Mittwoch, 8. Oktober 2014

Ebola in Spanien - Spain in a Nutshell

Wie Ihr wisst, ist in Spanien die erste Ebola-Ansteckung außerhalb Afrikas aufgetreten. Die Fachwelt wundert sich da vielleicht, aber die Laien, die nichts davon verstehen, eher nicht, denn der Virus wurde ja in Form von zwei todkranken Missionaren ausdrücklich eingeführt. Bei Internet-Umfragen fordern 80-90 % der Teilnehmer - je nachdem, ob es sich um ihre Parteifreunde handelt oder nicht - den Rücktritt von Ana Mato, der spanischen Gesundheitsministerin. Es werden zwei Gründe genannt, warum sie nicht zurücktritt (im Radio, und so): Sie ist eine persönliche Freundin des Präsidenten oder sie erpresst ihn mit irgendwas. Ana Mato ist für ihre Verstrickung in Korruptionsfälle berüchtigt. Der bekannteste ist der mit dem Jaguar, der in ihrer Garage stand und von dem sie nichts wusste. Ja, sie entblödete sich nicht zu behaupten, sie wisse nichts von dem Jaguar in ihrer Garage. Andererseits, wir wissen ja nicht, wie groß ihre Garage ist und wie viele Autos darin stehen. Vielleicht fällt da ein Jaguar mehr oder weniger einfach nicht auf. Auch bekannt: die, die ihren Lifestyle gesponsert haben, zahlten auch verschiedene Kindergeburtstage und sonstige Familienfeiern. Einmal stand Konfetti für 4600 Euro auf der Rechnung. Da fragten sich die Untertanen auch, wie viel Konfetti man dafür wohl bekommt, ob man sich den Konfettiregen so vorstellen kann wie bei den Meisterschaftsfeiern von Real Madrid im Bernabeu-Stadion. Reisen, Handtaschen von Louis Vuitton... Ob sie jetzt wohl zurücktreten muss? Weiß nicht, ich neige aber dazu zu glauben, dass sie an ihrem Sessel kleben bleiben wird. Man bekommt sie nicht einmal mit heißem Wasser weg, sagen die Spanier.
Wie geht es der Ebola-Patientin? Unsere Perle hat heute früh gleich ihren Fernseher angeschaltet, um zu hören, ob es etwas Neues gibt, auch in Sachen Hund. Der Fokus hat sich nämlich im Moment auf den Hund des Ehepaares verlagert (der Gatte der erkrankten Pflegehelferin befindet sich ebenfalls auf der Isolierstation im Krankenhaus). Bevor der Gatte das Haus verließ, um sich in Quarantäne zu begeben, legte er seinem geliebten Hund einen 15-Kilo-Sack Futter hin und stellte Eimer und Schüsseln mit Wasser auf. Er ließ die Türe zur Terrasse offen, damit der Hund (er heißt Excalibur) in Ruhe Pipi und Popo machen kann. Der Gatte der Erkrankten - er heißt Javier - wurde nun von den Behörden gefragt, ob er damit einverstanden sei, dass Excalibur eingeschläfert wird. Darauf antwortete er mit nein. Nun wird ein Gerichtsbeschluss erwirkt, mit Hilfe dessen das Leben Excaliburs beendet werden kann. Javier setzte daraufhin in den sozialen Netzwerken Himmel und Hölle und sämtliche Tierschutzorganisationen in Bewegung, um sein geliebtes Tier zu retten. Aus dem Krankenhaus heraus schickte er ein Video in die Welt, in dem er um Unterstützung bat. Demonstranten versammelten sich vor dem Haus des Ehepaares, um den Abtransport von Excalibur zu verhindern, der sich wohl auch gerade aufgrund von Kompetenzstreitigkeiten verzögert. 
Von der Patientin heißt es inoffiziell, sie sei schwach und apathisch. Sie war aber, als sie schon Symptome zeigte, noch rasch bei einer dieser massiven Einstellungsprüfungen, um sich eine feste Stelle als Pflegehelferin zu sichern. Bei dieser Prüfung bewarben sich 28.000 Bewerber um 1300 Stellen. Darunter war auch die Erkrankte. Man kann echt nur hoffen, dass sich dieser Virus nicht leicht überträgt. Stellt Euch mal vor, sie kaut bei der Prüfung an ihrem Bleistift, dann leiht sie den Bleistift ihrer Sitznachbarin, die dann - in Gedanken versunken - auch darauf herumkaut?????
Darf ich noch was hinzufügen? Das hat mir auch unsere Perle erzählt: Eine der behandelnden Ärzte war bei uns in der Stadt, um einen Vortrag zu halten. Eine Freundin der Tochter der Perle gehörte zum Begrüßungskomitee und küsste, wie in Spanien üblich, die Vortragende, als sie ihr vorgestellt wurde. Missionar - Ärztin - Freundin - Tochter - Perle - mi casa. Der Gatte von M. war auch bei diesem Vortrag, hat aber die Vortragende nicht geküsst. Man kann echt nur hoffen, dass diese Krankheit nicht sehr ansteckend ist.
Deshalb habe ich geschrieben "Spain in a Nutshell", denn dieser Fall hat vieles von dem, was das öffentliche Leben in diesem schönen Land ausmacht: schamlose, offen ausgelebte Korruption bei der herrschenden Kaste, Einstellungsprüfungen, bei denen Zigtausende aus dem Fußvolk um Arbeit kämpfen, Unfähigkeit, die häufig auch durch Vetternwirtschaft bedingt ist... Verlagerung der Aufmerksamkeit von wichtigen Dingen auf Belén Esteban oder auf ein Haustier...
P.S.: Teresa Romero, die an Ebola erkrankte Frau, wurde heute im Fernsehen interviewt. Es geht ihr besser, ihre Stimme war relativ kräftig. "Wie haben Sie denn die Benachrichtigung erhalten, dass sie an Ebola erkrankt sind?" fragte der Reporter. "Der Arzt wollte mir nichts Definitives sagen," antwortete Teresa Romero, "da bin ich mit meinem Handy ins Internet und habe auf der Seite der Zeitung El País geschaut, da stand es." True Story!!!
P.P.S.: Hund tot.
09.10.2014:
Der Leiter des Gesundheitswesens der Region Madrid hat Teresa Romero gestern als Lügnerin bezeichnet. Sie habe über ihren Gesundheitszustand gelogen. Ja, das Wort war "mentir" oder "mentirosa", ich weiß es nicht mehr genau, aber ich konnte es gar nicht glauben, als ich es gehört habe. Er hat diese arme Frau praktisch für den Ebola-Ausbruch verantwortlich gemacht. Unfassbar. Heute hat er gesagt (ziemlich wörtlich): "Ich kann auch zurücktreten, mir ist es wurscht, ich habe meine Schäfchen im Trockenen. Das ist allgemein bekannt." Diese Dreistigkeit! Und dann hat jemand gefragt, warum das Pflegepersonal nicht besser geschult werde. Seine Antwort: "Man braucht keinen Master, um einen Schutzanzug anzuziehen." Das ist die spanische Kaste.
Dem Krankenhaus, in dem sich die Erkrankte und sechs Kontaktpersonen, die zur Beobachtung dort sind, aufhalten, läuft mittlerweile das Pflegepersonal davon. Die Leute erscheinen nicht zur Arbeit, es ist ihnen zu gefährlich. Es wird Aushilfspersonal eingesetzt. Genaue Zahlen hat das Krankenhaus verweigert.
Teresa Romero geht es heute schlechter. Ihr Bruder wurde dringend an ihr Krankenbett gerufen. Sie sei intubiert, sagte er auf dem Rückweg den wartenden Reportern. Das stimmt nicht, antwortete die Krankenhausleitung. Nicht einmal so etwas... Das, was ich hier zusammengefasst habe, könnt Ihr alles auf der Startseite von El País (hier klicken) von heute bzw. dem 09.10.2014 lesen.
20.00 Uhr: Teresa Romero leidet unter multiplem Organversagen und schwebt in Lebensgefahr.
12.10.2014:
Teresa Romero ist wieder bei Bewusstsein und kann mit den Ärzten sprechen. Anscheinend ist sie dem Tod noch einmal von der Schippe gehüpft! Hoffentlich bleibt es bei diesem einen Ebola-Schrecken!
16.10.2014:
Teresa Romero ist weiterhin auf dem Weg der Besserung. Gott sei Dank! Sie konnte gestern flüssige Nahrung zu sich nehmen und mit ihrem Mann sprechen. Die einzige Person, die in dieser Sache zurückgetreten ist, ist der Leiter der Abteilung, die für die Tötung von Excalibur, dem Hund, verantwortlich war. Der Leiter des Gesundheitswesens der Region Madrid hat sich bei der Erkrankten für seine Unverschämtheiten entschuldigt.
05.11.2014: Teresa Romero hat sich wieder erholt und wird aus dem Krankenhaus entlassen. Ufff!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen