ich mich selbst mal an der englischen Spezialität versuchen. 
Ich suchte also eine Weile im Internet nach einem gescheiten Rezept. Anscheinend hat da jede Familie ihre eigene Tradition. Ich entschied mich für die Anleitung von Stephen Owens. Wie der schon daher kommt, mit seiner grünen Mütze und seinem farbenfrohen Hemd, hahaha ... that's England for you. Stephen Owens sieht aus als wüsste er definitiv, wie man einen richtig englischen Plumpudding macht. Stephen Owens, Plum Pudding Wenn Ihr da drauf klickt, könnt Ihr ihm beim Backen zuschauen. Da steht auch die Zutatenliste auf Englisch, die ich hier übersetze. (Er schreibt 1 Orange, er erklärt dann aber, dass er nur die Hälfte benutzt.) Also, Zutaten:  60 g Mehl, 100 g weiche, weiße Brotkrümel, 100 g gehacktes Rinder- oder Lammnierenfett, 450 g Trockenfrüchte, 1/2 Orange (Saft und abgeriebene Schale), 1/2 Zitrone (Saft und abgeriebene Schale), 1 Apfel, 2 Eier, 1 Esslöffel Melasse (Rübensirup, Grafschafter Goldsaft, o.ä.), 1 Teelöffel Zimt, 1 Teelöffel Muskat, 1 Karotte, 125 g brauner Zucker, 100 g Orangeat oder Zitronat, eine Prise Salz, 1-2 Esslöffel Whisky oder Brandy.
Ich habe ich mich weitgehend an seine Anleitung gehalten. So ging ich vor: Das Nierenfett hat bei Mr. Owens und auch auf anderen Rezeptseiten, die ich angeschaut habe, so eine flockige Konsistenz. Ich wusste nicht, wie ich die hinkriegen sollte. Ich benutzte dieses Hackgerät:

Das Ergebnis war suboptimal, eher eine Paste als Flocken, aber es war okay. Ich denke, es wäre besser gewesen, das Fett auf einer groben Reibe zu reiben. Oder es ganz fein zu hacken. Für die Brotbrösel (ebenfalls eine flockige Konsistenz! Wir sprechen hier nicht von Paniermehl!), habe ich Toastbrot im selben Gerät gehackt. Alternativ könnte man es vielleicht auch grob reiben. Die Trockenfrüchte sind in den meisten Rezepten Mischungen aus Rosinen, Sultaninen, Korinthen, etc. Mr. Owens hatte auch getrocknete Kirschen dabei. Ich hatte ungefähr zur Hälfte Rosinen und Cranberries. Ich glaube, da kann man so ziemlich nehmen, was man möchte. Die Schalen von der Orange und der Zitrone habe ich nicht verwendet, da ich keine biologisch angebauten Früchte hatte. Ich habe sie durch nichts ersetzt. Als Melasse hatte ich Grafschafter Goldsaft. Dass man keinen ganzen Teelöffel Muskat verwenden sollte, ist der erfahrenen Hausfrau sicher auch klar, eine richtig große Prise sollte genügen. Ich fettete meine Form mit etwas Butter. So, das waren meine Kommentare zu den Zutaten.
Schauen wir nun Mr. Owens über die Schulter: Er gibt zuerst seine Brotkrumen in die Backschüssel, dazu kommen das Fett, die Trockenfrüchte und das Mehl. Er rührt nun zum ersten Mal. Dann fügt er den Saft und die abgeriebenen Schalen hinzu. Er rührt nun zum zweiten Mal und fügt die fein geriebene Karotte und den fein geriebenen Apfel hinzu. Nun kommen der braune Zucker, das Orangeat und/oder Zitronat. Er rührt wieder, gibt dann die Eier, den Zimt, das Muskat, das Salz, den Goldsaft und den Whisky hinzu. Bei mir sah das nun so aus:


Ziemlich genau wie bei ihm. Er empfiehlt, den Teig idealerweise über Nacht durchziehen zu lassen. Ich habe ihn nur ein paar Stunden ziehen lassen. Mr. Owens gibt den Teig nun in eine Keramikschüssel, ich verwendete meine Puddingform. Er deckt seine Schüssel zuerst mit Backpapier ab. Schaut Euch den Trick an, mit dem er sein Papier "perfectly round" schneidet. Dann noch mit Alufolie oder sonst irgendwas abdecken. Bei den meisten Rezepten wird der Pudding nun stundenlang im Wasserbad gekocht. Mr. Owens setzt auf den Schnellkochtopf. Das ist eher mein Stil. Er benutzt einen Einsatz wie ich ihn auch habe. Eine Stunde bei Volldampf. Dann schaltete ich den Herd ab und ließ den Pudding im Topf, bis das Ventil wieder unten war. Dann nahm ich ihn heraus, entfernte die Abdeckung  und ließ ihn abkühlen. Mr. Owens lässt den Plum Pudding nun bis Weihnachten in seiner (wieder zugedeckten) Keramikform. Da ich eine Puddingform aus Metall benutzt hatte, traute ich mich das nicht (wegen der möglichen Oxidation). Mein Pudding sah so aus:


Oder in anderem Licht so: 


Ich wickelte ihn in Backpapier und legte ihn in den Kühlschrank. Da liegt er nun. Er muss mindestens 4 Wochen durchziehen. Man kann ihn laut Mr. Owens sogar ein Jahr im Voraus backen. Ich habe ein bisschen Angst, dass er zu schimmeln anfängt. Ich werde alle paar Tage mal nachschauen und beim ersten Anzeichen, dass er schwächelt, werde ich das schlechte Stück rausschneiden und wir werden ihn essen, Christmas or not. Vielleicht werde ich ihn zwischendurch mal mit etwas Whisky begießen, das wird auch in manchen Rezepten empfohlen. Das desinfiziert.


Man kann gar nicht früh genug anfangen mit den Weihnachtsvorbereitungen. Ich war auf dem Dachboden und habe meine Dekoartikel gesichtet. Jetzt macht das Spaß. Man kann sich in aller Ruhe an seinen schönen Sachen erfreuen, einfach nur anschauen und wieder wegräumen. Ohne den Stress, der in der Vorweihnachtszeit doch manchmal aufkommt. Vorfreude ist eine schöne Freude. Die Zeit, einen Christmas Pudding zu backen, ist jetzt, und nicht am 23. Dezember!

Mittwoch, 14. November 2012

Der Generalstreik - Bericht aus Spanien

Interessant sind ja immer die Meinungen der Betroffenen vor Ort. In unserer Online-Lokalzeitung haben 73 Leser den Streik und die Demonstration heute mittag kommentiert. Ich gebe Euch hier mal ein paar Meinungen auf Deutsch wieder:
1. Der Kommentar mit den meisten Likes zur Demonstration: Die meisten Demonstranten waren unpolitische Studenten, die von den Erhöhungen der Studiengebühren, den Kürzungen der Stipendien und dem Mangel an Perspektiven am Arbeitsmarkt die Nase voll haben. Die Leute von den Gewerkschaften haben sich mit ihren Fähnchen vorne dran gestellt. So fühlen sie sich stark. Als würden wir ihnen folgen ...
2. Der nächste Kommentar in Großbuchstaben: Die Gewerkschafter haben sich vor die Studenten gestellt! Schamloses Pack! Der Streik ist gescheitert. Mit unseren Steuergeldern müssen wir die Gewerkschaften finanzieren. 
3. Die Anarchogewerkschaft hatte zu dieser Demonstration aufgerufen! Die Studenten sollten schon schauen, hinter wen sie sich stellen!
3. Mein Sohn hat gestreikt wegen der Studiengebühren. Ich habe dieses Jahr für ihn 1600 Euro bezahlt. Da hätte er mal früher streiken sollen.
4. Die ganze Demonstration hat nach Marihuana gestunken (muss stimmen, das haben mehrere Kommentatoren geschrieben).
 5. Du Clown! Besser es riecht nach Marihuana als nach Faschist. Du bist ja anscheinend zufrieden mit der Situation! 
6. "Anarcosindicalismo" ("Anarchogewerkschaften") stand auf dem Plakat. Was soll denn das bedeuten? Ich bin für den Streik, aber das will ich nicht. Eine Schande!
7. Ich verurteile die politische Kaste, die uns in die Krise geführt hat, ich verurteile die Gewerkschaften, die sich nur um ihr eigenes Wohlbefinden kümmern. 
8. (In Großbuchstaben:) Warum habt ihr die Gewerkschafter denn nicht verjagt? Habt ihr Schiss?
9. Was ist denn die Lösung für die Krise? Wo waren die Gewerkschaften denn, als Zapatero dran war? Klar, da habt ihr die Hand aufgehalten und Subventionen kassiert.
10. Wie viele Faschisten kommentieren hier eigentlich? Ihr hockt zuhause, wir kämpfen für eure Rechte. Es lebe der Kampf der Arbeiterklasse.
11. Argumente: Ihr sagt, mit dem Streik erreicht man nichts, aber wenn wir was erreichen, dann habt ihr genauso den Nutzen. 8-Stundentag, 5-Tagewoche, Arbeitslosengeld (es folgt eine lange Aufzählung), das haben alles die Gewerkschaften erkämpft.
12. Man hat das Gefühl, ihr seid stolz darauf, keiner Ideologie anzugehören. Ihr wollt nur billig studieren!
13. Die Taxifahrer fordern immer unsere Solidarität. Heute haben sie alle gearbeitet. Geier!
14. Mit dieser privilegierten Politikerkaste kommen wir nie aus dem Tränental. Es gibt hier zu viele Faschisten. An alle, die Rajoy gewählt haben: Es geschieht Euch recht!
15. Hört auf mit dem Streik, geht nach Hause, heute abend spielt die Nationalmannschaft. Wir wollen Fiesta!
16. Alles, was die Arbeiterklasse erreicht hat, radiert diese Regierung einfach aus. Reagiert endlich!
17. An alle, die die Arbeiter nicht unterstützen: Macht doch eure Scheißlädchen auf solange ihr noch könnt. Vielleicht seid ihr eh bald pleite. Ich werde die Läden, die heute offen hatten, in Zukunft boykottieren. Euch ist es egal, dass mein Lohn gekürzt wurde, mir ist es egal, wenn ihr zusperren müsst. Clowns, Faschisten!
18. Die regieren seit einem Jahr und es geht uns schlechter, wir sind am Arsch. Was hat diese Regierung für das Volk getan? Nichts, nichts, nichts.
19. Uff, was für ein Tag. Ich habe gar keinen Zweifel daran, dass der Streik ein Erfolg war. Ich habe gestreikt und habe den Tag zum Einkaufen genutzt: Kleider, Lebensmittel für den ganzen Monat, die Läden waren ja alle offen. Dann habe ich das Auto zur Revision in die Werkstatt gebracht. Ich bin erschöpft. Glückwunsch an die Gewerkschaften.
20. Da waren mehr als 10.000 Demonstranten.
21. 5000  (das schreibt auch die Lokalzeitung)
22. 500, ich habe sie gezählt.
23. Was wollt ihr denn? Wenn heute Wahlen wären, würde Rajoy wiedergewählt.
24. Jaja, die Beamten sind schuld, die trinken den ganzen Tag Kaffee.
25. Man kann eine Regierung unterstützen, wenn die Dinge besser werden, aber es ist doch alles schlechter geworden! Außer für die privilegierte Kaste. Seid doch realistisch, bitte!
26. Was soll das Volk denn machen? Die Regierung stranguliert uns, wir lassen die Hosen runter.

Usw., usw.
Typische Stimmen aus Spanien.
Was habe ich gesehen? Es war ziemlich ähnlich wie beim letzten Generalstreik im Frühjahr, die Beteiligung war deutlich geringer. In unserem Ort war "normalidad absoluta", alles war wie an jedem gewöhnlichen Werktag, ich habe nur zwei Babberle mit 14N (14. November) gesehen. Ansonsten fasse ich kurz zusammen, was ich auch schon letztes Mal geschrieben habe, nämlich hier klicken, da kommt Ihr zu meinem ausführlicheren Eintrag zum Generalstreik im Frühjahr. Alle Geschäfte waren offen, wenige Kunden waren da. Im Industriegebiet mit den vielen Zufahrtsstraßen business as usual. Im anderen Industriegebiet, auf dessen Zufahrtsstraßen beim letzten Mal morgens Autoreifen angezündet worden, standen dieses Mal nur Streikposten. In der Uni waren ungefähr die Hälfte der Professoren und Studenten da, habe ich mir sagen lassen. Bei den Demonstrationen waren wieder überraschend viele Leute.

Dienstag, 13. November 2012

Generalstreik morgen in Spanien

Für den 14.11. ist in Spanien ein Generalstreik angekündigt. Ich habe gerade rasch mal bei spiegel.de und faz.net geschaut, da steht kein Wort davon. Das wundert mich. Ich hätte gedacht für Leute, die morgen aus geschäftlichen oder privaten Gründen nach Spanien reisen möchten, wäre das schon interessant.
Um was geht es? Um das ewig Gleiche. Den Leuten geht langsam ein Licht auf: Dies ist keine Krise, dies ist ein Umbau der Gesellschaft, dessen Ende nicht absehbar ist. Löhne und Gehälter werden massiv gekürzt, alles andere wird massiv teurer. Die Unterschicht verarmt, die Mittelschicht ist enormem Druck ausgesetzt. Was ich persönlich auch schlimm finde, ist, dass die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs durch Bildung verbaut wird. Dazu gäbe es viel zu sagen. 
Als Mariano Rajoy Ende letzten Jahres an die Macht kam, setzten die Menschen Hoffnungen auf ihn, auch Leute, die ihn nicht gewählt hatten und nie wählen würden. Man dachte einfach, die Rechte würde manche Dinge anders machen. Um mal einen Punkt herauszugreifen: man dachte z.B., die neue Regierung würde nur wenige Stellen mit inkompetenten Freunden, Verwandten und Bekannten besetzen. Was tatsächlich geschah, war doch ein bisschen schockierend. Es ging genauso weiter wie unter Zapatero. Ihr müsst Euch das so vorstellen: Für einen mittelhohen Posten im Verteidigungsministerium wird ein verdienter Angehöriger der Luftwaffe mit guten Englischkenntnissen benötigt. Eingestellt wird ein arbeitsloser Arzneimittelvertreter ohne Fremdsprachenkenntnisse, weil seine steinalte Oma ihren anderen, einflussreichen Enkel zurechtgewiesen hat und gesagt hat "da bist du nun ein hohes Tier im Verteidigungsministerium und kannst noch nicht mal deinen Cousin ordentlich unterbringen". Und dann wird der Cousin halt untergebracht und zwar so, dass die Oma auch stolz sein kann. (Ich habe versucht, den Fall so zu entstellen, dass man die Personen nicht erkennen kann, aber da es diese Fälle zu Tausenden (Zigtausenden?) gibt, ist er vielleicht anderen Fällen ähnlich.) Damit die anderen Mitarbeiter dies schlucken, müssen auch noch Marisa, eine Ballettlehrerin, Schwägerin von Alfredo, und Pedro, ein Schulabbrecher, Sohn von Ricardo, untergebracht werden und Esther, die Cousine von Marivi, muss befördert werden, dann stimmen alle zu und alles ist wieder in Ordnung. Die freie Stelle ist besetzt, zwei zusätzliche Stellen wurden geschaffen. Die regierende Kaste wächst und gedeiht, während das Volk darbt. Darf man so was im Internet schreiben? Ja, ne? Liest ja eh keiner. Aber für den Fall, dass es doch einer liest: ich habe mir den Fall nur ausgedacht, echt. In Wirklichkeit ist alles ganz anders. In Wirklichkeit werden nur kompetente Menschen eingestellt, egal, ob sie verwandt sind oder nicht. Spässle. Jetzt habe ich Schiss. Und das ist wahrscheinlich der Grund, warum man von solchen Fällen nur ganz selten hört.
Also, Gründe für den Streik: Spanien wird in den Abgrund geführt.
Warum viele Menschen nicht streiken, obwohl sie mit der derzeitigen Politik überhaupt nicht einverstanden sind (abgesehen von der Lohneinbuße, die gerade in diesesn Zeiten viele schmerzen würde): Der Streik wurde von den Gewerkschaften ausgerufen und viele Leute empfinden die Gewerkschaften als Teil des Problems. Eine weitverbreitete Meinung in unserem Bekanntenkreis ist, dass die Gewerkschaften nur an sich und ihre Klientel denken. Dass sie einfach unverschämt sind. Z.B. eine Krankenschwester hat sich darüber aufgeregt, dass ihre Betriebsrätin, die nur ein paar Bürostunden hat, genauso viel verdient wie sie, einschließlich der Zulagen für Nachtdienste. Sie meint, dass man Leuten, die keine Nachtdienste leisten, auch keine bezahlen sollte. Ein anderer Fall: eine Firma mit einer Abteilung, in der es nur in einem Monat im Jahr so richtig rundgeht. Die Mitarbeiter dieser Abteilung wünschen nun, in diesem Monat ihren Jahresurlaub zu nehmen. Als der Chef dies ablehnt, reichen sie mit Hilfe der Gewerkschaft Klage ein. Solche Sachen halt. Die nerven die Kollegen. Und dann empfinden viele die Streiks als politische Streiks gegen die Rajoy-Regierung und fragen: "Warum haben die Herrschaften nicht gestreikt als Zapatero dran war?" Sie betrachten die Gewerkschaften als Teil der regierenden Kaste, die das Volk ausplündert. 
Währenddessen werden den Banken Milliarden in den Allerwertesten geblasen ... ja, das sind alles so Sachen.  
In die Geschichte mit den Zwangsräumungen, die ich schon ein paar Mal erwähnt habe, kommt jetzt anscheinend Bewegung. Seit Beginn der Krise sind schon 400.000 Familien zwangsgeräumt worden, weil sie ihre Hypotheken nicht bezahlen konnten. Ja, da könnte es schon sein, dass vielleicht die Zeit gekommen ist, gegebenenfalls anzufangen, sich eventuell Gedanken zu machen, ob man da nicht möglicherweise doch beginnen sollte, sich zu überlegen, ob man nicht mal mit den Banken sprechen und sie fragen könnte, ob sie überhaupt noch Interesse daran haben, in den Besitz von noch mehr Wohnungen zu kommen, die nicht besonders viel wert sind. Ja, die Dinge überstürzen sich. Also, mal sehen, was morgen los ist. Ich werde Euch berichten. 

Samstag, 10. November 2012

Weihnachtsvorbereitungen - Teil 1

Mein Beschluss: Heuer kaufe ich keine neuen Weihnachtsdekosachen. Auch wenn die Weltwirtschaft meinetwegen in die Knie geht, chinesische Wanderarbeiter in ihre Dörfer zurückkehren müssen und es den Geschäften die Bilanzen verhagelt. Dieses Jahr kaufe ich nichts.
Am Donnerstag war ich mit einer Freundin in der Stadt bummeln und wir stellten fest, dass die Geschäfte schon Weihnachtsschmuck anbieten. Und was es für hübsche Sachen gibt! Gut gefallen hat mir statt Türkranz ein Herz aus Rohr oder Weiden geflochten, in der Mitte hängt eine Kugel herab und oben ist ein Schild "Willkommen" dran. Eine schöne Idee und mal was anderes, aber ... ich haaabe einen Türkranz.
Dann sah ich diesen Plätzchenteller von Villeroy und Boch, 19,99 Euro (in Wirklichkeit ist der natürlich nicht so unscharf, ich habe ihn von der Website kopiert, ich weiß nicht, warum das so hässlich geworden ist). Dieser Teller gefällt mir echt gut, aber ... ich haaabe zwei! Plätzchenteller.  
Gut gefiel mir auch eine Laterne, deren Glasseiten mit Weihnachtsmotiven bemalt waren.  Ich dachte mir, dass die mit einem Teelicht oder einer Kerze drinnen abends am Fenster sehr schön aussehen würde, aber ... haben wir nicht schon genug Mist????? Ich könnte ja eine der beiden Laternen, die wir schon haben, mit Weihnachtsmotiven bemalen, wenn ich wollte.
Ganz abgefahren: In einem Laden, den ich doch nicht nennen möchte, drei Tannzapfen, ganz gewöhnliche, mittelgroße Tannzapfen, nach denen man sich im Wald nur bücken muss, mit einer Schnur oben dran zum Aufhängen ... sage und schreibe 5,99 Euro. Materialkosten wenn man's selber macht (von mir geschätzt): Pattex für 3 Cents, Schnur für 2 Cents. Anspruch an das handwerkliche Können: 0. Ich frage mich, ob diese Tannzapfen auch containerweise aus der Volksrepublik China importiert werden.
In New York war es so, dass nach Weihnachten der ganze Dekokram verramscht wurde und man konnte Sachen echt billig kaufen, auch Swarovski-Sterne zum halben Preis und so. Da habe ich mich so richtig mit schönen Kugeln etc. eingedeckt. In Deutschland oder in England ist das ja nicht so, da wird alles weggeräumt. Wahrscheinlich schmeißen hier die Kaufhäuser die Sachen lieber weg als sie zu verramschen. Ich wollte letztes Jahr schlau sein und direkt nach Weihnachten eine richtig gute Außenbeleuchtung kaufen. Zum halben Preis, natürlich. Ts, Peifedeckel. Ich konnte nur den Angestellten beim Kehren der Abteilung zuschauen. In den nächsten Tagen werde ich mal auf den Dachboden gehen und mir einen Überblick verschaffen, was wir an Weihnachtsschmuck haben. Wir haben viele schöne Sachen und ich freue mich auf's Schmücken. Weihnachten selbst geht so schnell vorbei, aber die Vorbereitungen, die sind doch ein Genuss und wenn man rechtzeitig anfängt, so wie ich heute mit dem Beschluss, nichts Neues zu kaufen und in den nächsten Tagen mal das alte Alte zu sichten, dann gibt's auch keinen Stress.

Sonntag, 4. November 2012

Weckruf - Katastrophenschutz - Selbstschutz


Wie Ihr wisst, hatten wir das Glück, vier Jahre in New York wohnen zu dürfen, und zwar in Manhattan, und zwar direkt am Wasser. Als sich Hurricane Sandy näherte, galt für das Gebäude, in dem wir gewohnt hatten "mandatory evacuation", die Bewohner mussten das Gebäude verlassen; wenn man es nicht verließ, geschah aber auch nichts. Also blieben viele Bewohner. Ich denke, wir wären auch geblieben. Letztes Jahr mussten die Leute nämlich schon einmal gehen (Hurricane Irene) und dann geschah gar nichts. In der Zeit, in der wir dort lebten, gab es auch mehrmals Warnungen vor irgendwas und dann war immer nix, z.B. snow storm warning und dann fielen drei Flocken oder keine Warnung vor irgendwas und dann saßen wir in Panik auf dem Sofa, weil wir Angst hatten, die Fensterscheiben flögen raus, so stark war der Sturm. 


Die Fensterscheiben waren nämlich riesig. Hier seht ihr den Blick aus einem Wohnzimmerfenster auf Brooklyn. Scheibe mit Weihnachtsdeko, hihihi, (von oben hingen ein paar Dekoelemente herab, andere Sachen hatte ich mit doppelseitigem Klebeband befestigt. Es konnte von draußen ja keiner reinschauen (24. Stock)).
Hier noch ein paar von mir aus unseren Fenstern gemachte Bilder von heraufziehenden Stürmen in NYC:


Blick aus dem Schlafzimmerfenster. Ja, das hohe Gebäude links ist das Empire State Building.


Ein Blick aus dem anderen Wohnzimmerfenster auf den East River mit Roosevelt Island. Das zweithöchste Gebäude, das da so links am Wasser steht, ist das UNO-Gebäude.
Also, Wetter gibt's in New York zum Abwinken. Ich denke mal, wir hätten unsere Wohnung nicht verlassen. Ich hätte 50 Liter Wasser gekauft, die Badewanne mit Wasser gefüllt, bei Trader Joe's einen großen Einkauf gemacht und den Kühlschrank und das Gefrierfach vollgemacht und dann hätte ich gedacht: "Bring it on!"
So, und dann wäre der Sturm gekommen. Etwas heftiger als die Male, als ich dachte: "Uaaahhh, die Scheibe fliegt raus." Und dann wäre der Strom weggewesen. Und der Aufzug hätte nicht mehr funktioniert. Und dann wäre das Wasser weggewesen. Wie Ihr wisst, bin ich für das Thema sensibilisiert, weil wir ja gerade selber zwei Tage ohne Wasser waren. "Naja, das wird alles gleich wieder funktionieren", hätte ich wahrscheinlich gedacht und wir hätten unsere Wasservorräte fröhlich verbraucht. Leute, die Herrschaften, die unter Verstopfung leiden, sind immer am Jammern, aber ich muss Euch sagen, in solchen Situationen sind sie klar im Vorteil. In meiner Familie haben alle eine Top-Verdauung mit täglichem Stuhlgang. Wisst Ihr, was das bedeutet? Da ist das Wasser in der Badewanne aber ruckzuck alle. Und die Klospülung funktionierte im ganzen Gebäude eh nicht besonders (da war irgendein Wassersparsystem installiert!!!). Wir konnten nur grottenschlechtes Klopapier verwenden. An Extraflausch war da echt nicht zu denken. Gäste sagten zu uns: "Was habt Ihr bloß für ein schlechtes Klopapier!" und wir mussten uns rechtfertigen. Peinlich, ne?
Ja, und dann wäre das Zeug in unserem Kühlschrank langsam warm geworden, naja, sehr warm nicht, denn die ganze Wohnung wäre ja mittlerweile kalt gewesen. Vom Isolieren halten die Amis wenig. Und wenn wir dann gedacht hätten: "Na, dann machen wir uns halt mal einen schönen, heißen Tee", dann wäre das auch nicht gegangen, denn der Herd ging elektrisch an, obwohl es ein Gasherd war. Früher funktionierten Gasherde nur mit Gas und man entfachte das Feuer mit einem Streichholz, mittlerweile aber bedürfen sie des Stromes. Tja, und der Fernseher hätte nicht funktioniert. Und die Batterie vom Computer wäre irgendwann mal leer gewesen. Wir haben ein Kurbelradio mit Dynamobetrieb, mit dem man auch Handys aufladen kann, da hätten wir Informationen über die Lage bekommen. Nach zwei, drei Tagen hätten wir die Wohnung dann doch verlassen müssen, wegen der Klosituation. Mit unseren Rollköfferchen hätten wir 24 Stockwerke hinabsteigen müssen. Dann hätten wir uns zu unseren Freunden auf der Upper West Side durchschlagen müssen, die uns wahrscheinlich aufgenommen hätten.
Mann, Mann, Mann. Die Menschen in diesem Gebäudekomplex sind seit fast einer Woche ohne Wasser und Strom. Ich denke mal, die abartig hohe Miete müssen sie trotzdem bezahlen.  
Leute, wir müssen uns wirklich mehr Gedanken machen, wie wir uns im Falle X verhalten.
Wir haben dieses Kurbelradio, das ist schon mal gut. Ich muss es mal überprüfen, ob es noch funktioniert (nachdem ich es gesucht habe, ich habe nämlich nicht die leiseste Ahnung, wo es sich befindet). Vielleicht sollten wir einen Campingkocher anschaffen, denn bei Stromausfall funktioniert unser Elektroherd nicht und man wird ja auch nicht den Grill anschüren wollen, bloß weil man eine Tasse Kaffee oder warme Milch möchte.
Also, ein paar Sachen habe ich schon gesammelt in Sachen vorbereitet sein:
1. Wenn es kein Wasser gibt, im Freien gleich eine Pinkelecke einrichten.
2. Regenwasser vorrätig halten.
3. Schauen, wo man Wasser herbekommt, wenn das Regenwasser ausgeht (Quelle, Brunnen, ?)
4. Leere Wasserbehälter vorrätig halten.
5. Kurbelradio suchen.
6. Campingkocher kaufen, Gas vorrätig halten.
7. Nicht auf Tiefkühlvorräte setzen, sondern auf Dosen. Dosenöffner dazu packen (> 1)
So, das sind jetzt mal so ein paar Sachen, die mir in den letzten Tagen eingefallen sind.
Update: Als ich meinen Gatten fragte, ob er wüsste, wo das Kurbelradio sei, antwortete er mir, es befände sich in einem Schubkasten in seinem Arbeitszimmer, zusammen mit einer dynamobetriebenen Taschenlampe sowie einer weiteren Taschenlampe und Batterien verschiedener Größe. Heee, toll. Warum er dieses Herrschaftswissen für sich behalten hatte, erschließt sich mir nicht, ich hätte das Zeug im Ernstfall nämlich nicht gefunden. Der Schubkasten im Arbeitszimmer wäre so ziemlich der letzte Ort gewesen, an dem ich gesucht hätte.
8. Pappteller (während wir so nach und nach unser ganzes Geschirr schmutzig machten, verwendeten andere Nachbarn Pappteller, die sie dann einfach in den Müll warfen. Schlau!)
9. Wissen mit den anderen Familienmitgliedern teilen
So, das war's jetzt mal wieder.