Dienstag, 29. September 2015

Todo positivo...

Ja, ja, ja, ich bin entschlossen, dem Blog eine andere Richtung zu geben und zwar mit deutlich weniger Gejammer. Alles positivo, nada negativo. Ich erzähle Euch, wie es zu dieser Überlegung kam: Im Juli war mein Gatte zu einem glanzvollen Abendessen in Madrid eingeladen. Wir werden so selten zu glanzvollen Abendessen eingeladen, dass man die Häufigkeit mit dem Begriff "nie" recht gut beschreiben kann. Wir beschlossen, noch zwei Tage dranzuhängen und es uns in Madrid ein bisschen schön zu machen und das Museum Reina Sofia und das Thyssen-Museum zu besuchen, damit wir in Zukunft, wenn jemand sagt "ich war im Thyssen", "da waren wir auch schon" antworten können. Im Reina Sofia hängt das berühmte Werk "Guernica" von Picasso, das genauso aussieht wie auf den Postern, aber viel größer ist. Im Thyssen-Museum hängen, wie mein Gatte sagte, der von Kunst mehr versteht als ich, mindere Werke bedeutender Künstler und bedeutende Werke minderer Künstler, aber auch zwei oder drei Werke von Christian Schad.
Um auf das Abendessen zurückzukommen: Unter dem guten Dutzend Gäste war auch ein älteres adeliges Ehepaar der höchsten Gesellschaft. Wäre das nicht tolle, wenn ich neben der Tussi zu sitzen käme? dachte ich mir, hatte aber kaum Hoffnung... Ich saß neben ihr! Auf der anderen Seite von ihr saß der Gastgeber, ein wichtiger Mann. Naja, da wird sie wohl kaum mit mir sprechen, dachte ich mir... Sie quasselte den ganzen Abend nur mit mir! Und es war sehr unterhaltsam! Abgesehen davon, dass die Frau sehr nett und sympathisch war, muss ich Euch sagen, ich finde reich sein soooooo toll! Ich bin da auch gar nicht neidisch oder hasserfüllt klassenkämpferisch, ich finde es einfach nur toll. Zum Abschied sagte sie: "Ach, eigentlich wollten wir gar nicht kommen, man hetzt ja von einer Einladung zur anderen, Sie kennen das ja, aber jetzt war es doch ein richtig schöner Abend." "Sie kennen das ja", hahahahahaha. Uns lädt keine Sau ein. Also zu glanzvollen Abendessen. Solche Leute/Familien schwimmen gesellschaftlich immer oben, als Sahnehäubchen quasi, da kann unten los sein, was will, Franco, Sozialisten, Arbeitslosigkeit, alles wurscht, das geht gar nicht an die ran. Toll, ne? Todo positivo. Wie viel schöner ist das Positive.
Ja, und am Tisch mir gegenüber saß eine Tussi, die nach dem Regierungswechsel (PSOE - PP) die Macht hatte, viele Freunde, Verwandte und Bekannte sowie verdiente Parteimitglieder der sozialistischen Partei, die auf hohen Posten hockten, ins zweite oder dritte Glied oder ganz nach Hause zu schicken und gegen Freunde, Verwandte und Bekannte sowie verdiente Parteimitglieder der konservativen Partei (unabhängig von ihrer Kompetenz und Eignung) auszutauschen. Sie entließ aber nicht nur sozialistische Günstlinge, sondern auch Menschen, die - unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit - ihren Posten aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse innehatten, um Platz für Söhne und Töchter, Cousins und Cousinen, Neffen, Nichten und Freunde - unabhängig von ihren Fähigkeiten und Kenntnissen - zu schaffen. Ich hab' schon mehrmals das Thema Nepotismus in Spanien angesprochen, z.B. hier mit einem leicht abgewandelten, mir persönlich bekannten Fall, und hier, mit Informationen aus einem Artikel in El Pais. Eklig, ne? Was denkt man, wenn man so einem Menschen, einem direkt verantwortlichen, gegenüber sitzt? Der Ochsenschwanz, der als Hauptgericht serviert wurde, war zu trocknen. Echt jetzt, ne? Was soll man denn denken? Der Ochsenschwanz, der entbeint und mit einem Ring modisch geformt serviert wurde, war wirklich zu trocken. Mein Gatte und ich hatten mittags in einer einfachen Wirtschaft das Tagesmenü gegessen, bei dem wir uns als Hauptgericht zufällig ebenfalls Ochsenschwanz (mit Knochen) bestellt hatten und dieser Ochsenschwanz war sooo lecker gewesen, perfekt zubereitet, was ja bei Ochsenschwanz kein großes Kunststück ist. Okay, der Ochsenschwanz abends wurde in beeindruckendem, sehr gehobenem Ambiente serviert, aber..., ne? Todo positivo. Tooooodo positivo. Todo, todo, todo.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen