Fündig geworden! Ja, es stimmt, ich bin fündig geworden. Ihr wisst, ich bin jemand, der stets das Gute in jedem Menschen, an jedem Ort und in jedem Augenblick sucht (zumindest wäre ich das gerne) und ich konnte einfach nicht glauben, dass die englische Küche immer und grundsätzlich schlecht ist. Leute, wenn man von Stansted mit dem Express nach London reinfährt und kommt an grünen Weiden vorbei, auf denen glückliche Kühe und selige Lämmer grasen, an Teichen, auf denen muntere Enten schwimmen und an denen zufriedene Angler stehen, in deren Umgebung fette Gänse watscheln, vorbei an Gärten, in denen die schönsten Gemüse angebaut werden, an Obstbäumen, ja, sogar an einem riesigen Feigenbaum fährt man vorbei, an Wäldern, in denen sich zweifellos Wild tummelt ... England ist ein Land, in dem Milch und Honig fliessen. Hier friert es im Winter kaum, hier regnet es bis zum Abwinken, die Sonne verbrennt nix. Du meine Güte, hunderte von Kilometern Meeresküste mit den entsprechenden Meeresfrüchten ... und in diesem Land soll es nichts Gescheites zu essen geben????? Fortnum und Mason, die Lebensmittelabteilung von Harrods, Märkte wie der Borough Market ... die sind Weltklasse und mit all diesen Herrlichkeiten wissen die Engländer nichts, aber auch gar nichts anzufangen?
Was hat das britische Weltreich dem Rest der Welt kulinarisch gebracht? Das Sandwich, ne? Und das mythische Lamm mit Minzsosse, das ich schon immer mal probieren wollte, das mir aber noch nie irgendwo begegnet ist. Ach ja, und die mad-cow disease. Wahnsinn! Und das Killer-Frühstück: das Full English Breakfast. Macht ihnen auf der Welt keiner nach, ich möchte wissen, wieso (triefende Ironie). Was für eine verheerende Bilanz!
Die englische Küche ist gesamtumfänglich hart am Rande des Geniessbaren. Echt? Man möchte es manchmal wirklich glauben.
Ich hatte gehört, dass in England Gastropubs in Mode sind. Wir waren in einem. Ich bestellte mir ein Roast of the Day, das mit Tiefkühlerbsen, Dosenkarotten und einer Art Spachtelmasse, die die englische Bezeichnung "mashed potatoes" trug, serviert wurde. Dies erinnerte mich an einen besonders üblen Tag in der Mensa, in der ich als Studentin oft ass (meist gar nicht mal so schlecht). An einen Tag, an dem heftig diskutiert wurde, von welchem Tier das unsägliche Fleisch, das auf unseren Tellern gelandet war, wohl stammte. Ist schon über fünfundzwanzig Jahre her und mir wurde bis zu besagtem Tag im Pub nichts Vergleichbares serviert. Ich stocherte ein bisschen in meinem Essen herum, brachte aber praktisch nichts runter. Ihr fragt jetzt: "Warum hast Du denn nicht die Dosenkarotten gegessen?" und ich antworte: "Schon der Anblick des Fleisches hat mir den Appetit verdorben." Ihm fehlte die bratentypische Faserstruktur und mir ist keine Kochtechnik bekannt, mit der man Fleisch in diesen gallertartigen Aggregatszustand versetzen könnte. Der Geschmack gab auch keine Anhaltspunkte preis, denn das Roast of the Day schmeckte typisch englisch, nämlich nach gar nichts. Damit war das Thema Pub food gegessen (pun intended).
Und weiter: Habt Ihr schon einmal die Fertiggerichte von Tesco oder von Marks and Spencer probiert? Den Sheperd Pie und so? Ich finde es toll, dass die Hersteller auf Menschen Rücksicht nehmen, die salzarm essen sollen - und auf Menschen, die keine Zähne mehr haben. Das ist lobenswert. Aber es wird auch Rücksicht genommen auf Menschen, die keinen Muskat mögen, und keinen Thymian, keinen Pfeffer, keinen süssen oder scharfen Paprika, kein Rosmarin oder sonst irgendein Gewürz. Vielleicht geht die Rücksichtnahme eine Idee zu weit.
Glaubt nicht, dass ich mich von ein paar Fehlschlägen entmutigen lasse. Ich beschritt eben einen anderen Weg, nämlich selber kochen. Ich koche gern, Ihr wisst das. Ich kaufte mir das Buch "british food" von Mark Hix, das ich irgendwo im Angebot sah. Das erste Rezept, das ich ausprobierte, waren die Cucumber Sandwiches: Englisches Brot oder jedes beliebige andere Brot mit Frischkäse bestrichen und mit dünn geschnittenen Gurkenscheiben belegt, Salz und Pfeffer drauf, fertig. Naja, okay, dafür brauche ich kein Kochbuch, werdet ihr jetzt sagen. Stimmt, aber ich hatte es so noch nie gegessen (deutsches Brot mit Butter, Tomatenscheiben, Salz und Pfeffer aber schon und oft, lecker!) und dieses englische Sandwich, das man gegebenenfalls mit einer Scheibe Lachs und etwas frischem Dill zur vollständigen Mahlzeit aufmotzen kann, kommt auf jeden Fall in mein Repertoire für den Sommer. Gut ist auch die amerikanische Variante: Brot mit Frischkäse bestreichen, darauf eine dünne Scheibe Salami und einen Berg Kresse. Hmhm. Aber gut, wir waren bei meinem englischen Kochbuch. Also, was ich noch nachgekocht habe, war ein Fischpie, der bei meiner Familie relativ gut ankam (ich musste das Rezept natürlich modifizieren, so viel Butter tu ich nirgendwo dran). Vielleicht werde ich Euch bei Gelegenheit mehr vom Fischpie erzählen. Vielleicht! Jetzt aber zurück zum eigentlichen Thema, nämlich der Tatsache, dass ich in Sachen gutes, englisches Essen fündig geworden bin. Und zwar an folgendem Ort: