Okay, ich fange einfach irgendwo zu schreiben an, ganz ungeordnet. Wir hätten am Montag in Phase 1 kommen sollen, das findet aber nicht statt, wir müssen noch ein oder zwei Wochen in Phase 0 bleiben. Meine Nachbarin, die in geringer Entfernung von hier noch einen Garten hat, war voller Vorfreude, als sie noch die Hoffnung hatte, sich bald um ihre mittlerweile sicher völlig verwilderten Beete kümmern zu können, und ich brachte ihr den schönen deutschen Ausdruck "sie scharrt mit den Hufen" bei. Ich freute mich natürlich auch auf Phase 1, denn dann hätten ich in unsere alte Wohnung in der Stadt fahren und das seit zwei Monaten halb gestrichene Balkongitter fertig streichen können. Außerdem hätte am Dienstag die neue Küche dorthin geliefert werden sollen. Das hat sich jetzt auch erledigt. Ich rief bei der Guardia Civil an, die für unsere ländliche Gegend zuständig ist, um zu fragen, ob ich in meine Wohnung fahren und die Lieferung in Empfang nehmen darf. "Ist die Lieferung lebensnotwendig?" fragte mich der Polizist. "Nein," antwortete ich. "Dann dürfen Sie auch nicht in die Stadt fahren," antwortete er. (Es handelt sich um eine etwa 20-minütige Fahrstrecke.) Ich rief noch die Polizei an, die für die Stadt zuständig ist, die erlaubte mir, hinzufahren, wies aber darauf hin, dass es sicher Ermessenssache war. Da seit Beginn der Ausgangssperre in Spanien bereits über 900.000 Strafzettel, beginnend bei 600 Euro, 300, wenn man gleich zahlt, verteilt worden sind, meinte mein Gatte, ich solle lieber nichts riskieren. Ich glaube, die Staatsfinanzierung ist mittlerweile auf Strafzettel umgestellt worden, Umsatzsteuer und so geht ja sicher kaum noch ein.
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wir dürfen uns weiterhin nicht aus unserem Wohnort entfernen.
Auf dem Heimweg vom Spazierengehen -wir müssen um zehn Uhr morgens zuhause sein, dann beginnt die Ausgangszeit der Kinder - sind uns letztens zwei Polizeiautos begegnet. Als ich vorgestern einkaufen fuhr, stand am Kreisel auch eine Streife der Guardia Civil. Ich war beim Mercadona. Es war traurig und machte mich nervös, das mit dem Abstand halten, der Laden war nämlich ziemlich voll und die Maske rutschte mir hoch über die Augen und die Brille herunter... Ich war die letzten Tage ein bisschen deprimiert. Wann dürfen wir endlich wieder so leben wie vorher?!? Und dabei zählen wir, also meine Familie, zu den Privilegierten. Wir sind nicht krank geworden, Gott sei Dank, haben ein regelmäßiges und unregelmäßiges Einkommen, wohnen in einem großen Haus mit Garten, dürfen im freien Feld spazieren gehen... also, im Gegensatz zu anderen Leuten geht es uns gold...
Heute habe ich etwas Spannendes im Fernsehen gesehen, das hat mir aus der Niedergeschlagenheit geholfen.
Gestern hat eine Freundin erzählt, in unserer Gegend wäre wieder jemand gestorben, ich weiß aber nicht, wer das sein soll. Sie vermutete, es sei unser direkter Nachbar. So ein Blödsinn, der ist echt super vorsichtig und mein Gatte hat ihn gestern Vormittag lebend gesehen.
Wie viele Leute am Virus gestorben sind, weiß man ja mittlerweile überhaupt nicht mehr. Es werden ja nur getestete, im Krankenhaus gestorbene Opfer gezählt. In der Provinz Salamanca sind in der ersten Aprilhälfte 365 Menschen gestorben, haben die Bestattungsunternehmen gemeldet. Im vergangenen Jahr waren es im selben Zeitraum 88. Vielleicht dürfen wir auch deshalb nicht in Phase 1. In ganz Spanien, steht in der Zeitung El País, sind zwischen dem 1. März und dem 25. April 30.364 Menschen mehr gestorben als im langjährigen Durchschnitt, von denen 23.515 als Covid-19 Opfer gezählt wurden. Naja, die Zahlen fallen ja schon stark, bald wird dieser Irrsinn vorbei sein.
Madrid kommt auch noch nicht in Phase 1. Aber Mallorca schon, das ist ja für die Deutschen wichtig, obwohl man in Phase 1 nicht sonderlich viel darf. Im Baskenland, wo mein mittlerer Sohn wohnt, sind sie auch in Phase 1.
Am Anfang der Epidemie hat mein ältester Sohn doch bei der Herstellung von Gesichtsvisieren geholfen, ich habe Euch davon erzählt. Ich fragte ihn einmal: "Wie können denn solche Masken verwendet werden? Die sind doch gar nicht homologiert?" (Oder zertifiziert oder wie man das nennt). "Es sind die oder keine," antwortete er mir. Pflegepersonal arbeitete in aus Mülltüten geschneiderten Schutzanzügen. Eine Freundin hat im WhatsApp ein Bild von sich gezeigt - sie ist Krankenschwester - wo sie eine von den Masken trägt, die der spanische Staat sich wieder hat andrehen lassen, die den Vorschriften nicht entsprechen und nicht schützen. Sie hat die Maske vier Tage getragen (dieselbe), dann wurden die Masken zurückgerufen. Sie arbeitet im Universitätsklinikum. Sie hat das Virus schon gehabt, von daher ist es vielleicht auch egal.
Ich weiß, ich weiß, das ist alles gar nicht so schlimm. Unsere einzige Aufgabe ist es ja, brav zuhause zu bleiben. Um 20 Uhr applaudieren tun wir nicht mehr, seit wir das Haus zum Spazieren gehen verlassen dürfen. Als mein Gatte und mein Sohn heute spazieren gingen (immer nur zwei Personen, die in einem Haushalt leben), fuhr ein Auto herum und jemand wies per Lautsprecher auf die Regeln des Spazierengehens hin: Nur einmal am Tag, nur einen Kilometer vom Haus weg, nur eine Stunde.
Ich bin mir sicher, dass man die Krankheit am Anfang absichtlich sich hat ausbreiten lassen. Am 06.02.2020 habe ich in unserer Lokalzeitung den Artikel von den Chinesen gelesen, die Zamora besucht haben. Da war mir klar, dass unsere Regierung uns nicht beschützen wird. Ich habe das in meinem Blogeintrag vom 27.02. festgehalten. Am 17.02. flogen wir von Frankfurt nach Madrid. Als ich die Ankunftstafel am Frankfurter Flughafen betrachtete, sank mein Herz. Warum, könnt Ihr Euch denken: Flugzeuge aus China und Mailand landeten, als ob nichts wäre. Ich schaute mir dann die Ankunftstafeln von Madrid und Frankfurt in den folgenden Tagen noch ein paar Mal im Internet an, dann dachte ich: Ja, gut, ist okay, alles klar.
Am 05. März, als mein Sohn und meine Schwiegertochter in Kolumbien waren und ich die Lage dort beobachtete, schrieb ich hier im Blog, halb im Scherz: Bestimmt wird eine Kaffeedelegation aus Mailand das Virus dort einschleppen. Am nächsten Tag las ich in einer kolumbianischen Zeitung, dass eine junge Frau aus Mailand das Virus dort eingeschleppt hatte. Das steht in meinem Blogeintrag vom 06. März. Das tat mir so leid. Die Leute dort sind nicht reich.
Warum hätte das absichtlich erfolgen sollen? Ich sag Euch gleich, was ich denke. Als die Abschottung Madrids in der Luft lag, haben Dorfbürgermeister gefleht, die Madrilenen sollen bitte, bitte nicht kommen. Sie kamen trotzdem und haben das Virus schön verteilt.
Warum hätte man das tun sollen, also, zuschauen, während das Virus sich ausbreitete? Zuerst dachte man in Spanien noch, man könnte das Virus bremsen. Angela Merkel sagte damals, 60 bis 70% der Menschen würden erkranken. Das wurde in Spanien durchaus registriert. Vielleicht wusste man von Anfang an, dass man das Virus nicht würde aufhalten können und man brauchte eine gewisse Anzahl von Kranken, um Maßnahmen durchsetzen zu können.
Stellt Euch vor, Ihr habt einen Rosenstock. Darauf seht Ihr eine Laus (das Virus). Die zerquetscht Ihr. Nach ein paar Tagen seht Ihr mehrere Läuse. Die werden auch abgestreift, aber wegen der paar Läuse lohnt es sich ja nicht, den ganzen Stock mit Gift einzuspritzen, vielleicht gehen die Läuse ja von alleine wieder weg. Denkt man. Dann endlich ist der ganze Stock befallen und man spritzt ihn ein. So stelle ich mir das vor, so ist das wenigstens bei mir. Deshalb verstehe ich, dass man die Krankheit am Anfang nicht an der Ausbreitung gehindert hat. Wenigstens hätten die Politiker aber ehrlich sein sollen. Hier macht ein Video die Runde mit Zitaten des Virologen, der täglich im Fernsehen spricht, Fernando Simón. Er hat sich wieder von seiner Covid-19-Erkrankung erholt. Und mit Zitaten des Gesundheitsministers. Ihr könnt Euch den Inhalt vorstellen: "In Spanien wird es keine Fälle geben." "Und wenn - es ist nur wie eine leichte Grippe", "Schutzmasken nützen nichts", usw., usw. Normalerweise sind unter dem Video reichlich Kotz-Emojis zu finden. Meiner Meinung haben diese Menschen, die Politiker, große Schuld auf sich geladen. Die Entschuldigung, dass sie einfach nur dumm und unfähig sind, lasse ich bei Ministern und Regierungssprechern nicht gelten.
Und jetzt sind wir alle eingesperrt. Am Tag vor der Ausgangssperre gab es im Supermarkt noch Desinfektionsmittel im Angebot, 2 zum Preis von einem. Ich kaufte nur 2 Flaschen. Wer hätte denn gedacht, dass es so weit kommt? Es gab hier auch sehr lange Zeit Schutzmasken zu kaufen. Wir kauften reichlich. Ich konnte meinem jüngsten Sohn welche nach München tragen und dem mittleren ins Baskenland schicken. Von offizieller Seite wurde uns ja eingehämmert, sie nützten nichts. Und wer unseren Herrschern nicht glaubt, ist ein Verschwörungstheoretiker und ein Depp. Ich glaubte ihnen nicht. Ich setzte meinen Aluhut auf und verließ mich auf die Weisheit der Chinesen (was man ja gar nicht darf, weil das ja totalitäre Kommunisten ohne Freiheit sind), die auf Schutzmasken schwören.
Ich will nicht behaupten, dass wir die Lage stets richtig eingeschätzt haben: Als in China die ersten Fälle auftraten, bot mein Sohn seinem Freund in Hongkong, der gerade Vater geworden war, an, mit seiner Familie zu uns zu kommen, um sicher zu sein. Hongkong heute: 1048 Fälle, 4 Tote. Da haben wir in unserer Siedlung mehr! (Nee, ich hoffe, das stimmt nicht.) Zu glauben, wir wären hier, im spanischen Landesinneren, in der tiefen Provinz, sicher, war eine völlige Fehleinschätzung. Zu glauben, ich könnte mein Balkongitter in der Wohnung in der Stadt bald fertigstreichen, war eine Fehleinschätzung.
So, genug für heute.
P.S.; Was im Supermarkt gefehlt hat, waren Einweghandschuhe, Hefe und ein bestimmter Brotaufstrich, den ich mag. Hefe habe ich eingelagert, insofern war mir das egal. Einweghandschuhe haben wir vorläufig auch genug. Für das Prepping der Zukunft haben wir aus dieser Zeit viel gelernt. Wann dürfen wir endlich wieder machen, was wir wollen?!?
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