178 Tote in Salamanca. In Spanien zeigt sich endlich die Wirkung der Quarantäne und alle Zahlen sinken, die der neu Erkrankten, die der Verstorbenen und die der ins Krankenhaus Eingewiesenen. Pedro Sánchez hat heute verkündet, dass der Notstand und damit die Ausgangssperre vorläufig bis mindestens 26. April und dann wahrscheinlich noch weiter verlängert wird. Okay, ne?
Heute haben wir endlich ein bisschen Tischtennis gespielt. Morgen soll es aber schon wieder regnen. Auch recht.
Die Nachbarin, deren Grundstück unten an der Gartenseite an unser Grundstück stößt, hat mich heute angesprochen. Sie konnte mich nicht sehen, weil ich hinter der Hecke war, aber sie hörte mich. Sie spricht normalerweise nicht mit mir, sie steht über uns, aber heute war es ihr wohl besonders langweilig und sie rief: "Bist du da?" Ich antwortete nicht, da sie ja normalerweise nicht mit mir spricht. Nach einer Weile erbarmte ich mich und sagte: "Meinst du mich?" Auch, weil im weiten Umkreis sonst niemand war. "Ja," antwortete sie und dann unterhielten wir uns eine Weile nett. Ich glaube, sie weiß gar nicht, wie ich heiße und es ist ihr auch wurscht. Wir wohnen seit 23 Jahren hier. Is' egal.
Um 20 Uhr haben wir wieder wie jeden Abend mit den Nachbarn auf der Straßenseite draußen geklatscht. Gestern hatten wir uns mehr oder weniger für heute um 21 Uhr zur "Cacerolada" verabredet. Das bedeutet allgemeines Topfschlagen gegen die Regierung aus Sozialisten und Kommunisten mit Duldung durch die Unabhängigkeitsbewegungen. In der allgemeinen guten Stimmung beim Applaus gestern für diejenigen, die Spanien am Laufen halten, hatte ich gesagt... nein, ich habe es nicht gesagt, aber ich habe die anderen im Glauben gelassen, ich würde mitmachen. Mein Gatte und mein Sohn machen bei solchen Sachen sowieso nicht mit.
Heute war ich ratlos. Die Nachbarn waren sich einig: Wir schlagen auf Töpfe und machen Lärm gegen die Regierung.
Uns persönlich ist es unter der sozialistischen Partei sehr viel besser gegangen als unter den Konservativen und man will ja nicht undankbar sein. Ich habe keine konkreten politischen Ansichten. Mir wurde schon vorgehalten, ich sei "Facha", ganz rechts also, und eine Freundin hat mich einmal gebeten, mich als Füllmaterial auf der Liste der kommunistischen Partei für den Gemeinderat eintragen zu lassen, weil sie dachte, das entspräche mir. Ich habe in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal gewählt und das ist schon fast vierzig Jahre her. Es ist besser, ich wähle nicht, denn ich glaube fast alles, was mir erzählt wird, und wenn mir fünf Minuten später das Gegenteil erzählt wird, dann glaube ich das auch.
Also, Topf schlagen gegen die sozialistische Regierung oder nicht? Sie haben es nicht gut gemacht, Spanien hat gemeinsam mit Italien in der Corona-Katastrophe die schlimmsten Zahlen der Welt. Mein Gatte und mein Sohn meinen, die anderen, die Rechten, hätten es bestimmt auch nicht besser gemacht. Wir bemühen uns, gerecht zu urteilen. Es ist ja auch nicht so, dass unsere Regierung bösartig ist, sie ist einfach nur überfordert und unfähig. Sie haben sich alle gleich einmal selbst mit dem Virus angesteckt. Vielleicht war das aber auch ein bewusster, heroischer Akt, um sich zu immunisieren und umso besser für das Volk da sein zu können. Man weiß es nicht.
Topf schlagen oder nicht? Wir wollen uns mit unseren Nachbarn gut stellen. Die schlagen alle. Mein Gatte meinte, ich sollte als Vertreterin unserer Familie hinausgehen und ein bisschen schlagen. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger Lust hatte ich, mich dem Gruppendruck zu beugen und mich eindeutig auf eine Seite zu schlagen. Dicke Regenwolken zogen am Himmel auf und ich dachte: "Vielleicht regnet es um neun und das Thema erledigt sich von selbst."
Die Nachbarn erwarten mich. Und dadurch, dass man Abstand halten muss, kann man sich ja auch nicht erklären.
Schließlich war es neun Uhr und es regnete nicht. Man hörte sie draußen deutlich auf ihre Töpfe schlagen. Ich fühlte mich ein bisschen aufgefordert, hinauszugehen, um unserer sehr guten Nachbarschaft willen.
"Die warten auf dich," sagte mein Sohn.
Entschuldigungen, die ich morgen vorbringen könnte, gingen mir durch den Kopf: Wir haben Euch nicht gehört, wir haben es vergessen, wir waren gerade beim Abendessen... so viele Vorwände gibt es auch nicht. Aber warum soll man sich überhaupt entschuldigen?
Vor ein paar Tagen habe ich noch eine WhatsApp bekommen, die dazu aufforderte, sich in diesen schweren Stunden hinter die Regierung zu stellen und nicht so viel zu kritisieren. Darauf habe ich mit dem Smiley, das sich kaputtlacht, geantwortet.
Nach reiflicher Überlegung habe ich am Topfschlagen nicht teilgenommen.
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