(Für alle, die hier nur irgendwie zufällig gelandet sind: Ich erzähle von der Renovierung der Küche unseres Hauses in Spanien, die in diesen Momenten stattfindet.)
Ja, Leutchen, dies ist dann doch mehr als der übliche Frühjahrsputz ...
So sah es gestern abend bei uns. Heute sieht es noch schlimmer aus, mittlerweile wird nämlich der Boden herausgerissen.
Für Leser, die meine Küche kennen: Auf obigem Bild ist die Wand links die Wand, an der die Waschmaschine, die Mikrowelle, der Kühlschrank und der Vorratsschrank standen. Der Lappen hängt vor der Tür zum kleinen Wohnzimmer. Weiß nicht, warum das auf dem Foto alles so winzig aussieht.
Hier seht Ihr eine Nachher-Vorher-Kombo. Unsere schöne, gemütliche Frühstücksecke ... vollkommen zerstört. Ja, das obere Bild ist das Nachher-Bild, das unten das Vorher-Bild. Da wollen wir doch mal hoffen, dass es noch ein Nach-Nachher-Bild gibt, ne? Status Quo in diesem Moment: Siehe oben, aber minus Fußbodenbelag. Und der Vorschlaghammer dröhnt ...
Die Küchenzeile nach dem Ausräumen. Leider vergessen, ein Bild im Originalzustand zu machen.
So, dann wisst Ihr jetzt also bescheid, gell?
Wo soll ich anfangen mit erzählen? Alllso. Es ist so, dass es diese Küche vor siebzehn Jahren beim Kauf des Hauses dazu gab. Sie bestand aus Spanplatten, die durch Küchendämpfe etc. mit den Jahren aufquollen, insbesondere an den Ecken, und es war die Zeit gekommen, eine neue Küche anzuschaffen. Hinzukommt, dass unsere Wasserleitungen völlig verrostet sind. Ja, dass nach zehn Jahren nur noch rotbraunes Wasser aus der Leitung kommt, das gilt in Spanien als normaler Qualitätsstandard. Dann soll der Haus- oder Wohnungsbesitzer eben die Rohre rausreißen und durch neue ersetzen, ne? Wo ist denn da das Problem? Haben die gedacht, die halten ewig???
Naja, und wenn wir schon die Küche erneuern und uns was Modernes anschaffen und die Rohre eh früher oder später austauschen müssen ... da haben wir halt gedacht, wir machen alles neu: Leitungen, Kacheln, Fußboden und Küchenausstattung.
Durch die katastrophale wirtschaftliche Lage in Spanien ist es im Moment auch nicht schwierig, gute Handwerker zu akzeptablen Preisen finden. Mir wurde ein Unternehmer empfohlen, der ähnliche Arbeiten schon bei Freunden durchgeführt hat, der mir also bekannt war und einen guten Eindruck macht. Er erstellte einen Kostenvoranschlag, der mir etwas hoch erschien. Okay, ich fasse jetzt stark zusammen. Ich machte mir einen Riesenkopf wegen des Preises... und beschloss dann, in der Firma anzurufen ... der Buchhalter sagte zu mir: "Wir müssen soviel verlangen, soviel kosten die Sachen." Ich wusste, dass die Firma sechs Mitarbeiter beschäftigt und wirklich auf dem Zahnfleisch geht.
Eure Korrespondenten aus Spanien können es noch so oft schreiben, man kann sich in Deutschland nicht vorstellen, was hier abgeht. "Naja, gut, 200 Euro weniger," sagte der Buchhalter. "300," sagte ich und damit waren wir uns handelseinig. Ich hatte das Gefühl, dass dem Buchhalter fast die Tränen kamen vor Freude darüber, dass die Firma einen Auftrag an Land gezogen hatte. Man will ja auch nicht brutal sein, nicht wahr? Früher, wenn ein Hausherr einen Auftrag zu vergeben hatte, dann ging das so: Man fragte herum, rutschte dann vor irgendeinem völlig unfähigen Trottel ohne jede Ausbildung auf den Knien, auf dass er sich herabließe, einen Wasserhahn zu reparieren. Nach einer eher schlechten als rechten Reparatur fühlte sich der Trottel dann bemüßigt, den Hausherrn nach allen Regeln der Kunst abzuzocken. Tja, diese Zeiten sind vorbei. (Kleiner Einschub: Leute, das ist es, was hinter dem "Fachkräftemangel" steht: Die Arbeitgeber haben gern mal ein paar hunderttausend Fachkräfte mehr, denn dann können sie die Löhne auf 600 Euro drücken (wie es in Spanien geschieht) und die Bewerber stehen trotzdem noch Schlange (wie es in Spanien geschieht). Bei einem gewöhnlichen Fachkräftemangel (wie in Spanien während des Booms auf dem Bau) steigen doch einfach nur die Löhne und jedes Unternehmen versucht, die besten Kräfte an sich zu binden. EADS, einer der großen Schreihälse in Sachen Fachkräftemangel, beschäftigt massenhaft Leiharbeiter und sieht keine Veranlassung, diese durch Festanstellung an sich zu binden.)
Gut, dann hatte ich mir also den ruhmreichen Handwerker und sein Kompetenzteam gesichert. "Du brauchst eine Baugenehmigung," sagte er zu mir. "Wasss? Eine Baugenehmigung? Um die Plättchen in meiner Küche auszutauschen?" "Ja, die musst du beim Bauamt im Rathaus beantragen. Dann musst du vier Prozent der Rechnungssumme bezahlen, dann bekommst du die Genehmigung." Wasss? Sowas gab es früher in Spanien nicht. Da brauchte man vielleicht eine Baugenehmigung für ein Haus, aber doch nicht für drei, vier Kacheln.
Ich rief also bei der Gemeindeverwaltung an. "Ja, Sie müssen vier Prozent der Rechnungssumme, einschließlich der Kacheln selbst, an uns bezahlen," erklärte mir die Mitarbeiterin. Wow. Also auf meine Rechnung, auf die ich bereits 21 % Mehrwertsteuer gezahlt habe, werden noch einmal 4 % erhoben. Eine Steuer auf die Steuer. Die haben doch einen an der Klatsche.
Mein Baumeister stellte mir zwecks Vorlage bei der Behörde eine gesonderte, niedrige Rechnung aus.
Damit ging ich zur Gemeindeverwaltung. Unsere Gemeinde mit ihren 10.000 Seelen hat sich zu Boomzeiten ein Rathaus im Wert von 1,7 Millionen Euro gegönnt, das ein bisschen an den Petersplatz in Rom erinnert. Ohne Scheiß, jetzt: Ein halbrunder Platz mit Kolonnaden ...
Das Bauamt befindet sich in einem ... weiß nicht, 60-75 Quadratmeter großen, weiß getünchten Raum mit bodentiefen Fenstern. Toll. Man könnte Bilder davon in Architekturzeitschriften veröffentlichen ... Dort standen mehrere schicke Schreibtische. An einem saß ein Herr: "Vier Prozent von der "Rechnungssumme", sagte er und zwinkerte mir zu. "Ja, ist schon klar," sagte ich und reichte ihm die Rechnung. Die nächste Mitarbeiterin, der ich den Zettel vorlegen musste, zwinkerte ebenfalls bei "Rechnungssumme". Die Leute schämten sich, auf den Betrag, der bereits 21 Prozent Mehrwertsteuer erhielt, noch einmal 4 Prozent zu erheben. Von was die Gemeinde jetzt, wo die meisten Einkünfte weggebrochen sind, lebt, weiß ich nicht. Naja, man hat die Grundsteuern erhöht. Und diese neue Steuer eingeführt. Man führt keine Straßenausbesserungsarbeiten mehr durch. Ist wurscht. Wir haben jedenfalls unsere Baugenehmigung. Und entrichteten 40 Euro dafür, einen Container auf die Straße stellen zu dürfen.
So, dann räumten wir vorgestern abend unsere Küche aus. Es war seltsam, wie es in diesem so vertrauten Raum hallte, als alles leer geräumt war. Und es begann, nach Holz zu riechen (wahrscheinlich ein Giftstoff, der aus den Spanplatten strömte (Spässle!)). Am nächsten Morgen kam der Chef mit fünf Mitarbeitern!!! an. Und am selben Abend!!!!!! sah es so aus, wie auf den "Rohbaufotos" oben. Der Elektriker kam und brachte seine Markierungen an (die blauen Striche) ... Auf unserer "Baustelle" sind ständig vier oder fünf Leute anwesend, zwischendurch kommt noch der Chef und schaut nach dem rechten. Und die Leute sind superfleißig ... mittlerweile denke ich, der ausgehandelte Betrag ist echt niedrig. Unsere Küche hat übrigens 16 Quadratmeter. Wenn Ihr was wissen wollt, fragt. So, durch das Schreiben habe ich meine Nerven wieder ins Lot gebracht und kann etwas Sinnvolles machen. Viele Grüße, Leute. Ich weiß, Ihr seid in Gedanken bei mir (Grüße auch an meine unbekannten Besucher, die nur zufällig hier sind und sich bis hierher durch diesen Wust gearbeitet haben).
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