Zwei, drei Minuten nachdem der 20-Uhr-Bus abgefahren war, kamen meine Freundin und ich an der Haltestelle an. Dort warteten bereits eine kräftige Frau in einem elektrischen Rollstuhl und ihr hagerer Begleiter auf den nächsten Bus 15 Minuten später. Plötzlich riss ihre Halskette oder ihr Armband und kleine grüne Kugeln flogen in alle Richtungen. Die, die direkt neben ihrem Rollstuhl gelandet waren, hob sie selbst auf, dann wies sie ihren Begleiter an, die restlichen einzusammeln. Der Begleiter konnte aber, im Gegensatz zu ihr, nicht gut sehen. Ich begann, auch Perlen aufzuheben. Meine Freundin ebenfalls. Zwei weitere Frauen trafen an der Haltestelle ein und machten auch noch mit. Für einen außenstehenden Betrachter muss das witzig ausgesehen haben, die ganzen Leute, die da durcheinander liefen und Perlen einsammelten.
Dann kam der Bus. Er hatte keine ausfahrbaren Rampen. Die Frau im Rollstuhl behauptete, dies sei bereits der dritte oder vierte Bus ohne Rampen, der vorbeikäme. Die Fahrerin sowie die regelmäßigen Fahrgäste, die mit der Flotte vertraut sind, behaupteten, dies sei unmöglich, da praktisch alle Busse, außer eben diesem einen, über Rampen verfügten. Die Frau im Rollstuhl bestand darauf, dass sofort ein Bus mit Rampen kommen müsse. Die Busfahrerin riet ihr, sich ein Spezialtaxi zu rufen. Nein, sie habe ein Recht darauf, mit dem Bus zu fahren, entgegnete die Frau. Sie stellte sich mit ihrem Rollstuhl auf die Straße, vor den Bus. Sie wollte nicht wegfahren, bis ein Bus mit Rampen einträfe. Ihr Begleiter stand ratlos auf dem Bürgersteig. Die Busfahrerin telefonierte mit irgendwem. Die Fahrgäste in spe wurden ungeduldig. Jemand empfahl, die Polizei zu rufen und die Frau entfernen zu lassen - das Ganze spielte sich in der Innenstadt, wenige Meter vom Justizpalast entfernt, ab. Showdown zwischen der Busfahrerin und der Frau im Rollstuhl.
Wie es kam, dass sich die Frau dann doch zurückzog, weiß ich nicht, das habe ich nicht mitbekommen. Jedenfalls fuhr der Bus los und die Frau und ihr Begleiter schauten ihm vom Bürgersteig aus nach.
Die Fahrgäste regten sich über das Anspruchsdenken und die frechen Forderungen der Behinderten auf und darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit sie auf vermeintliche Rechte pochten. Sie drückten ihr Mitleid mit dem hageren Begleiter aus.
War ein komisches Erlebnis.
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