Freitag, 27. Juni 2014

VI. Erfrischender Artikel gestern in "El País"

In unserer Welt, in der alles reglementiert und zertifiziert ist bis zum Abwinken, gibt es sie doch noch, die Horte der Verrücktheit und Anarchie, z.B. am spanischen Rechnungshof. Gestern in der Zeitung "El País" ein Artikel, nämlich hier klicken, in dem das schön dargelegt wird. Überschrift: Nur fünf der sechzig Informatiker des Rechnungshofs sind Fachleute. Ich fasse mal rasch das wichtigste zusammen: Der Rechnungshof hat 700 Mitarbeiter, davon sind 100 Familienangehörige der Führungskräfte. Dort arbeiten unter anderem die Schwester, der Bruder, der Sohn, ein Schwager und noch ein Schwager sowie der Neffe des Betriebsratsvorsitzenden, die Exfrau, der Sohn aus erster Ehe, die Tochter aus erster Ehe, die zweite Frau, die Schwiegertochter, die Schwägerin, der Neffe, noch ein Neffe und ein enger Freund des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden, sowie viele Angehörige anderer leitender Mitarbeiter. Das ist in einem Schaubild, das zum Artikel gehört, teilweise dargestellt. Sogar der Bruder des ehemaligen Präsidenten Aznar und die Gattin des spanischen Botschafters in England (der, so unglaublich das scheinen mag, nicht Englisch spricht), sind dort tätig.
In seiner Abteilung für elektronische Datenverarbeitung beschäftigt der Rechnungshof sechzig Mitarbeiter, von denen die meisten nur über einen Hauptschulabschluss (graduado escolar) verfügen, manche haben auch Abitur. Ihre Kenntnisse beschränken sich auf die Benutzung von Windows. Ein Teamleiter in dieser Abteilung verdient um 3000 Euro. Der Rechnungshof muss auf externe Dienstleister und Informatiker aus anderen Ministerien zurückgreifen. "Praktisch alle Mitarbeiter sind nicht für diese Posten geeignet", zitiert El País aus einem Bericht, den der stellvertretende Leiter des Zentraldienstes für Informatik der Staatsverwaltung erstellen ließ. Von 60 Informatikern haben nur fünf Informatik oder Telekommunikation studiert. Die anderen können Windows benutzen. 
Bei den Leserkommentaren schreibt einer, dass es für das spanische System unerlässlich ist, dass der Rechnungshof wirkungslos sei. Wenn da kompetentes Personal arbeiten würde, wäre es ein Desaster für die politische Kaste, und damit der Rechnungshof eine solche Nullnummer bleibt, müssten die schlechtest möglichen Mitarbeiter ausgewählt werden. 
Da könnte was dran sein, ne? Das würde so manches erklären.
Wer jetzt meint, dieser Blogeintrag sei negativ: Neeeeeee! Ich finde diese Dreistigkeit einfach geil. Der Mut, der dazu gehört, eine für spanische Verhältnisse hochdotierte Stelle anzunehmen, für die man überhaupt nicht qualifiziert ist! Und ich mache mir ins Hemd, wenn ich einen Adventskranz binden soll, weil ich meine, er wird nicht rund genug! Ich finde diese Zustände lustig und den Artikel wirklich erfrischend, denn normalerweise wird das Thema Unfähigkeit und Vetternwirtschaft in Spanien nicht öffentlich angesprochen.

Donnerstag, 26. Juni 2014

V. Es war echt Zufall!

Heute früh habe ich mir in aller Ruhe Zwieback bestrichen, mit Blaubeer-, Erdbeer- und Orangenmarmelade, und plötzlich hatte ich das hier auf meinem Brettchen:
Ts. Mein Gatte meint, da wäre mein Unterbewusstsein am Werk gewesen, aber ich glaube, es war wirklich nur Zufall.

Mittwoch, 25. Juni 2014

IV. Fußball-Weltmeisterschaft 2014

Wie auch seine Herrchen ist Fido enttäuscht über das frühe Ausscheiden der spanischen Nationalmannschaft. Hier seht Ihr, wie er traurig seine Schnauze im Sofa vergräbt.
Aber hey, er hat ja noch ein Trikot im Schrank! Hehehe, da wechseln wir doch mal rasch. Wofür hat man denn zwei? Jetzt blickt er wieder zuversichtlich in die Kamera.
Und so sah es in Spanien vor vier Jahren aus: In unserem Dorf waren fast alle Balkone beflaggt:



  Mann, waren das Zeiten! Und es ist als wäre es gestern gewesen. 
(Ist ein positiver Blog-Eintrag, oder? Die Erinnerung an die phantastische Stimmung vor vier Jahren, Fido immer schick... Deutschland hat noch gute Chancen... Also kriegt der Eintrag eine römische Nummer.)

Sonntag, 15. Juni 2014

III. Spanische Spezialitäten: Altramuces

Altramuces auf einem von den neuen Keramikschälchen aus Sevilla
Altramuces (sprich wie geschrieben, aber das "c" wie das "th" im Englischen. Wenn das zuviel verlangt ist, dann das "c" wie "s", also "Altramuses". "C" im Spanischen vor "e" und "i" immer wie tiäitsch, ansonsten wie "k"). Altramuces also sind die Samen der weißen Lupinen. Sie sind so ähnlich wie dicke Bohnenkerne. Früher waren sie in Spanien eine Speise für die Armen, heute werden sie als Knabberzeug gegessen. Man isst nur den Kern und wirft die Schale fort. Man schält sie mit Hilfe der Zähne.
Zu den Altramuces gibt es eine schöne Geschichte, die mein Gatte gern erzählt. Sie erscheint in einer Geschichtensammlung von Don Juan Manuel aus dem 14. Jahrhundert, die El Conde Lucanor heißt und zur bedeutendsten Prosa des spanischen Hochmittelalters zählt (trotzdem gut):
Ein reicher Mann hat sein Vermögen verloren. Das Einzige, was er noch zu essen hat, ist ein Beutel voll Altramuces. Sich selbst bemitleidend läuft er einen Weg entlang. "Ach, ich armer, armer Teufel. Alles ist Scheiße. Was geht es mir so schlecht. Viel schlimmer kann es nicht mehr werden. Was hab' ich doch für ein Pech!" In solche Gedanken versunken kaut er auf seinen Altramuces herum und spuckt die Schalen auf den Weg. Nach einer Weile bemerkt er, dass ihm jemand folgt. Jemand, der noch ärmer ist und nichts anderes zu essen hat als die Schalen der Altramuces, die auf dem Boden liegen.                                          
Altramuces sind in allen spanischen Supermärkten erhältlich (normalerweise bei den Oliven).

Mittwoch, 11. Juni 2014

II. Wir waren wo - und zwar in Sevilla


Ja, liebe Leser, wir waren wo, und zwar in Sevilla. Am Samstag früh fuhren wir los, am Dienstag früh fuhren wir zurück. Am Dienstag mittag waren wir in Mérida, aber davon erzähle ich Euch (vielleicht) ein anderes Mal. 
Ich war von Sevilla positiv überrascht. Wir waren vor der Hitze gewarnt worden, das Wetter war aber sehr angenehm: um dreißig Grad, aber in den engen Gassen war überall Schatten, es wehte ständig eine leichte Brise, es gab sehr viele Brunnen, auf den breiteren Straßen stehen massenweise Orangenbäume (tooolll, es sind nämlich keine gewöhnlichen Orangenbäume. Die Früchte riechen wunderbar, ein bisschen wie Mandarinen. Ich habe mir ein paar Kerne mitgenommen, die ich in die Erde stecken werde. Mal sehen, was daraus wird. Leute, wie muss es hier erst duften, wenn die Bäume blühen!) Kennt Ihr das berühmte Lied von Los del Río (das sind die von "Macarena") Sevilla tiene un color especial (Sevilla hat eine besondere Farbe)? Das stimmt auch. Mein Gatte fragte mich, was mir in Sevilla am besten gefallen hätte und auch nach längerem Überlegen konnte meine Antwort nur lauten: Die Farbe des Himmels und die Palmen und Gärten davor. Sevilla hat wirklich ein besonderes Licht.
Okay, fangen wir an mit dem, was wir gesehen haben: Auf dem ersten Bild seht Ihr die berühmte Kathedrale und ihren Glockenturm, ein ehemaliges Minarett.
La Giralda
Das zweite Bild zeigt den Blick vom maurischen Palast Reales Alcázares zurück zur Giralda. Wunderschöne Gebäude, Palme, Himmel, vielleicht wird hier ein bisschen deutlich, was ich meine.

Und hier ein Blick in die andere Richtung, in die traumhaften Gärten der Reales Alcázares. Hier kann man sich vorstellen, wie Prinzen und Prinzessinnen an heißen Tagen zwischen üppigen Pflanzen lustwandelten, begleitet vom Murmeln der vielen Brunnen... Du meine Güte, wenn es eine Stadt gibt, die zum Entspannen einlädt, dann ist es diese!
Unterhalb des Palasts befand sich dieses Gewölbe, das sich in der Zisterne spiegelte. Sieht es nicht beinahe verwunschen aus?
Das haben wir auch im Garten des Palastes gesehen. Was ist es? a) ein Dinosaurierfuß; b) ein besonders schwerer Fall von Elephantiasis; c) mal wieder meine Fußzehen; d) ganz was anderes
d) ganz was anderes, nämlich Baumwurzeln, hahaha.
Blick auf den Innenhof des Hotels Alfons XIII. Wir nahmen dort eine Erfrischung zu uns. Ein Hamburger oder ein Sandwich mit allem Pipapo kostet dort so um die zwanzig Euro. Dafür bekommt Ihr Genuss pur. Es ist ein herrlicher Ort. In den Ecken stehen schöne Pflanzen, in der Mitte sprudelt ein Brunnen. Habe ich schon erwähnt, dass Sevilla eine Stadt ist, die extrem zum Ausruhen einlädt?
Weiter geht's im Park María Luisa. Dort gab es diese schönen, gekachelten Bänke (und gekachelte Geländer und also mögliche sonstige Gekachelte).
Und Pferdekutschen...
Wir entschieden uns aber für eine Fahrt auf einem Fahrrad für sechs Personen (mein Bruder mit seiner Gattin und seinen zwei Kindern, mein Gatte und ich, je zwei in drei Reihen, das Ganze überdacht, 30 Minuten = 20 Euro). Leute, wir haben so gelacht auf dieser Fahrt... Wir fuhren flott dahin, da war plötzlich vor uns ein Zweierfahrrad (nebeneinander sitzendes romantisches Pärchen). Mein Bruder und mein Gatte fühlten sich bemüßigt, die beiden zu überholen und traten heftiger in die Pedale. Das war an sich schon lustig. Wir fuhren dann wieder gemütlich weiter, plötzlich kam von hinten das Pärchen angebraust, überholte uns heftig gestikulierend und raste davon. Was sich bei den beiden zwischen dem Moment, als sie von uns überholt wurden, und dem Moment, als sie zu rasen begannen, abgespielt hat, können wir nur erahnen. 
Die Kathedrale haben wir nicht nur von außen angeschaut, sondern auch von innen. Sie ist riesig! Falls Ihr hinfahrt, plant viel Zeit ein! In der Kathedrale befindet sich auch die Grabstätte von Christoph Kolumbus. Siehe unten. Schön, ne?
Die Giralda, den Turm der Kathedrale, kann man besteigen. Einen Aufzug gibt es nicht, aber auch keine Treppenstufen. Man erklimmt den Turm auf Rampen. Von oben hat man eine wunderschöne Aussicht, z.B. auf die Dachterrassen von Sevilla...
und die Stierkampfarena, in der wir eine Führung mitmachten, spanisch und englisch. Ich setzte mich auf einen Platz in dem Bereich, in dem die Herzogin von Alba normalerweise Platz nimmt.
Blick von oben auf das Dach der Kathedrale:
"Und zu Futtern gab's nix?" werdet Ihr Euch spätestens jetzt fragen. Am ersten Tag aßen wir die andalusische Spezialität Tortillitas de Camarones, auf die sich mein Gatte sehr gefreut hatte. Das sind kleine Pfannkuchen mit Krabben. Sie sehen so ähnlich aus wie Kartoffelpfannkuchen und sind leeecker!!! Dazu gab es noch Pescaditos fritos, frittierte Fischchen, ebenfalls eine andalusische Spezialität. Abends gönnten wir uns eine gemischte Platte Montaditos, das sind kleine, belegte Brote. Die meisten waren mit den in Spanien üblichen Belägen versehen, z.B. Olivenöl, Tomatenmus und Schinken, Mayo und Thunfisch, usw. Ein Montadito ragte aber heraus: Süße Kondensmilch (vom schon häufiger erwähnten Typ "Milchmädchen") und Anchovis!!! Und das war guuut! Man sollte es nicht glauben, nicht wahr, klingt total beschissen, aber... Und natürlich verleibte ich mir auch einen Teller Salmorejo ein, das ist eine kalte Suppe/ein Püree aus Tomaten, Brot, Olivenöl, Essig, Knoblauch und Salz. Ich muss gestehen, dass ich gelegentlich das fertige Salmorejo von Mercadona kaufe, das sehr gut ist. Ich lege dann einfach nur noch ein hartgekochtes Ei in Scheiben und ein paar Streifchen Serrano-Schinken obendrauf und fertig.
Ich habe in Sevilla auch ordentliche Lammkotelettchen gegessen, verhungern muss dort keiner, aber Ihr wisst ja, wie das ist mit dem Essen in Touristengegenden, mal hat man Glück, mal nicht so. Ach übrigens, was ich Euch noch nicht gezeigt hatte: Unser Hotelzimmer!
Im Hotel "Europa" in der Calle Jimios. Zentraler geht's nicht. 55 Euro die Nacht, ohne Frühstück, plus 17 Euro pro Nacht für das sehr enge Parkhaus. Wenn Ihr ein großes Auto habt, rate ich von diesem Parkhaus ab. Gutes spanisches Frühstück mit guter Bedienung gab's gleich, wenn man rauskommt, rechts um die Ecke, in der ersten Gaststätte. Übrigens: Ich wollte das Hotel im Internet reservieren, rief dann aber an, um wegen der Parkmöglichkeiten zu fragen. Ich wurde gefragt, für wie viel ich das Zimmer im Internet buchen würde. Ich sagte "Für 65 Euro". Daraufhin bot mir meine Gesprächspartnerin das Zimmer 10 Euro billiger an. Bloß, dass Ihr's wisst. In Frankreich ist mir allerdings auch schon das Gegenteil passiert, nämlich dass ich beim Hotel buchen wollte und dann darauf hingewiesen wurde, dass es im Internet 10 Euro billiger sei.
Ein Ausflug führte uns in das Stadtviertel Triana auf der anderen Seite des Flusses Guadiana. Dort stießen wir auf die Werkstatt eines Herrgottschnitzers! Triana ist nicht nur als Heimat von Toreros, Flamencosängern und Seefahrern berühmt (der Typ, der als Erster "Tierra!!!" gerufen hat, als Amerika entdeckt wurde, war Rodrigo de Triana), sondern auch für seine Keramikwerkstätten. Ich wollte mir dort Kacheln mit einer Muttergottes drauf für eine Wand im Hof kaufen, aber ich habe nicht genau das gesehen, was ich wollte, also kam ich mit etwas anderem zurück, nämlich mit einer Tortillaplatte und bunten, fröhlichen Keramikschälchen für die Knabbersachen für die Fußballweltmeisterschaft, die ja morgen beginnt. Ich werde Euch noch Bilder davon zeigen.
Das Bild unten zeigt den Goldturm, den Torre de Oro, den man besonders gut von den Brücken oder vom Fluß aus sieht (eine Bootsfahrt haben wir natürlich auch gemacht).
So, und auf dem letzten Bild seht Ihr die Kathedrale bei Nacht, aufgenommen von der Dachterrasse eines Hotels aus, auf der wir uns ein paar Erfrischungen gönnten. Drinks auf Dachterrassen, das hat sowas Erhabenes, stimmt's? Es ist etwas ganz Besonderes (für uns zumindest, es war erst unser zweites Mal).
Und das war's auch schon mit meinem Reisebericht. Nein, ich habe wichtige Sachen vergessen: wir haben auch die "Esperanza de Triana" und den "Jesús del Gran Poder", zwei der wichtigsten Figuren der Prozessionen der Karwoche gesehen. Wenn ich da jetzt auch noch was dazu schreiben würde, würde es zuviel. Also, zusammenfassend meine ich, dass Sevilla auf jeden Fall eine Reise wert ist, wobei man die Sommermonate sicher meiden sollte.

Montag, 2. Juni 2014

I. Wunderschönes Wort gefunden: Rügeobliegenheit

Heute ist mir dieses wunderschön klingende Wort begegnet: Rügeobliegenheit. Ja, ich muss Euch gestehen, ich kannte es vorher nicht. Ich zitiere die Bedeutung aus Wikipedia: "Beim Handelskauf trifft den Käufer die Obliegenheit, die Ware unverzüglich zu untersuchen und, wenn er Mängel feststellt, diese zu rügen. Unterlässt er dies, verliert er v.a. sein Recht auf Gewährleistung." Zu Deutsch: Wenn man etwas kauft, muss man gleich schauen, ob es okay ist, später kann man nicht mehr reklamieren. So verstehe ich es wenigstens. Genaueres findet man im § 377 des Handelsgesetzbuches (nicht gelesen). Es geht ja auch nicht um die Bedeutung des Wortes, sondern um seinen Klang: Rügeobliegenheit. Es gibt auch die Mängelrügeobliegenheit, die finde ich aber ein bisschen too much.  
Leider, leider kann ich mir keine Alltagssituation vorstellen, in der ich dieses Wort verwenden kann. Schade. Oder doch? T-Shirt gekauft, zu Hause festgestellt, dass eine Naht nicht richtig geschlossen ist: "Ich sollte meiner Rügeobliegenheit nachkommen!" Geht doch, oder? Ah, die Freude an den kleinen Dingen des Lebens, wie zum Beispiel schöne Wörter.