Donnerstag, 11. August 2011

Unerwünschte telefonische Werbung

Als ich ein Kind war, vielleicht so 6 oder 7, spielten wir manchmal ein lustiges Spiel, das Schelle klobbe hieß. Schelle klobbe bestand darin, durch die Straßen zu streunern und bei fremden Menschen zu klingeln, im Falle von Wohnblöcken an möglichst vielen Klingeln, und dann davonzulaufen.
Wenn ich mich recht erinnere, war uns schon im Alter von 9 oder 10 Jahren klar - oder klar gemacht worden -, dass es eine Ungezogenheit ist, fremde Menschen durch willkürliches Anklingeln zu nerven.
Heutzutage ist diese Ungezogenheit bei vielen Firmen in Form des Telefonmarketings Teil des Geschäftsmodells.
Warum die Tussi, der ich schon mehrmals gesagt habe, dass wir keinen Wein über's Telefon kaufen, immer wieder anruft ... ich weiß es nicht. Hier in London haben sie uns schon mehrmals angerufen und uns erklärt, unser Computer hätte einen Virus.
"Was?!? Ich hab' doch ein Anti-Viren-Programm!"
"Nein, es liegt an Ihrem Provider."
"Was?!? Da muss ich die British Telecom anrufen und mich beschweren."
"Nein, Sie müssen blablabla von uns kaufen."
NERVT NET!
Gestern rief einer an: "Ich möchte nichts verkaufen."
"Ja."
"Es ist nur eine Umfrage."
"Ja."
"Sind Sie Angestellte, Selbstständige oder Rentnerin?"
"Ja."
"Angestellte, Selbstständige oder Rentnerin?"
"Ja."
"Sie können diese Frage nicht mit "Ja" beantworten.
"Ja."
"Warum sagen Sie denn immer "Ja"?
Ich wollte noch einmal "Ja" sagen, konnte aber nicht mehr, weil ich so lachen musste.
Selllllbstverständlich ist mir bekannt, dass es sich bei den Anrufern um Menschen handelt, die sich ehrlich und im Schweiße ihres Angesichts ihren Lebensunterhalt verdienen und bevor ich meine Kinder verhungern lasse, würde ich auch als Telemarketerin arbeiten. Und wir müssen Verständnis haben und froh sein, dass sie nicht von einem Subunternehmen des Verbands der Zahntechniker dafür bezahlt werden, uns ehrlich und im Schweiße ihres Angesichts die Zähne einzuschlagen, damit die Zahntechniker mehr zu tun haben. Selllllbstverständlich müssen wir diese Anrufer respektieren. Auch wenn sie uns aus dem Schlaf reißen. Wenn sie uns aus dem Bad holen. Wenn wir aus der letzten Gartenecke heranschießen müssen. Der Fall meiner Nachbarin, die auf Strümpfen die Marmortreppe herunterrannte, stürzte und sich den Arm brach ... das kann bei wichtigen und unwichtigen Anrufen passieren.
"Heb' doch einfach nicht ab!" raten manche Schlaumeier. Aber wenn ich auf das Display schauen kann, dann bin ich doch schon vom Keller hoch oder aus dem Garten rein gerannt!
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die die Telemarketer einfach beschimpfen. Die unfreiwilligen Telefongespräche können ein Anlass sein, in andere Persönlichkeiten zu schlüpfen oder unsere Schüchternheit abzulegen und unsere komische Seite zu erforschen. 
"Hallo? Hallo? Ich muss erst mein Hörgerät holen. Moment, bitte!" habe ich schon ins Telefon gebrüllt und mir dann alles x-mal wiederholen lassen.
Oder: "Ach, Gabi, lass doch den Blödsinn. Ich weiß, dass Du es bist."
Mit schlimmen Sprachfehlern gesprochen oder mit übertriebenen ausländischen Akzenten (Hape Kerkeling inspiriert zum Beispiel mit Evje van Dampen, der "Mutter Teresa der lebensabschnittspartnerschaftlichen Beziehungsarbeit"). Doch, da geht was, wenn sie einen schon völlig ungebeten anrufen.
In den USA war's schlimmer, denn da wurde man meist von Anrufmaschinen belästigt: Ans Telefon gerast, abgehoben, am anderen Ende ein Tonband: "Ihre Autoversicherung läuft bald ab." Wir hatten gar kein Auto. "Press 1 for blablabla ...". Da kriegt man eine derartige Wut ... das ist Telefonterror.
Die neueste Variante in Spanien sind Anrufe, bei denen man abhebt und am anderen Ende ist keiner. Wenn einem das ein paar Tage hintereinander passiert, kriegt man schon ein bisschen Angst. Eine rasche Recherche im Internet klärte die Sache auf: Der Weltkonzern Telefonica lässt maschinell anrufen und die armen Säue im Callcenter (in Peru oder Bolivien, aus naheliegenden Gründen), die mit den armen Säuen zu Hause an den Apparaten in Spanien sprechen sollen, sind noch nicht bereit, das Gespräch zu beginnen. Dann spielt Musik oder es herrscht einfach Funkstille. Je nachdem, in welchem seelischen Zustand ich mich befinde und abhängig davon, ob ich für die Annahme des Anrufs extra von draußen reingerannt bin, rufe ich manchmal zurück. Die 1004-Hotline von Telefonica kostet nix. "Sie haben mich gerade angerufen. Leider war ich nicht schnell genug am Apparat. Ihr Anruf ist mir wichtig. Um was geht's denn?" Die Person von der Hotline weiß natürlich von nichts. "Könnten Sie bitte feststellen, wer mich da angerufen hat und um was es sich handelt?" Telefonica hat mich doch sicher nicht nur angerufen, um ein Schwätzchen zu halten. Naja, die Rache des ganz, ganz kleinen Mannes eben.
Ich habe auch schon telefonisch Angebote erhalten, die mich womöglich tatsächlich interessiert hätten, zum Beispiel von billigen Telefonanbietern. Ich habe dann gesagt: "Könnten Sie mir Ihr Angebot bitte schriftlich zukommen lassen? Es klingt interessant, ich möchte es mir in Ruhe anschauen." Ich habe darauf niemals, never, nunca eine Antwort erhalten.
Unerwünschte telefonische Werbung ist also wohl tatsächlich keine Form der Geschäftsanbahnung, sondern eine Variante der Arbeitsbeschaffung und als solche müssen wir sie wohl akzeptieren. Bleibt uns eh nichts anderes übrig.

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