Mittwoch, 4. November 2015

Negerlein

Diese Anekdote aus dem Leben meiner Familie stammt aus einer Zeit, in der das Wort "Negerlein" noch nicht so negativ besetzt war, nämlich aus dem Jahr 1990 - wer ist das eigentlich, der diese Wörter so negativ besetzt, dass man sie hinterher nicht mehr benutzen kann??? - Naja, wie dem auch sei. Ich kann mich so gut an den Zeitpunkt erinnern, weil es wenige Tage vor der Geburt meines zweiten Sohnes war. 
Wir lebten damals in einem Dorf an der spanischen Nordküste, in dem es außer Spaniern, Basken und ein paar Deutschen, die dort arbeiteten, keine ethnische Diversität gab. Mein ältester Sohn war zwei Jahre und drei Monate alt und hatte noch nie bewusst einen Menschen mit anderer Hautfarbe gesehen. Seine diesbezüglichen Kenntnisse bezog er ausschließlich aus dem Buch "Zehn kleine Negerlein", einem seiner Lieblingsbücher. 
Nun begab es sich, dass wir in den Sommerferien in Deutschland waren und die Landesgartenschau in Würzburg besuchten. Plötzlich rief mein Sohn aus Leibeskräften: "Gugg mal, Mama, ein Negerlein!!!" und er war außer sich vor Freude. Überglücklich deutete er auf den Mann mit dunkelbrauner Hautfarbe, der dort im Schatten eines Baumes auf einer Bank saß. Gott sei Dank hatte der Mann ihn nicht gehört. Wir mussten unseren Sohn davon abhalten, sich direkt vor ihn zu stellen und ihn begeistert anzuglotzen. Diskret betrachtete er ihn mit einigem Abstand... Da erblassten alle Blumen, der Besuch der Gartenschau hatte einen einzigen Höhepunkt, ein wunderschöner Tag, ein großes Glück, ein Negerlein... (M., zwei Jahre und drei Monate). 

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