Donnerstag, 12. März 2015

Ich erzähl' Euch was...

...und ich hätte es Euch schon vor einer Weile erzählen müssen, dann hättet Ihr nämlich richtig Geld damit verdienen können. Wir haben Anfang des Jahres unsere sämtlichen Aktien verkauft und zum ersten Mal seit dreißig Jahren praktisch gar keine mehr. Wir sind menschliche Kontraindikatoren, es ist immer das Gegenteil von dem richtig, was wir machen. Z.B. Daimler bei 79 Euro verkauft, jetzt sind sie bei 92, wie ich gerade nachgeschaut habe. Pffff. Nein, es regt mich nicht besonders auf und ich werde Euch auch gleich erzählen, wieso. Aber zuerst: Man hätte doch draufkommen können, nicht wahr? Es war doch sooo einfach: EZB druckt Euro wie bekloppt = Euro fällt = deutsche Waren im Ausland billiger = Aktien deutscher Exporteure steigen. Mehr war es nicht. Kindergartenniveau, oder? Und trotzdem nicht draufgekommen. Ja, hinterher ist man immer schlauer. Macht nix.
Früher, vor 2007/2008, hätte ich mich aufgeregt und hätte gedacht, ich könnte mir in den Arsch beißen, aber wir hatten, wir Ihr ja wisst, Gelegenheit, diese geschichtlich relevante Zeit an ihrem Brennpunkt, nämlich in New York, zu erleben. Die Ereignisse waren sehr, sehr interessant und man hat viel nachgedacht. Bei dem Nachdenken kam, wie immer bei mir, nichts raus, also kein Erkenntnisgewinn, aber man hat nachgedacht, viel nachgedacht... und beobachtet und gehört...
Wir hatten z.B. in New York eine sehr liebe Nachbarin. Sie war Anfang siebzig und arbeitete noch stundenweise als Arzthelferin, leitete zwei Gymnastikgruppen und war persönliche Trainerin von mehreren anderen Alten. Sie war von Beruf Balletttänzerin gewesen. Sie war sehr nett zu uns und quasselte viel mit mir. Sie war quirlig und erzählte gerne aus ihrem interessanten Leben. Jetzt denkt bitte nicht "oh nein, das arme Ding, musste mit über siebzig noch arbeiten, weil es in den USA keine Renten gibt und keine Krankenversicherung und überhaupt und blablabla", nein, so war das gar nicht. Im Gegenteil. Sie war glücklich und zufrieden mit ihrer Arbeit und ich dachte mir "in Europa wäre mit spätestens fünfundsechzig Schluss gewesen und hier kann sie ihr Leben einfach weiterleben, das ist gut." Sie hatte für ihr Alter fleißig vorgesorgt und ihr Vermögen in Aktien angelegt. Sie wollte noch ein oder zwei Jahre als Arzthelferin arbeiten und dann nur noch ihre Gymnastikkurse geben, solange es ihr möglich war. Und dann begann 2007 diese Krise und ihre Aktien fielen und fielen... und fielen und fielen... und ihre Tochter, die im Showbusiness arbeitete und mal ganz viel verdiente und mal nichts, war arbeitslos, und unsere Nachbarin konnte einfach nicht länger zuschauen, wie der Wert ihrer Lebensersparnisse fiel und fiel... "Wo führt denn das noch hin?" sagte sie. "Ich will in ein, zwei Jahren in den Ruhestand, ich brauche das Geld." Und irgendwann erzählte sie, die Hälfte ihres Vermögens sei weg. Und dann gingen ihr die Nerven durch und sie verkaufte alles.
Kennt Ihr die Börsenweisheit: "Die Börse ist wie ein Paternoster. Es ist ungefährlich durch den Keller zu fahren, man muss nur die Nerven behalten"? (Auf der Suche danach, von wem dieses Zitat stammt, bin ich auf diese interessante Seite gestoßen: Zitate von John Kenneth Galbraith.) Naja, is' egal. Unsere Ex-Nachbarin war jedenfalls bei der anschließenden Erholung nicht mehr dabei und die Hälfte ihres Vermögens war endgültig fort. Dazu noch ein Zitat, von dem ich sogar weiß, von wem es ist: "Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen." (Mark Twain) 

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