Ja, das ist ein Vorwurf, den die Deutschen den Südländern gerne machen: "Ihr habt über Eure Verhältnisse gelebt".
In unserem Bekanntenkreis in Spanien ist der erste Opa in die Knie gegangen. Er kann die Lebenshaltungskosten seines Sohnes und dessen Familie nicht mehr stemmen und die Hypothek der jungen Leute nicht mehr bedienen. Nein, es ist keine von den Familien, von denen ich Euch schon erzählt habe. Es ist einfach noch eine Familie.
Man würde sie im privaten Gespräch hinter ihrem Rücken vielleicht als "korrupte Bagage" bezeichnen, sie selber hassen sicher Korruption in jeder Form; es war nur möglich, im Rahmen eines Amtes gewisse Gefälligkeiten zu erweisen, für die sich die Bedachten später erkenntlich zeigten. Also, alles ganz normal. (Das habe ich Euch nur erzählt, damit Ihr jetzt nicht vor Mitleid mit diesen Herrschaften zerfließt.)
Der Sohn hatte ein Geschäft, das hauptsächlich von öffentlichen Aufträgen gut lebte und Arbeitsplätze schaffen und expandieren konnte. Es ging ihm finanziell gut. Er kaufte eine relativ teure Wohnung und lebte seinen Verhältnissen entsprechend. Dann begann die Krise und sein Geschäft ging schlechter. Dann verschärfte sich die Krise, die öffentlichen Aufträge wurden auf 0 zurückgefahren und er musste sein Geschäft schließen. Da er selbstständig gewesen war, bekam/bekommt er kein Arbeitslosengeld und sein Einkommen beträgt null. Die junge Familie lebte in der Erwartung, dass sich die Wirtschaft ja irgendwann mal wieder erholen musste, von ihren Ersparnissen, bis die Ersparnisse aufgebraucht waren. Dann sprang der Opa ein. Der Opa hatte aber einen Teil seiner eigenen Ersparnisse bereits dem Sohn zum Hauskauf gegeben, den Rest hatte er zum großen Teil in "Preferentes" angelegt. Das sind Papiere, die von den Banken als "eine Art Festgeld" ausgegeben worden waren. Das Geld ist aber so fest angelegt, das es jetzt praktisch der Bank gehört (Laufzeit z.B. bis zum Jahr 3000). Der ganze Clan versuchte nun, von Opas (hoher) Rente zu leben und die Wohnung zu bezahlen. Das ging natürlich nicht lange. Jetzt musste der Sohn das "Se vende", "Zu verkaufen", -Schild an seine Wohnung machen.
Bringt eigentlich wenig, denn der Wohnungsmarkt ist tot, wenn er seine Bude los werden will, muss er sie sicher deutlich unter seinem Kaufpreis anbieten. Das ist der Stand der Dinge.
Haben diese Leute über ihre Verhältnisse gelebt? Meiner Meinung nach nicht.
Liebe Leserin, wenn Dir jemand sagen würde, in fünf Jahren beträgt Dein Einkommen null, kein Hartz IV, kein Kindergeld, nix. Deine Ersparnisse werden aufgebraucht sein, das Geld Deiner Eltern wird die Bank an sich genommen haben, Dein Haus wirst Du nicht verkaufen können, weil es keinen Wohnungsmarkt mehr gibt, würdest Du das glauben? Und wenn dieser Fall, der jetzt so unvorstellbar scheint, einträte und ein Schwede käme mit erhobenem Zeigefinger und würde sagen: "Nåjå, sie hat jå auch über ihre Verhæltnisse geløbt"?
Der deutsche Staat hat 2 Billionen Schulden, pro Kopf sind das über 25.000 Euro, pro vierköpfige Familie über 100.000 Euro. Diese Zahlen habe ich von der Seite des Bundes der Steuerzahler, nämlich von hier. Nur gut, dass Deutschland nicht über seine Verhältnisse lebt, gell?
(Ich schreibe das hier nur, um es zu dokumentieren. Das mit der Krise geht jetzt schon sooo lange. Spanien ist immer noch auf dem Weg nach unten, der Boden ist noch lange nicht erreicht. Glaube ich. Theoretisch finde ich es interessant, dem Niedergang eines Landes zuzuschauen, solch ein Spektakel bekommt man ja nicht alle Tage geboten. Praktisch ist es zum Kotzen.)
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