Mittwoch, 20. Mai 2020

"Unter Klempnern" und "Wir sind die letzten Deppen"

Aber zuerst einmal ein schönes Foto: 


Das ist die Landschaft, in der wir unseren täglichen Spaziergang machen. Sie ist heuer so schön grün. Der Regen, der in Deutschland nicht gefallen ist, der fiel bei uns in Spanien. 
Ich bin zum ersten Mal zu einer Facebook-Challenge eingeladen worden. Ich sollte zehn Tage lang je ein Schwarzweißfoto hochladen. Ich hatte mich über die Einladung gefreut, aber als ich dieses Bild in den in Rede stehenden Tönen hochlud, sah die bunte, fröhliche Frühlingswiese aus wie ein Schlachtfeld aus dem Ersten Weltkrieg. Da habe ich das mit der Challenge wieder seingelassen. 
Der Himmel ist seit Wochen völlig streifenfrei. Kein einziges Flugzeug fliegt über uns hinweg. Letztens hat sogar jemand behauptet, dass es dieses Frühjahr so viel geregnet hat, läge daran, dass es keine Chemtrails gibt. Hahaha, oder?
Das Foto unten zeigt ein Eckchen in unserem Garten. Ihr wisst, dass unser Anwesen auch als "die spanische Mainau" bekannt ist. 25 Euro. Draußen nur Kännchen. 


Wir haben wirklich großes Glück, die Ausgangssperre in diesem irdischen Paradies verbringen zu können. Womit wir auch schon beim Thema wären: Als im Fernsehen verkündet wurde, dass wir immer noch nicht in die 1. Phase kommen, viele andere spanische Orte aber schon, sagte mein Sohn: "Wir sind die letzten Deppen". Es kam so von Herzen, dass wir lachen mussten. Uns wurde aber eine neue Phase zugestanden, nämlich die Phase 0,5, in der man in bestimmten kleinen Geschäften einkaufen darf, ohne sich vorher anzumelden, das musste man nämlich in der Phase 0. Das hat wohl gar nicht geklappt. Man hat völlig den Überblick verloren, was man darf und was man nicht darf. Es fahren aber reichlich Polizisten herum. Wo sind die eigentlich sonst? Zum Beispiel, wenn in Häuser eingebrochen wird? Wenn Taschendiebe unterwegs sind? Naja, is' egal. Man soll auch nicht Phase 0,5 sagen, weil das so klingt, als würde man sich über das Phasensystem lustig machen. Es gibt offiziell nur vier Phasen, nämlich 0 bis 3, und wir sind 0.
Und zum Thema "Unter Klempnern": Das Rohr unter dem Wasserhahn in unserem meistbenutzten Bad tropfte. Mein Gatte und mein Sohn versuchten, es zu reparieren, aber die Dichtung war hinüber. Der Baumarkt, wo wir solche Sachen normalerweise kaufen, ist geschlossen, ebenso wie die Eisenwarenhandlungen, wo es solche Sachen ja auch gibt. Mein Gatte sagte: "Dann stellen wir eben einen Eimer darunter und warten bis Montag, dann kommen wir ja in Phase 1." "Und dann machen diese Geschäfte auf? Kommen wir überhaupt in Phase 1?" fragte ich höhnisch zurück. (Das war letzten Samstag - und wir sind ja nicht in Phase 1 gekommen). 
Ich suchte im Internet und fand einen Laden für Klempnerbedarf, der offen hatte. Ich rief an, um meinen Besuch anzukündigen (wir befanden uns ja noch in Phase 0,0), und fuhr hin. Die Straßen waren leer, ich sah keine Polizei. Der Laden hatte etwas Beruhigendes (deshalb erzähle ich es). Wenn so das Neue Normal ist... damit kann man leben. Es war natürlich kein schönes Geschäft. Der Eingangsbereich war aber mit Ständern mit verziertem Band wie man es eigentlich eher in einem Theater oder Museum vermuten würde, in zwei Teile geteilt und hübsch beschriftet: Ein und Aus. Am Eingang stand Desinfektionsmittel für die Hände, das ich aber nicht benutzte, denn ich hatte ja gerade Handschuhe angezogen. Der Bereich des Geschäfts, wo sich die Waren befanden, war mit Plastikband abgesperrt. An der Theke standen zwei Typen mit Masken und stark benutzten Handschuhen und bedienten einen Herrn, der ebenfalls eine Maske trug. Sie standen im von alters her üblichen Abstand zu einander. Bis auf die Masken war alles wie früher. Es war so erleichternd. Die panische, hysterische Stimmung, die in letzter Zeit über vielem liegt, war gar nicht da. Ich weiß, ich weiß, super sicher war das natürlich nicht, denn die beiden Verkäufer leben ja sicher nicht zusammen und zum Kunden hätten sie auch mehr Abstand halten müssen, aber die Situation tat gut, echt. Die Dichtung kostete 1,20 Euro. Sie war unverpackt, keine Pappe, kein Plastik, nix. Und das Rohr ist repariert.
Für die Renovierung unserer alten Wohnung brauchen wir noch ein paar Sachen, die ich natürlich im Baumarkt kaufen wollte. Ich fragte die Verkäufer, ob sie diese Sachen auch hätten und ob ich überhaupt bei ihnen einkaufen dürfte, denn ich bin ja keine Klempnerin. Sie bejahten beides, das freute mich. Und umweltfreundlicher sind sie auch! Am Montag kommen wir mit ziemlicher Sicherheit in Phase 1, dann darf ich in die Wohnung fahren. Dann gibt es vorher-nachher Bilder von der Wohnung!
Seit drei Tagen hat es in Salamanca keinen Corona-Toten mehr gegeben und gestern gab es nur vier neue Ansteckungen. Bei dieser Untersuchung, mit der die Durchseuchung festgestellt werden sollte, kam heraus, dass in Salamanca 7,5 % der Menschen die Krankheit hatten oder gehabt hatten. Das war viel weniger als erwartet. 
Die Epidemie ebbt ab, Gott sei Dank. Jetzt ist der ideale Moment, das Tragen von Masken vorzuschreiben, nicht wahr? Ab morgen, überall dort, wo man nicht mehr als zwei Meter Abstand in alle Richtungen halten kann. Als jeden Tag Tausende erkrankten, hieß es, die Masken brächten nichts, ab morgen ist das Tragen vorgeschrieben. Wenn ich die spanischen Politiker und ihre Sprecher sehe oder höre, dann ekelt es mich richtig - und nicht im übertragenen Sinne, sondern wirklich. 
Ich bin aber völlig zuversichtlich, dass diese Geschichte bald vorbei sein wird. Ab Montag Phase 1 (da dürfen wir in die Stadt fahren) und Ende Juni dürfen wir dann auch wieder in andere Provinzen, hoffen wir. Wie gesagt, ich bin zuversichtlich.

Sonntag, 10. Mai 2020

Neues vom Coronavirus und den Phasen in Spanien

Okay, ich fange einfach irgendwo zu schreiben an, ganz ungeordnet. Wir hätten am Montag in Phase 1 kommen sollen, das findet aber nicht statt, wir müssen noch ein oder zwei Wochen in Phase 0 bleiben. Meine Nachbarin, die in geringer Entfernung von hier noch einen Garten hat, war voller Vorfreude, als sie noch die Hoffnung hatte, sich bald um ihre mittlerweile sicher völlig verwilderten Beete kümmern zu können, und ich brachte ihr den schönen deutschen Ausdruck "sie scharrt mit den Hufen" bei. Ich freute mich natürlich auch auf Phase 1, denn dann hätten ich in unsere alte Wohnung in der Stadt fahren und das seit zwei Monaten halb gestrichene Balkongitter fertig streichen können. Außerdem hätte am Dienstag die neue Küche dorthin geliefert werden sollen. Das hat sich jetzt auch erledigt. Ich rief bei der Guardia Civil an, die für unsere ländliche Gegend zuständig ist, um zu fragen, ob ich in meine Wohnung fahren und die Lieferung in Empfang nehmen darf. "Ist die Lieferung lebensnotwendig?" fragte mich der Polizist. "Nein," antwortete ich. "Dann dürfen Sie auch nicht in die Stadt fahren," antwortete er. (Es handelt sich um eine etwa 20-minütige Fahrstrecke.) Ich rief noch die Polizei an, die für die Stadt zuständig ist, die erlaubte mir, hinzufahren, wies aber darauf hin, dass es sicher Ermessenssache war. Da seit Beginn der Ausgangssperre in Spanien bereits über 900.000 Strafzettel, beginnend bei 600 Euro, 300, wenn man gleich zahlt, verteilt worden sind, meinte mein Gatte, ich solle lieber nichts riskieren. Ich glaube, die Staatsfinanzierung ist mittlerweile auf Strafzettel umgestellt worden, Umsatzsteuer und so geht ja sicher kaum noch ein.
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wir dürfen uns weiterhin nicht aus unserem Wohnort entfernen. 
Auf dem Heimweg vom Spazierengehen -wir müssen um zehn Uhr morgens zuhause sein, dann beginnt die Ausgangszeit der Kinder - sind uns letztens zwei Polizeiautos begegnet. Als ich vorgestern einkaufen fuhr, stand am Kreisel auch eine Streife der Guardia Civil. Ich war beim Mercadona. Es war traurig und machte mich nervös, das mit dem Abstand halten, der Laden war nämlich ziemlich voll und die Maske rutschte mir hoch über die Augen und die Brille herunter... Ich war die letzten Tage ein bisschen deprimiert. Wann dürfen wir endlich wieder so leben wie vorher?!? Und dabei zählen wir, also meine Familie, zu den Privilegierten. Wir sind nicht krank geworden, Gott sei Dank, haben ein regelmäßiges und unregelmäßiges Einkommen, wohnen in einem großen Haus mit Garten, dürfen im freien Feld spazieren gehen... also, im Gegensatz zu anderen Leuten geht es uns gold...
Heute habe ich etwas Spannendes im Fernsehen gesehen, das hat mir aus der Niedergeschlagenheit geholfen. 
Gestern hat eine Freundin erzählt, in unserer Gegend wäre wieder jemand gestorben, ich weiß aber nicht, wer das sein soll. Sie vermutete, es sei unser direkter Nachbar. So ein Blödsinn, der ist echt super vorsichtig und mein Gatte hat ihn gestern Vormittag lebend gesehen. 
Wie viele Leute am Virus gestorben sind, weiß man ja mittlerweile überhaupt nicht mehr. Es werden ja nur getestete, im Krankenhaus gestorbene Opfer gezählt. In der Provinz Salamanca sind in der ersten Aprilhälfte 365 Menschen gestorben, haben die Bestattungsunternehmen gemeldet. Im vergangenen Jahr waren es im selben Zeitraum 88. Vielleicht dürfen wir auch deshalb nicht in Phase 1. In ganz Spanien, steht in der Zeitung El País, sind zwischen dem 1. März und dem 25. April 30.364 Menschen mehr gestorben als im langjährigen Durchschnitt, von denen 23.515 als Covid-19 Opfer gezählt wurden. Naja, die Zahlen fallen ja schon stark, bald wird dieser Irrsinn vorbei sein. 
Madrid kommt auch noch nicht in Phase 1. Aber Mallorca schon, das ist ja für die Deutschen wichtig, obwohl man in Phase 1 nicht sonderlich viel darf. Im Baskenland, wo mein mittlerer Sohn wohnt, sind sie auch in Phase 1. 
Am Anfang der Epidemie hat mein ältester Sohn doch bei der Herstellung von Gesichtsvisieren geholfen, ich habe Euch davon erzählt. Ich fragte ihn einmal: "Wie können denn solche Masken verwendet werden? Die sind doch gar nicht homologiert?" (Oder zertifiziert oder wie man das nennt). "Es sind die oder keine," antwortete er mir. Pflegepersonal arbeitete in aus Mülltüten geschneiderten Schutzanzügen. Eine Freundin hat im WhatsApp ein Bild von sich gezeigt - sie ist Krankenschwester - wo sie eine von den Masken trägt, die der spanische Staat sich wieder hat andrehen lassen, die den Vorschriften nicht entsprechen und nicht schützen. Sie hat die Maske vier Tage getragen (dieselbe), dann wurden die Masken zurückgerufen. Sie arbeitet im Universitätsklinikum. Sie hat das Virus schon gehabt, von daher ist es vielleicht auch egal.
Ich weiß, ich weiß, das ist alles gar nicht so schlimm. Unsere einzige Aufgabe ist es ja, brav zuhause zu bleiben. Um 20 Uhr applaudieren tun wir nicht mehr, seit wir das Haus zum Spazieren gehen verlassen dürfen. Als mein Gatte und mein Sohn heute spazieren gingen (immer nur zwei Personen, die in einem Haushalt leben), fuhr ein Auto herum und jemand wies per Lautsprecher auf die Regeln des Spazierengehens hin: Nur einmal am Tag, nur einen Kilometer vom Haus weg, nur eine Stunde.
Ich bin mir sicher, dass man die Krankheit am Anfang absichtlich sich hat ausbreiten lassen. Am 06.02.2020 habe ich in unserer Lokalzeitung den Artikel von den Chinesen gelesen, die Zamora besucht haben. Da war mir klar, dass unsere Regierung uns nicht beschützen wird. Ich habe das in meinem Blogeintrag vom 27.02. festgehalten. Am 17.02. flogen wir von Frankfurt nach Madrid. Als ich die Ankunftstafel am Frankfurter Flughafen betrachtete, sank mein Herz. Warum, könnt Ihr Euch denken: Flugzeuge aus China und Mailand landeten, als ob nichts wäre. Ich schaute mir dann die Ankunftstafeln von Madrid und Frankfurt in den folgenden Tagen noch ein paar Mal im Internet an, dann dachte ich: Ja, gut, ist okay, alles klar. 
Am 05. März, als mein Sohn und meine Schwiegertochter in Kolumbien waren und ich die Lage dort beobachtete, schrieb ich hier im Blog, halb im Scherz: Bestimmt wird eine Kaffeedelegation aus Mailand das Virus dort einschleppen. Am nächsten Tag las ich in einer kolumbianischen Zeitung, dass eine junge Frau aus Mailand das Virus dort eingeschleppt hatte. Das steht in meinem Blogeintrag vom 06. März. Das tat mir so leid. Die Leute dort sind nicht reich.
Warum hätte das absichtlich erfolgen sollen? Ich sag Euch gleich, was ich denke. Als die Abschottung Madrids in der Luft lag, haben Dorfbürgermeister gefleht, die Madrilenen sollen bitte, bitte nicht kommen. Sie kamen trotzdem und haben das Virus schön verteilt. 
Warum hätte man das tun sollen, also, zuschauen, während das Virus sich ausbreitete? Zuerst dachte man in Spanien noch, man könnte das Virus bremsen. Angela Merkel sagte damals, 60 bis 70% der Menschen würden erkranken. Das wurde in Spanien durchaus registriert. Vielleicht wusste man von Anfang an, dass man das Virus nicht würde aufhalten können und man brauchte eine gewisse Anzahl von Kranken, um Maßnahmen durchsetzen zu können. 
Stellt Euch vor, Ihr habt einen Rosenstock. Darauf seht Ihr eine Laus (das Virus). Die zerquetscht Ihr. Nach ein paar Tagen seht Ihr mehrere Läuse. Die werden auch abgestreift, aber wegen der paar Läuse lohnt es sich ja nicht, den ganzen Stock mit Gift einzuspritzen, vielleicht gehen die Läuse ja von alleine wieder weg. Denkt man. Dann endlich ist der ganze Stock befallen und man spritzt ihn ein. So stelle ich mir das vor, so ist das wenigstens bei mir. Deshalb verstehe ich, dass man die Krankheit am Anfang nicht an der Ausbreitung gehindert hat. Wenigstens hätten die Politiker aber ehrlich sein sollen. Hier macht ein Video die Runde mit Zitaten des Virologen, der täglich im Fernsehen spricht, Fernando Simón. Er hat sich wieder von seiner Covid-19-Erkrankung erholt. Und mit Zitaten des Gesundheitsministers. Ihr könnt Euch den Inhalt vorstellen: "In Spanien wird es keine Fälle geben." "Und wenn - es ist nur wie eine leichte Grippe", "Schutzmasken nützen nichts", usw., usw. Normalerweise sind unter dem Video reichlich Kotz-Emojis zu finden. Meiner Meinung haben diese Menschen, die Politiker, große Schuld auf sich geladen. Die Entschuldigung, dass sie einfach nur dumm und unfähig sind, lasse ich bei Ministern und Regierungssprechern nicht gelten. 
Und jetzt sind wir alle eingesperrt. Am Tag vor der Ausgangssperre gab es im Supermarkt noch Desinfektionsmittel im Angebot, 2 zum Preis von einem. Ich kaufte nur 2 Flaschen. Wer hätte denn gedacht, dass es so weit kommt? Es gab hier auch sehr lange Zeit Schutzmasken zu kaufen. Wir kauften reichlich. Ich konnte meinem jüngsten Sohn welche nach München tragen und dem mittleren ins Baskenland schicken. Von offizieller Seite wurde uns ja eingehämmert, sie nützten nichts. Und wer unseren Herrschern nicht glaubt, ist ein Verschwörungstheoretiker und ein Depp. Ich glaubte ihnen nicht. Ich setzte meinen Aluhut auf und verließ mich auf die Weisheit der Chinesen (was man ja gar nicht darf, weil das ja totalitäre Kommunisten ohne Freiheit sind), die auf Schutzmasken schwören. 
Ich will nicht behaupten, dass wir die Lage stets richtig eingeschätzt haben: Als in China die ersten Fälle auftraten, bot mein Sohn seinem Freund in Hongkong, der gerade Vater geworden war, an, mit seiner Familie zu uns zu kommen, um sicher zu sein. Hongkong heute: 1048 Fälle, 4 Tote. Da haben wir in unserer Siedlung mehr! (Nee, ich hoffe, das stimmt nicht.) Zu glauben, wir wären hier, im spanischen Landesinneren, in der tiefen Provinz, sicher, war eine völlige Fehleinschätzung. Zu glauben, ich könnte mein Balkongitter in der Wohnung in der Stadt bald fertigstreichen, war eine Fehleinschätzung. 
So, genug für heute.
P.S.; Was im Supermarkt gefehlt hat, waren Einweghandschuhe, Hefe und ein bestimmter Brotaufstrich, den ich mag. Hefe habe ich eingelagert, insofern war mir das egal. Einweghandschuhe haben wir vorläufig auch genug. Für das Prepping der Zukunft haben wir aus dieser Zeit viel gelernt.  Wann dürfen wir endlich wieder machen, was wir wollen?!?

Samstag, 2. Mai 2020

Nach 48 Tagen Ausgangssperre: Tag 1 der Phase 0 der Deeskalation in Spanien

Also, ich bin der Meinung, dass diese Verwirrung, die mit den Phasen der Deeskalation geschaffen wurde, beabsichtigt ist. Es beginnt schon damit, dass die vier Phasen die Nummern 0 bis 3 tragen Warum? Das fragt man sich. Präsident Sánchez hat die Deeskalation eineinhalb Stunden lang im Fernsehen erklärt. Ich habe seine Rede nicht gehört. Er ist aber wohl selber durcheinander gekommen bzw. hat zum Durcheinander beigetragen und verkündet, dass jede der drei der vier Phasen zwei Wochen lang sei. Die erste Phase sei die Phase 0, die Vorbereitungsphase. Die Phase 1 sei die Anfangsphase. Die Phase 2 sei die mittlere der 4 Phasen, die Phase 3 die vierte und letzte Phase. Dann folge die Rückkehr zur Neuen Normalität. 
Die Phasen gelten für die Provinzen, benachbarte Provinzen können sich also in verschiedenen Phasen befinden. Spanien hat 50 Provinzen. Was sind die Kriterien für den Übergang von einer Phase in die nächste? Das weiß man nicht und wenn die Zahl der Ansteckungen zunimmt, kann es auch wieder rückwärts gehen. In Spanien haben sich 41.000 Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger mit dem Virus infiziert. Es ist also schon ernst, sehr ernst, auch wenn mit den Phasen Späße nach Art der Marx Brothers gemacht werden. Der Bekannte meines Gatten, der zuletzt erkrankt ist, hatte als Symptome Durchfall, Übelkeit und Herzbeschwerden. Er ist immer noch im Krankenhaus.
Die Lockerung der Ausgangssperre hatte schon letztes Wochenende begonnen. Seitdem dürfen Kinder, die 42 Tage eingesperrt waren, wieder hinaus, und zwar gemäß dem Schema 4x1: Nicht länger als eine Stunde, nicht öfter als einmal am Tag, nicht mehr als einen Kilometer von der Wohnung entfernen, nicht mehr als ein Erwachsener pro höchstens drei Kinder. Zwei Erwachsene, ein Kind, zum Beispiel, ist nicht erlaubt, Spielplätze bleiben geschlossen. 
Seit heute dürfen wir spazieren gehen und zwar innerhalb unseres vorgesehenen Zeitfensters: Personen zwischen 14 und 70 Jahren dürfen von 6.00 - 10.00 morgens und von 20.00 bis 23.00 abends spazieren gehen. Wir sind von 9.00 bis 10.00 spazieren gegangen. Menschen über 70 spazieren von 10.00 bis 12.00 und von 19.00 bis 20.00 Uhr, Kinder unter 14 gehört die Straße zwischen 12.00 und 19.00 Uhr. Dabei darf man sich nicht weiter als einen Kilometer von zuhause entfernen. Unsere Lokalzeitung bietet dafür im Internet eine App. Man darf höchstens zu zweit sein und muss mit der zweiten Person zusammenleben. Sportler müssen allein sein. Mindestens zwei Meter Abstand zu anderen Menschen.
Sich aus seiner Provinz entfernen darf man erst wieder in der Neuen Normalität, die, wenn wir alle brav sind, Ende Juni beginnt. Wir müssten ziemlich dringend in eine andere Provinz und auf dem Weg mehrere Provinzen durchqueren, unter anderem Madrid, das können wir vorläufig vergessen. Mist. Ich habe gerade auf Google Maps geschaut. Man kann Madrid auch weiträumig umfahren. Scherzbolde behaupten nämlich, Madrid würde Phase 3 nie erreichen. 
In den letzten 24 Stunden sind 276 Menschen am Virus gestorben, Tendenz stark fallend. Im Ganzen waren es in Spanien bisher 25.100.  
Ich glaube, diese Verwirrung wurde geschaffen, damit die Leute nicht zu viel fragen. Fahrten innerhalb der Provinz sind ab 11. Mai erlaubt. Geschäfte dürfen bereits in der Phase 0 wieder öffnen, Kunden dürfen sie aber nur einzeln und nach vorheriger Vereinbarung betreten. In Wirtshäusern darf gekocht werden, die Kunden müssen das Essen abholen und zuhause essen. In Phase 1 dürfen Gäste in großem Abstand draußen sitzen, in Phase 2, der dritten Phase, auch drinnen. Die Gastwirte in Salamanca haben schon verkündet, dass sie unter diesen Umständen in Phase 1 und 2 nicht öffnen werden, weil es sich nicht lohnt. Für viele Geschäftsinhaber wird es sich auch nicht lohnen.
Die Strände sind auch ein Problem. Dort dürfen sich ja nur Leute aufhalten, die weniger als einen Kilometer entfernt leben und sie müssen zwei Meter Abstand halten. Im Fernsehen haben sie schon gezeigt, wie man Strände einteilen könnte, so mit Markierungen im Sand. Sieht ein bisschen aus wie ein Friedhof, ist aber vielleicht passend zum Harakiri, das Spanien gerade begeht.

Sonntag, 26. April 2020

Wir nutzen die Quarantänezeit sinnvoll: Lustiger spanischer Witz

Eine alte Dame sitzt beim Tee als das Telefon klingelt.
"Ja?"
"Mmmh, mein süßer Engel, gleich bin ich bei dir. Zieh dich schon mal aus, ich bin so heiß auf deinen nackten Körper."
"Mit wem möchten Sie denn sprechen, junger Mann?"
"Oh, mein Gott, ich habe die falsche Nummer gewählt. Es tut mir so leid. Ich bitte tausendmal um Entschuldigung!"
"Dann kommen Sie also nicht?"

Samstag, 18. April 2020

Tag 35 der Quarantäne

Und tatsächlich: Die Quarantäne ist bis auf den 9. Mai verlängert worden. Die Ausgangssperre für Kinder unter zwölf Jahren wird ab dem 27. April gelockert. 
Obwohl wir jetzt schon 35 Tage eingesperrt sind, stecken sich immer noch jeden Tag Leute an. Von gestern auf heute sind in Spanien 565 Menschen gestorben, die haben sich ja auch alle während der Quarantäne angesteckt. 
Ein Bekannter meines Gatten hat sich infiziert. Das ist aber total geheim. Die Familie möchte nicht, dass die Leute davon erfahren. Da aber alle ihre Nachbarn ans Haus gefesselt sind, war es unvermeidlich, dass jemand sah, wie ein Krankenauto vor dem Haus hielt und die Männer in Weiß den Bekannten abholten. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Bei uns stand das Telefon den ganzen Nachmittag nicht still.
Man fragt sich aber doch: Wenn man immer zuhause ist und nur zum Einkaufen mit Handschuhen und Maske geschützt das Haus verlässt, wie kann man sich denn da anstecken? In Salamanca sind 13 Briefträger infiziert, das stand heute in der Zeitung. Man muss vorsichtiger sein, wenn man die Post aus dem Briefkasten holt. 
Ich verstehe nicht, warum dieser Bekannte seine Ansteckung geheimhalten will. Der Typ wohnt in unserer Siedlung! Er gefährdet die anderen. Es ist doch total wichtig zu wissen, ob er zum Beispiel die Gemeinschaftsmülltonne benutzt und berührt hat. Auf kaltem Metall lebt das Biest tagelang! Ist er Bus gefahren? War er in der Apotheke? Es sind mittlerweile wohl so viele infiziert, dass es wurscht ist. In Salamanca sind 276 Menschen gestorben. Das sind mehr als in Korea oder in Japan. 

Tag 34 der Quarantäne

Ana, die Nachbarin unserer Nachbarin, hatte schon angefangen, die Tage rückwärts zu zählen. Am 26. sollte die Quarantäne enden. Jetzt verdichten sich die Gerüchte, dass sie bis zum 11. Mai verlängert wird. Morgen soll es offiziell verkündet werden. Und was kommt danach? Weiß man nicht. In Deutschland darf man wenigstens zum Sport und zum Spazierengehen raus, hier nicht.
Jemand hat mir erzählt, dass er erwägt, in den Zweitwohnsitz in unserer Siedlung zu kommen, wo er einen Garten hat und auch einen Heimtrainer. Gerade gestern ist aber verkündet worden, dass die Strafe für den Versuch, einen Zweitwohnsitz zu erreichen, 1500 Euro beträgt, falls man erwischt wird. Ich hatte der in Rede stehenden Person versichert, die Leute in unserer Siedlung würden garantiert nichts verraten, aber nachdem, was mir heute erzählt wurde, bin ich mir nicht mehr sicher: Eine Freundin in unserer Straße hatte ihren hochbetagten Vater, der allein in der Stadt lebte, für die Zeit der Quarantäne zu sich geholt. Einmal am Tag ging er mit seinem Rollator knapp 100 Meter weit spazieren, 100 Meter hin, 100 Meter zurück. Ein Anwohner beobachtete dies und beschimpfte ihn wüst: Verantwortungslose Menschen wie er seien daran schuld, dass wir alle eingesperrt seien. Danach traute er sich nicht mehr hinaus.
Die Karwoche ohne Prozessionen war unspanisch. Im Fernsehen wurden Prozessionen aus vergangenen Jahren übertragen. In der Nacht vom Gründonnerstag auf Karfreitag wurde die berühmteste aller Prozessionen, die Madrugada in Sevilla, von 2018 gezeigt. 
Die Sorge, ob es wohl regnet oder nicht, die die Teilnehmer in Salamanca fast jedes Jahr quält, hatten sie dieses Jahr nicht. 
Der Papst bei seinen Gottesdiensten fast allein im Petersdom. Diese Bilder werden sich einem auch ins Gedächtnis einprägen. 
Naja, wir versuchen, es uns zuhause so gemütlich wie möglich zu machen.
Am Karfreitag kochte ich die typische spanische Karfreitagssuppe: Stockfisch, Kichererbsen, frischer Spinat, Kartoffel und Rosinen. Da ich keinen Stockfisch hatte, verwendete ich Thunfisch aus der Dose, frischen Spinat hatte ich auch nicht, den ersetzte ich durch Tomaten, die Rosinen passten nun aber gar nicht mehr dazu und obwohl ich welche hatte, ersetzte ich sie durch eine rote Paprikaschote. Kichererbsen und Kartoffeln waren aber drin in meiner Potaje de vigilia. Das gekochte Ei obendrauf zur Deko hatte ich bloß vergessen.


Am Ostersonntag gab es einen Salat in Frühlingsfarben als Vorspeise: 


Mein Gatte sagte, ich solle nicht unsere Gesundheit in Gefahr bringen, um Lamm zu kaufen. Also taute ich eine Hirschkeule auf. Sie war wunderbar zart. Ich hatte sie im Le Creuset-Topf im Ofen zubereitet. 


Da wir auch keine Gelegenheit hatten, Ostereier zu kaufen, backte ich nach dem Rezept für fränkische Hausfreunde ein paar Plätzchen: Es ist Buttergebäck mit Marmelade und Marzipan gefüllt und mit Schokoguss verziert.


Ja, das hausgemachte Ostergebäck erklärt so manches: Als ich unser Bankkonto am Computer prüfte, stand da so ziemlich in der Mitte ein Posten 0,00 Euro, der mir noch nie aufgefallen war. Ich schaute genauer hin: Es waren die mit dem Kärtchen getätigten Ausgaben. Da steht nie 0,00. Es ist der 17. des Monats und wir haben noch nichts ausgegeben. Und wir sind sicher nicht die einzigen. Gut für die Wirtschaft ist das nicht.  

Samstag, 11. April 2020

Wir nutzen die Quarantänezeit sinnvoll: Ochsenschwanzsuppe im Test



Auf der ewigen Suche nach der Suppe aus dem Päckchen, die uns als Kindern so gut geschmeckt hat, haben wir die Ochsenschwanzsuppe "Für Genießer" von Maggi verkostet. Ich will gar nicht lange um das heiße Gericht herumreden: Sie schmeckt schlecht. Sie schmeckt nach Pappdeckel, ich glaube, das liegt am Potpourri der Zutaten, mit denen man versucht, den Geschmack von Ochsenschwanzsuppe zu imitieren. 
Sie sieht aus wie jede andere Ochsenschwanzsuppe aus dem Päckchen, also lecker, aber wie bereits bei anderen Ochsenschwanzsuppenverkostungen gesagt: Das Auge isst nicht allein. 
"Mit würzigem Rindfleisch" steht auf der Verpackung. Das Trockenprodukt (42 Gramm) enthält 0,9% Fleisch. 0,9% von 42 Gramm, wie viel ist denn das? Knapp unter 0,4 Gramm. Sind 0,4 Gramm Fleisch überhaupt mit bloßem Auge sichtbar? Ich glaube, da hole ich mir manchmal mehr zwischen den Zähnen hervor. Ziemlich sicher sogar. Machen die 0,4 Gramm geschmacklich einen Unterschied? Die hätten man doch auch noch weglassen können und die Suppe als "vegetarisch" oder "vegan" auf den Markt bringen können, aber da wurde bestimmt eine Studie gemacht und festgestellt, dass das Produkt Ochsenschwanzsuppe sich besser verkauft, wenn es eine gewisse -wenngleich symbolische- Menge Fleisch enthält als wenn es als "vegan" vermarktet wird. 
Die Suppe hat laut Packungsaufschrift eine Rotweinnote. Auf der Zutatenliste sind auch tatsächlich 0,1 % Rotweinpulver vermerkt. Das sind 0,04 Gramm. Okay, ne. 
Zusammenfassend: Auf der Plusseite: Die Suppe lässt sich sehr leicht zubereiten, einfach mit kaltem Wasser verrühren, aufkochen, 3 Minuten köcheln lassen. Sie hatte eine sämige, gute Konsistenz, sie sieht ordentlich aus. Sie hat keine Zutatenliste, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, und pro Teller nur 71 Kalorien. Auf der Minusseite: Sie schmeckt nicht gut. Ich möchte sie nicht noch einmal essen. 

Tag 28 der Quarantäne

Was machen wir den ganzen Tag? Zuerst einmal: Ich bin eh sehr häuslich und arbeite sowieso von zuhause aus, von daher... und dann fehlt ja auch unsere Perle und ich muss selber saubermachen.  Und von den 100 Tonnen Staub, die Tag für Tag aus dem Weltraum auf die Erde rieseln, landet ein guter Teil in unserer Wohnung. Mein Gatte und mein Sohn arbeiten auch von zuhause aus und stellen außerdem mit dem 3-D-Drucker Teile für Gesichtsschutzmasken her. Siehe unten.


An diese Dinge werden die durchsichtigen Plastikschilde "geknöpft", hintenherum kommt ein Gummi. Fertig. Sie haben auch schon komplette Schilde hergestellt, es wurde aber kein Foto davon gemacht. Bisher haben 150 Stück unser Haus verlassen. Die ersten gingen an Krankenhäuser, jetzt gehen sie hauptsächlich an Altenheime und sonstige Einrichtungen, Apotheken usw. Die ersten Plastikschilde wurden von Copyshops gespendet. Es sind die Plastikblätter, die Titelseiten abdecken. Mein Sohn ist Teil eines Netzwerks, das sich um die Herstellung und Verteilung kümmert. Die Schutzschilde werden sehr gelobt. Total positiv.
Durch das Eingesperrtsein wird man ja auch ein kleines bisschen verwirrt. Letzte Woche habe ich Minilebkuchen gebacken, siehe unten. Lebkuchen unterm Flieder statt unterm Weihnachtsbaum, hahaha. Heute will ich aber auch noch etwas Österliches backen.


Dann habe ich noch 'n büschen Deko gemacht, siehe unten. Die Eier sind alle vom Dachboden, ausgeblasen. Die Wirtschaft hat aber durch meine Wiederverwendung von Vorhandenem keinen Schaden erlitten, ich hätte heuer eh nichts neues gekauft.



Dann haben wir auch noch Speisen verkostet, zum Beispiel das Joghurt von Danone mit Cheese Cake-Geschmack, das überraschenderweise ganz leicht nach Chorizo schmeckte und roch. Außerdem haben wir noch eine Ochsenschwanzsuppe getestet, aber die bekommt einen eigenen Eintrag.

Mittwoch, 8. April 2020

Tag 24 der Quarantäne

Was hat also bei meinen Einkäufen gefehlt? 10 Flaschen Sprudel, grüne Paprika, frischer Ingwer, Fenchel, 2 Dosen Pringles, Desinfektionstücher, vom Joghurt gab es eine andere Sorte, der frische Fisch, den ich für mich und meine Freundin bestellt hatte, fehlte komplett, bis auf eine Sorte, das Fleisch, das sie sich gewünscht hatte, war auch nicht da. Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass man mir reife und unreife Bananen gegeben hatte und die Erdbeeren sind super. Sie haben einen starken Erdbeergeschmack und eine wunderbare Konsistenz. 
Den einzigen Fisch, den man mir gegeben hatte, brachte ich meiner Freundin. "Ich darf dich nicht zu einem Kaffee hereinbitten," sagte sie. Das Geld für den Fisch gab sie mir aber ohne Schutzmaßnahmen in die Hand. 
Ich nutzte die Gelegenheit und ging nicht auf dem schnellsten Weg nach Hause zurück. Dabei stellte ich fest, dass bei einer alten Bekannten die Enkel im Garten spielten. Die Enkel wohnen nicht bei ihr und sind normalerweise nur im Sommer da. Ich freute mich, dass sie nicht in einer kleinen Wohnung eingesperrt sind.
Bei einer anderen Familie in unserer unmittelbaren Nachbarschaft sind auch Enkel zu Gast. Die Menschen, die kurz vor der Verhängung der Ausgangssperre aufs Land gefahren sind oder ihre Kinder dorthin gebracht haben, sind fein raus. Natürlich haben sie das Virus in die Dörfer geschleppt und viele, vor allem alte, Menschen sind aufgrund dieses unsolidarischen Verhaltens gestorben. Für die Gemeinschaft war dies schlecht, aber für die einzelnen Familien war es gut. Außerdem ist es wohl auch schwierig, solidarisches Verhalten einzufordern, wenn wir alle, das ganze Volk, in den Nachrichten beobachten konnten, was die Regierung so getan hatte: Das Virus hatte sich in Norditalien ausgebreitet und trotzdem kamen Flugzeuge aus Mailand wie gewohnt. Tausende von Fußballfans kamen nach Spanien, tausende von Spaniern flogen hin, um dort dicht gedrängt in Stadien zu sitzen. Massenveranstaltungen fanden statt, ohne Schutzmasken natürlich, denn die nützen ja nichts.
Stellt Euch einmal vor, man hätte gewollt, dass sich das Virus möglichst rasch ausbreitet. Was hätte man denn da anders machen müssen? Eben. Es war eine rhetorische Frage. Spanien hat hinter Italien die zweitmeisten Todesfälle.
Das Blättchen wendete sich kurz vor den Fallas, dem großen Volksfest in Valencia. Die chinesische Gemeinde dort bat darum, das Fest abzusagen. Als nichts geschah, schlossen sie ihre Läden und Restaurants, gerade als das größte Geschäft zu erwarten war. Das konnte jeder Laie in den Fernsehnachrichten sehen. Schließlich wurden die Fallas doch abgesagt - und alles andere auch. Morgen schreibe ich etwas Positives, versprochen.

Montag, 6. April 2020

Tag 23 der Quarantäne - Mutti geht einkaufen

Hier seht Ihr, was sie dazu braucht:
Auf dem Beifahrersitz, von links nach rechts: Passierschein, Desinfektionstüchlein für Autoschlüssel, Türgriff, etc., Desinfektionspray für die Schuhe, in dem kleinen Fläschchen daneben Desinfektionsgel für die Hände, Handschuhe, Schutzmasken.
So ausgerüstet machte ich mich auf den Weg zum Corte Inglés, um meine Bestellung abzuholen. Es war wenig Verkehr, aber doch mehr als ich erwartet hatte, viele Lieferwagen. Fußgänger waren fast keine unterwegs. Die meisten Autofahrer hatten Schutzmasken auf, das wunderte mich.
Ich sah keine Polizeikontrolle. Die drakonischen Strafen verfehlen ihre Wirkung anscheinend nicht. 600 Euro dafür, den Hund in der Nazareno-Kleidung auszuführen, also im Gewand der Osterprozessionen und mit dem berühmten spitzen Hut. Ts.
Nach einer ereignislosen Fahrt kam ich beim Corte Inglés an, der natürlich geschlossen hat. Der Supermarkt im Tiefgeschoss ist allerdings auf. Ich sollte meine Bestellung in der Tiefgarage abholen. Man konnte hineinfahren ohne einen Parkschein zu nehmen. Es standen wenige Autos in der Nähe der Ausgabestelle. Jeder zweite Parkplatz war gesperrt. Acht Autos standen da, mit meinem, um genau zu sein. Ein paar hatten den Kofferraum auf. Alle acht anwesenden Personen (nur 1 pro Auto!) hatten Handschuhe an und Schutzmasken auf, mindestens zwei sogar vom Typ FFP2. Ihr wundert Euch vielleicht, dass ich so viel über Schutzmasken weiß, aber heute haben sie es wieder in den Nachrichten erklärt - und gezeigt, wie man sich selbst welche basteln kann, denn viele Leute haben keine, weil von offizieller Seite so ausdauernd behauptet wurde, sie nützten nichts. Wie viele von den über 13.000 in Spanien am Virus gestorbenen Menschen würden wohl noch leben, wenn man ihnen das nicht eingeredet hätte?
Ich zog Handschuhe an und setzte meine ganz einfache Schutzmaske auf. Die Leute im Parkhaus hielten großen Abstand zu einander. Die Atmosphäre war sehr unangenehm. 
Man musste auf einen Knopf drücken, um mitzuteilen, dass man da war und seine Bestellung abholen wollte. Ich musste mehrfach auf diesen Knopf drücken, weil niemand reagierte. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, wirklich in Gegenwart des Biests zu sein. Auf diesen Knopf haben schon Leute gedrückt, die die Krankheit hatten. In Salamanca sind bei 300.000 Einwohnern schon 209 an Covid gestorben. Falls die Sterberate wirklich bei 0,2% läge, gäbe es hier 104.500 Infizierte. Bei einer Sterberate von 1% wären es immer noch 20.900. Irgendwo dazwischen wird die echte Zahl wohl liegen. Jedenfalls war es nicht sehr unwahrscheinlich, dass der Knopf verseucht war. Ja, das Biest war da, es existiert wirklich. 
Ich habe 23 Tage in meinem gemütlichen, gut ausgestatteten Nest gesessen. Trotz aller schlimmen Nachrichten war das Virus fern und unwirklich. Selbst an den Tagen, als wir dachten, wir hätten es vielleicht, hatte ich kein solches Gefühl der Bedrohung wie im Parkhaus, als ich auf meine Bestellung wartete. 
Ich versuchte, ein Gespräch mit der Frau (FFP2!) zu beginnen, die "in der Schlange" hinter mir stand, sie hatte aber kein Interesse. Ich sage es Euch ganz ehrlich: Von allen Anwesenden war ich die furchtloseste und die, die es am wenigsten ernst nahm. Das Benehmen der Leute verwirrte mich. Nein, es war nicht wie auf einer Beerdigung, aber doch so, als seien wir einer echten, wirklichen, unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt. Bei mir ist das irgendwie immer noch nicht angekommen. Sie hätten mich nicht so lange warten lassen sollen.
Einkaufswägelchen mit den Bestellungen der Leute, die vor mir waren, wurden herausgebracht. Sie luden die Waren in ihre Kofferräume oder ließen sie von den Angestellten des Corte Inglés einladen, dann desinfizierten sie ihre Hände etc. und fuhren weg.
Schließlich kamen meine Sachen. Ich packte sie selbst in den Kofferraum und auf den Rücksitz, desinfizierte, was ich für angemessen hielt und fuhr nach Hause. Ich war echt froh, als ich wieder draußen im Licht war.
Auf dem Rückweg sah ich auch keinen Polizeiposten.
Zuhause angekommen, wollte ich die Einkäufe wegräumen. "So geht das nicht," sagte mein Gatte und zog Handschuhe an. Er fürchtete, ich würde das Virus einschleppen. Und es stimmt ja auch: Obwohl wir seit 23 Tagen in Quarantäne sind, gibt es immer noch Neuerkrankungen. Irgendwie müssen es sich die Leute ja holen. Mein Sohn teilte seine Meinung, dass die Waren gewaschen werden mussten. In den Nachrichten haben sie auch schon mehrfach darauf hingewiesen. Ich richtete also etwas heißes Wasser mit Spüli und wusch die Verpackungen der Waren ab. Ich wusch die Tüte ab, in der sich die Orangen befanden, aber ich wusch nicht jede einzelne Orange, wie das meine Nachbarinnen machen. Ja, ich gehöre zu den Mittelleichtfertigen. Hoffentlich ist dieser Spuk bald vorbei! Die Zahlen der Neuerkrankten, der an einem Tag Gestorbenen usw., alle schlechten Zahlen gehen zurück und alle guten Zahlen steigen. 
Und übrigens: Die deutsche Börse ist heute um 5,77% gestiegen, die amerikanische um 7,73%. Wow. 
Und noch etwas: Von meiner Bestellung fehlte ein Drittel, obwohl ich angeklickt hatte, Produkte durch ähnliche zu ersetzen, falls die von mir ausgewählten nicht vorhanden waren.

Samstag, 4. April 2020

Tag 21 der Quarantäne

178 Tote in Salamanca. In Spanien zeigt sich endlich die Wirkung der Quarantäne und alle Zahlen sinken, die der neu Erkrankten, die der Verstorbenen und die der ins Krankenhaus Eingewiesenen. Pedro Sánchez hat heute verkündet, dass der Notstand und damit die Ausgangssperre vorläufig bis mindestens 26. April und dann wahrscheinlich noch weiter verlängert wird. Okay, ne?
Heute haben wir endlich ein bisschen Tischtennis gespielt. Morgen soll es aber schon wieder regnen. Auch recht. 
Die Nachbarin, deren Grundstück unten an der Gartenseite an unser Grundstück stößt, hat mich heute angesprochen. Sie konnte mich nicht sehen, weil ich hinter der Hecke war, aber sie hörte mich. Sie spricht normalerweise nicht mit mir, sie steht über uns, aber heute war es ihr wohl besonders langweilig und sie rief: "Bist du da?" Ich antwortete nicht, da sie ja normalerweise nicht mit mir spricht. Nach einer Weile erbarmte ich mich und sagte: "Meinst du mich?" Auch, weil im weiten Umkreis sonst niemand war. "Ja," antwortete sie und dann unterhielten wir uns eine Weile nett. Ich glaube, sie weiß gar nicht, wie ich heiße und es ist ihr auch wurscht. Wir wohnen seit 23 Jahren hier. Is' egal. 
Um 20 Uhr haben wir wieder wie jeden Abend mit den Nachbarn auf der Straßenseite draußen geklatscht. Gestern hatten wir uns mehr oder weniger für heute um 21 Uhr zur "Cacerolada" verabredet. Das bedeutet allgemeines Topfschlagen gegen die Regierung aus Sozialisten und Kommunisten mit Duldung durch die Unabhängigkeitsbewegungen. In der allgemeinen guten Stimmung beim Applaus gestern für diejenigen, die Spanien am Laufen halten, hatte ich gesagt... nein, ich habe es nicht gesagt, aber ich habe die anderen im Glauben gelassen, ich würde mitmachen. Mein Gatte und mein Sohn machen bei solchen Sachen sowieso nicht mit.
Heute war ich ratlos. Die Nachbarn waren sich einig: Wir schlagen auf Töpfe und machen Lärm gegen die Regierung.
Uns persönlich ist es unter der sozialistischen Partei sehr viel besser gegangen als unter den Konservativen und man will ja nicht undankbar sein. Ich habe keine konkreten politischen Ansichten. Mir wurde schon vorgehalten, ich sei "Facha", ganz rechts also, und eine Freundin hat mich einmal gebeten, mich als Füllmaterial auf der Liste der kommunistischen Partei für den Gemeinderat eintragen zu lassen, weil sie dachte, das entspräche mir. Ich habe in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal gewählt und das ist schon fast vierzig Jahre her. Es ist besser, ich wähle nicht, denn ich glaube fast alles, was mir erzählt wird, und wenn mir fünf Minuten später das Gegenteil erzählt wird, dann glaube ich das auch. 
Also, Topf schlagen gegen die sozialistische Regierung oder nicht? Sie haben es nicht gut gemacht, Spanien hat gemeinsam mit Italien in der Corona-Katastrophe die schlimmsten Zahlen der Welt. Mein Gatte und mein Sohn meinen, die anderen, die Rechten, hätten es bestimmt auch nicht besser gemacht. Wir bemühen uns, gerecht zu urteilen. Es ist ja auch nicht so, dass unsere Regierung bösartig ist, sie ist einfach nur überfordert und unfähig. Sie haben sich alle gleich einmal selbst mit dem Virus angesteckt. Vielleicht war das aber auch ein bewusster, heroischer Akt, um sich zu immunisieren und umso besser für das Volk da sein zu können. Man weiß es nicht.
Topf schlagen oder nicht? Wir wollen uns mit unseren Nachbarn gut stellen. Die schlagen alle. Mein Gatte meinte, ich sollte als Vertreterin unserer Familie hinausgehen und ein bisschen schlagen. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger Lust hatte ich, mich dem Gruppendruck zu beugen und mich eindeutig auf eine Seite zu schlagen. Dicke Regenwolken zogen am Himmel auf und ich dachte: "Vielleicht regnet es um neun und das Thema erledigt sich von selbst."
Die Nachbarn erwarten mich. Und dadurch, dass man Abstand halten muss, kann man sich ja auch nicht erklären. 
Schließlich war es neun Uhr und es regnete nicht. Man hörte sie draußen deutlich auf ihre Töpfe schlagen. Ich fühlte mich ein bisschen aufgefordert, hinauszugehen, um unserer sehr guten Nachbarschaft willen. 
"Die warten auf dich," sagte mein Sohn. 
Entschuldigungen, die ich morgen vorbringen könnte, gingen mir durch den Kopf: Wir haben Euch nicht gehört, wir haben es vergessen, wir waren gerade beim Abendessen... so viele Vorwände gibt es auch nicht. Aber warum soll man sich überhaupt entschuldigen? 
Vor ein paar Tagen habe ich noch eine WhatsApp bekommen, die dazu aufforderte, sich in diesen schweren Stunden hinter die Regierung zu stellen und nicht so viel zu kritisieren. Darauf habe ich mit dem Smiley, das sich kaputtlacht, geantwortet.
Nach reiflicher Überlegung habe ich am Topfschlagen nicht teilgenommen.   

Donnerstag, 2. April 2020

Tag 19 der Quarantäne

Beginnen wir mit den Zahlen des Tages: In Salamanca, einer Provinz mit 300.000 Einwohnern, hat es bis heute 155 Tote gegeben. In ganz Spanien 10.106, bei offiziell gezählten 110.409 am Coronavirus erkrankten Personen. In Deutschland gab es 1.107 Tote bei 84.788 positiv getesteten. Warum sterben in Spanien so viel mehr Menschen, wenn das Land doch nur etwas mehr als halb so viele Einwohner hat? 
Man weiß es nicht. Es gab kleine Zwischenfälle, über die in den Nachrichten berichtet wurde. Zum Beispiel wurden 650.000 Testkits aus China geliefert, die sich als unbrauchbar erwiesen. Die spanische Außenministerin sagte dazu (ich übersetze wörtlich): "Wir sind es nicht gewohnt, in China zu kaufen. Es ist ein Markt, der uns ein bisschen unbekannt ist." Wörtlich. Also, ich selbst bin mir fast sicher, ich hätte in Spanien schon häufiger Produkte aus China gesehen. Ein bisschen Handel wird mit diesem Land, glaub' ich, getrieben. 
Es ist unfassbar. Und jetzt sind 1.000.000 neue Testkits eingetroffen, die sieben Tage nach der Ansteckung in 80% der Fälle ein richtiges Ergebnis liefern. 
S. war heute bei ihrem Test. Es wurde ihr aber gesagt, sie solle nicht so viel auf das Resultat geben, dort, wo sie getestet wurde, sei das Ergebnis immer "negativ". Dann haben wir noch von jemandem gehört, der mit allen Symptomen der Krankheit im Krankenhaus ist, dessen Lunge durchleuchtet wurde, wodurch die Krankheit bestätigt wurde, aber der Test war auch negativ. Andererseits wurden 16.000 medizinische Fachkräfte positiv getestet. Man weiß gar nichts. Wir sind brav zuhause. Das Wetter ist durchgehend schlecht, deshalb ist auch die Tischtennisplatte noch nicht aufgebaut. 
Wenn wir beim Essen sitzen und jemand geht draußen vorbei, springen wir alle drei auf, um zu schauen, wer es ist. Wir haben eine Tea Time um 18 Uhr (five o' clock in England) eingeführt. Aber keine Angst, wir sind voll ausgelastet. Viele Dinge stünden auf der To-do-Liste und werden gar nicht angegangen (zum Beispiel mal wieder die Garage aufräumen). Die Waschküche sieht ziemlich gut aus... 

Mittwoch, 1. April 2020

Salamanca im Kampf gegen das Coronavirus I

Heute ist Tag 17 der Quarantäne. Eine Freundin hat mir erzählt, wie es beim Einkaufen im Mercadona war: Es dürfen immer nur wenige Leute gleichzeitig im Supermarkt sein. Man muss vor der Tür in 1,5 Meter Abstand zu den anderen Kunden warten, bis man rein darf. Wenn einer rauskommt, darf einer rein. Die Kunden kommen mit Mundschutz. Wer eigene Handschuhe anhat, muss sie am Eingang ausziehen. 
Man muss seine Hände mit von Mercadona bereitgestelltem Desinfektionsmittel desinfizieren und von Mercadona bereitgestellte Einweghandschuhe anziehen. Dann kann man ganz normal einkaufen. Die Regale sind voll wie immer, man wird nicht zur Eile angehalten. Die Kassiererinnen sitzen hinter Scheiben. 
Als meine Freundin wieder zu ihrem Auto kam, desinfizierte sie noch einmal ihre Hände. Im Auto bewahrte sie Desinfektionsspray auf, mit dem sie ihre Schuhsohlen abspritzte, bevor sie einstieg. Zuhause ankommen zog sie sich aus, tat ihre Kleider in die Waschmaschine und duschte sich, bevor sie sich wieder anzog. Dann wusch sie die gekauften Waren mit Wasser ab und räumte sie weg.  
Das ist kein extremes Benehmen. Viele waschen die gekauften Waren mit Wasser mit einem Schuss Chlor ab, um die Viren zu töten.
Insgesamt hat es bisher 123 Tote in der Provinz Salamanca gegeben, das sind 369 pro Million Einwohner. Der Höhepunkt ist wahrscheinlich schon erreicht bzw. steht unmittelbar bevor. 

Dienstag, 31. März 2020

Mehr zum Thema Coronavirus in Spanien

Zuerst die Zahlen des Tages: In Salamanca bis heute insgesamt 110 Tote. Das sind 330 pro Million. (330.000 Einwohner in der Provinz, mal 3 etc.). S., die erkrankt ist und heute hätte getestet werden sollen, wurde auf "Wir rufen Sie an" vertröstet. Anderen Leuten, die das Informationstelefon angerufen haben, wurde gesagt: "Ja, Sie werden es wohl haben, nehmen Sie Paracetamol". Es werden nur ganz wenige Leute getestet. Das wird sich aber bald ändern, denn heute ist ein Flugzeug aus China mit einer Million Testkits an Bord in Madrid gelandet. 
Ich denke, wir sehen schon das Licht am Ende des Tunnels. Es erkranken weniger Leute, weil wir ja fast alle - oder zumindest sehr viele - zuhause eingesperrt sind.
Ich hatte mir überlegt, morgen einkaufen zu gehen, aber mein Gatte hatte Angst, dass ich das Virus ins Haus bringe. Ich habe also online bestellt. Der einzige Laden in Salamanca, bei dem man online einkaufen kann und die Waren geliefert bekommt, ist der Corte Inglés. Da ich die Website noch nie benutzt hatte, brauchte ich über zwei Stunden, bis ich meine Bestellung eingegeben hatte - nein, ich übertreibe nicht. Eine Freundin wollte auch ein paar Sachen, die ich für sie mitbestellen sollte, deshalb musste ich zwischendurch ein paar Mal mit ihr telefonieren. Wie teuer Fisch geworden ist! Meine Freundin meinte, das wäre, weil die Logistik durch die Quarantäne so kompliziert geworden ist, dass fast kein Schiff mehr ausfährt. Das Gemüse kam mir auch teuer vor, aber der Corte Inglés ist eh teuer, dafür bietet er aber eben auch einen hervorragenden Service. Naja, noch habe ich mein Zeug nicht. 
Man hört, dass es bei der Ernte zu Schwierigkeiten kommt und kommen wird, weil die ausländischen Arbeiter nicht herein dürfen, deshalb wird auch alles teurer. 
Lange Rede, kurzer Sinn: heute in einer Woche gab es einen Slot, in dem ich meine Einkäufe abholen kann. Am 6. April zwischen 16 und 18 Uhr. Vorher war nichts frei. Ich bekam eine Benachrichtigung, die ich der Polizei vorzeigen kann, falls ich auf dem Weg angehalten und gefragt werde, mit welchem Recht ich unterwegs bin. Ich habe einen ganzen Berg Obst und Gemüse bestellt. 
Als wir um 20 Uhr mit unseren Nachbarn zum Klatschen draußen waren, fuhren der Zivilschutz durch unsere Straße, um den Beifall in Empfang zu nehmen: vorne weg ein Motorrad, dann die Autos mit Blaulicht und Sirenen. Hoffentlich haben die Fahrer unsere kleine Gruppe gesehen. Wir sind eben nicht mehr!

Sonntag, 29. März 2020

Neue Beobachtungen - Coronavirus in Spanien

Salamanca, die Zahlen des Tages: 882 Erkrankte, 84 Tote. Meiner Laien-Meinung nach stimmt die Zahl der Erkrankten von Tag zu Tag weniger, denn es hat sich zum Beispiel herumgesprochen, dass man, wenn man die Nummer der Coronavirus-Information wählt, gesagt bekommt, dass man Paracetamol nehmen und abwarten soll, ob man Atemnot bekommt. Also alle, die erkrankt sind und keine Atemnot haben, werden nirgendwo gezählt. Ich nehme an, dass Leute, die ein bisschen Fieber haben, gar nicht mehr anrufen, sondern gleich Paracetamol nehmen, was die Zahlen ja noch mehr verzerrt.
Jetzt, wo man von Leuten hört, die tatsächlich erkrankt sind, beobachtet man auch, wie breit gefächert die Symptome sind. Es reicht von gar keine Symptome bis tot. Manche haben nur Husten oder nur Fieber, weder Husten noch Fieber nur Krankheitsgefühl... Erst hat es geheißen, wer zusätzlich Schnupfen hat, hat kein Coronavirus, sondern nur eine Erkältung. Mittlerweile ist aber auch Schnupfen erlaubt. In Deutschland wird als Symptom Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns genannt, das habe ich in Spanien noch nie gehört. 
S., Krankenschwester (über 10.000 Ärzte und Krankenpfleger sind infiziert), verspürte am Mittwoch auf der Arbeit Symptome und wurde nach Hause geschickt. Gestern ging es ihr schon wieder besser. Ihre Symptome waren Krankheitsgefühl, Fieber mit Höchststand 37,5º bei Einnahme von Paracetamol, leichte Brustschmerzen (Antibiotikum). Am Samstag ging es ihr schon wieder besser, am Montag wird sie getestet. Die erkrankten Ärzte, von denen ich Euch erzählt habe: Sie geht am Montag wieder arbeiten, er war zeitlebens ein starker Raucher und erholt sich langsamer. Die Verläufe, von denen ich höre, sind alle nicht schlimm, mit einer Ausnahme: Der Rechtsanwalt, der mit 58 Jahren aus seinem gesunden Leben gerissen wurde, wohnte in unserer Siedlung! Er ging morgens zum Gesundheitszentrum, weil er sich sehr schlecht fühlte, wurde nach Hause geschickt und starb am Nachmittag. Ansonsten werde ich durch das, was ich persönlich höre, also nicht aus den Medien, beruhigt. Man braucht nicht befürchten, an einem Beatmungsgerät zu enden.
Ab Montag werden die Quarantäne-Vorschriften in Spanien noch einmal verschärft. Alle, die nicht lebenswichtige Berufe ausüben, müssen zuhause bleiben, also zum Beispiel auch der Laubbläser, der diese Woche unsere Straße entlang ging. Apropos Straße: Unsere Straße ist schon zweimal desinfiziert worden! 
Präsident Sánchez hat das Virus bestimmt auch schon gehabt, meine ich. Seine Leibwächter, Fahrer, Ministerinnen, Vizepräsidentin, Mutter und Ehefrau sind erkrankt, die Vizepräsidentin war sogar im Krankenhaus. Da ist es doch ziemlich unwahrscheinlich, dass er es nicht hatte, oder? Er sah aber nur mal kurz schlecht aus.
Für die Arbeitgeber wird das mit der Quarantäne bestimmt happig: Sie dürfen niemanden entlassen und müssen die Löhne weiter bezahlen. Man wird sehen, wie das alles ausgeht. Meine (ganz sicher wieder falsche) Prognose: Entweder nach dieser zweiwöchigen Quarantäne oder nach der nächsten dürfen die Leute in umgekehrter Reihenfolge raus, also zuerst wieder die Bauarbeiter und Laubbläser, dann die Geschäftsleute, dann die Kinder. Ich wünsche Euch gute Gesundheit und falls Ihr doch das Virus abbekommt, möge es leicht vorübergehen und künftigen Schutz bringen!

Freitag, 27. März 2020

Der Schreck

Also, vor zwei Tagen bereits erwähnt, jetzt erzähle ich Euch, worin der Schreck bestand: Also. Irgendwann letzte Woche bemerkte ich, dass ich ganz, ganz leichte Hals... beschwerden ist ein zu großes Wort, Schmerzen sowieso, ein ganz leichtes ungutes Gefühl im Hals hatte. Auf einer Skala von 0 bis 5 der Halsbeschwerden war es eine 1 bis 1,5. Zum Hüsteln und zum trockenen Hals neige ich sowieso, das liegt in der Familie, das hatte schon meine Großmutter, seligen Angedenkens. Selbstverständlich erzählte ich niemandem davon und machte mir auch keine Gedanken. Ich passte nur ein bisschen auf, dass es nicht schlimmer wurde und es wurde nicht schlimmer. Am Freitag oder Samstag - ich beobachtete das alles nicht so genau, darum weiß ich es nicht - setzte Appetitlosigkeit ein. Da ich zu denen gehöre, bei denen nicht jedes Gramm Gewichtsverlust Anlass zu Sorge gibt, war mir das auch egal. 
Am Samstag war mein Gatte etwas antriebslos, am Sonntag ein bisschen depre, das hatte ich an entsprechender Stelle schon erwähnt. Ich führte das darauf zurück, dass er nicht zur Arbeit gehen und keinen Sport treiben konnte, zwei Sachen, die ihm sehr wichtig sind. Im Laufe des Sonntag wurde seine Stimme immer schwächer. Am Montag morgen begrüßte er mich mit den Worten: "Ich habe es." "So ein Quatsch," antwortete ich. "Wir sind seit 9 Tagen in Quarantäne." Dabei war mir aber durchaus bewusst, dass ich am Tag zuvor gehört hatte, dass ein Auftreten der Symptome nach 9 Tagen normal ist, obwohl man hier in Spanien hauptsächlich von 3, 4 oder 5 Tagen gehört hatte.
Ich fasste seine Stirn an, sie war kühl. "Fühl mal hier," sagte er und deutete auf die andere Seite seiner Stirn. Die war warm. Ich erschrak zu Tode. "Raus, raus, sofort raus hier," schrie ich. Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch im Bett.
Ich packte sein Bettzeug und trug es zum Zimmer meines jüngsten Sohnes. Ich hatte nämlich gelesen, dass man erkrankte Personen möglichst in einem Zimmer mit Bad isolieren soll und das Zimmer meines jüngsten Sohnes verfügt, genau wie unser gemeinsames Schlafzimmer, über ein eigenes Bad. Völlig hysterisch begannen wir, Sachen aus dem einen Zimmer raus und in das andere Zimmer hinein zu tragen. Dann schloss sich die Tür hinter ihm. Ich wollte natürlich auch nicht mehr in unser gemeinsames Schlafzimmer zurückkehren und trug meine Sachen in das Zimmer meines mittleren Sohnes. Jetzt waren drei Schlafzimmer verseucht. 
Seine Symptome hatten in leichtem Halsweh und Fieber in zwei Nächten bestanden. Ich behauptete, er hätte während der Nächte kein Fieber gehabt, er behauptete, ich hätte wie ein Stein geschlafen und es nicht bemerkt. 
Okay, ich ging in die Küche, um ihm einen Tee zu kochen. Viel warme Getränke zu sich nehmen, das ist auch so eine der Empfehlungen. 75 % Tee, 25 % Milch, dann war die Tasse zu voll und ich bemerkte, dass ich sie abtrinken wollte, wir teilen unsere Viren. Ich schüttete in diesem Fall also ein bisschen Milchtee weg und brachte ihm den Rest bzw. stellte die Tasse vor die Türe. 
Ich erinnere mich nicht mehr, was dann als nächstes geschah. Mein Gatte war zumindest fürs Erste weggesperrt. 
Im Laufe des Nachmittags bekam ich eiskalte Hände und Füße, mein Gesicht fühlte sich heiß an. Ich bekam auch Fieber. "Ich habe es auch," sagte ich zu meinem ältesten Sohn, der ja bei uns ist, und zog mich in das Zimmer unseres mittleren Sohnes zurück, ebenfalls in Quarantäne innerhalb der Quarantäne. Ich deckte mich mit zwei Federbetten zu, meine Hände und Füße blieben eisig, Krankheitsgefühl kam auf. Auf einer Skala von 0 bis 5 war das Krankheitsgefühl 1,5. Wenn ich im Dunklen im Bett lag und meine Podcasts hörte, war ich entspannt und es ging mir nicht schlecht. Wir begannen mit Fiebermessen. Mein Gatte verwendete ein altes Digitalthermometer, das zeigte etwas um die 37 an, das musste falsch sein. Mein Sohn grub ein noch älteres Quecksilberthermometer aus, das zeigte dasselbe. Offensichtlich waren beide Thermometer kaputt. Mein Sohn ging in die Apotheke und kaufte ein neues Digitalthermometer, das zeigte dasselbe. Meine Wangen glühten rot, meine Hände und Füße waren eisig. Wir hatten beide weder Fieber noch Husten, also kein Coronavirus. 
Ich schlief gut und wollte am nächsten Morgen wieder meinem Tagwerk nachgehen. Mein Gatte wollte noch einen Tag in Quarantäne bleiben. Kaum hatte ich ein paar Handgriffe getan, war ich müde, als hätte ich stundenlang körperlich gearbeitet. Ich musste wieder in mein Bett. Sehr leichtes Krankheitsgefühl, das durch Entspannen und Podcasts hören in den Griff gebracht wurde. Dann bekam ich leichten Durchfall. Mein Gatte hatte haargenau dieselben Symptome. Unserem Sohn ging es gut. Auf der Durchfall-Skala von 0 bis 5, 0 ist normaler Stuhlgang, 5 ist die Seele aus dem Leib geschissen, war es eine 2. Kein Husten, kein Fieber. Hatten wir nun das Virus oder nicht? Ich hatte gelesen, dass Verläufe ohne Fieber normalerweise günstiger seien. Das bedeutet doch, dass es Verläufe ohne Fieber gibt, obwohl es das wichtigste Symptom ist, aber! das wichtigste Symptom bei den Getesteten und die Getesteten sind in Spanien nur ein Bruchteil der Erkrankten. Zwischendurch kam noch ganz leichtes Kopfweh dazu, aber das kann auch die Anspannung gewesen sein. Die Stirn meines Gatten war am ersten Tag an der Stelle warm gewesen, mit der er auf dem Kopfkissen gelegen war. Ich fragte meinen Gatten, ob denn einer seiner Kollegen erkrankt sei. Er wusste von keinem, hielt es aber für möglich, dass sie eine Erkrankung verschweigen würden. 
Mein Gatte hatte am Freitag vor der Quarantäne noch gearbeitet und war, wie es seine Gewohnheit ist, mit seinen Kollegen einen Kaffee trinken gegangen. Er arbeitet in der Altstadt, im Touristengebiet. Ich hatte ihn schon vor Wochen gebeten, vorsichtig zu sein, im Parkhaus, zum Beispiel, den Automaten nicht anzufassen (ist möglich) und nur in Cafés zu gehen, die nicht von Touristen besucht werden (haben er und seine Kollegen auch gemacht), aber zwischen dem fünften und dem achten März war in Salamanca die Basketballmeisterschaft der Frauen ausgetragen worden, dazu waren 5000 Menschen von außerhalb gekommen. Die müssen die Stadt massiv verseucht haben - oder zur Verseuchung beigetragen haben. Ich war am Freitag vor der Quarantäne noch einkaufen gewesen, frisches Obst und Gemüse, ohne jeden Schutz, ohne mir die Hände zu desinfizieren.
Ich fasse also zusammen, was uns den Schrecken eingejagt hat: Mehrere Tage sehr leichtes bis leichtes Halsweh, zwei Tage leichtes Krankheitsgefühl, grundlose Erschöpfung, leichter Durchfall, kalte Hände und Füße, rotes Gesicht wie im Fieber, aber kein Fieber und kein Husten.
Könnte es das Coronavirus gewesen sein? Mein Bruder, Arzt, meint nein. Mein Sohn, kein Arzt, meint auch nein. Aber wäre es nicht schön, wenn es das gewesen wäre und wir es hinter uns hätten? 

Donnerstag, 26. März 2020

Tag 12 der Quarantäne

Die Zahlen des Tages für Salamanca: 629 offiziell erkrankt, 54 tot. Unter den neu Infizierten sind wahrscheinlich der Bischof und fünf Busfahrer, die sind aber noch nicht eingerechnet. 
Morgen beginnen wir definitiv mit den Brotrezepten, das erste Foto ist schon gemacht. 
Den beiden Erkrankten aus unserem Bekanntenkreis geht es besser, sie mussten nicht ins Krankenhaus. Bei der Frau wurde heute der Test gemacht, damit wird sie sicher in den nächsten Tagen auch in die offizielle Zählung aufgenommen.
Mein Sohn hilft bei der Herstellung von Gesichtsschutzschirmen. Heute wurde Material angeliefert, das habe ich als erstes abgewaschen, damit uns das Virus nicht ins Haus getragen wird. Wenn alles vorbei ist, wird man alle Leute testen müssen, denn viele haben es vielleicht gehabt, ohne es zu  wissen. Die meisten Fälle scheinen harmlos zu verlaufen. Wenn hier in Salamanca mehr als zehn Prozent (54*500) der Bevölkerung ernsthaft erkrankt wären, würde man das viel deutlicher merken, glaube ich. Man weiß nichts. 

Doch noch mal zum Thema Coronavirus in Spanien

In Salamanca bisher: 533 Fälle und 46 Tote. 27 Personen auf der Intensivstation. Bei der Anzahl der Toten kann Salamanca mit ganzen Ländern mithalten, mit Japan zum Beispiel, dort hat es einen Toten weniger gegeben. Der hohe Prozentsatz an Todesfällen erklärt sich dadurch, dass nur Leute mit besorgniserregender Atemnot überhaupt getestet und damit gezählt werden. Wenn man meint, man hätte sich den Coronavirus eingefangen, darf man nicht zum Arzt gehen, sondern muss eine Telefonnummer anrufen. Es ist schwer, durchzukommen. Man wird gefragt, welche Symptome man hat, und aufgefordert, zuhause zu bleiben und niemanden anzustecken. Sonst nichts. Fieber soll man noch messen. Falls man besorgniserregende Atemnot hat, wird man getestet. Viele Leute gesunden also zuhause wieder, ohne dass sie irgendjemand zählt. Jeder wie vielte hat denn Atemnot? Keine Ahnung. Ich habe gerade nachgeschaut: Die einfachste Möglichkeit die Anzahl der Infizierten zu schätzen, ist, die Zahl der Toten mal 500 zu nehmen. Das wären 23.000. In der Provinz Salamanca. Wahnsinn! Aus dem Krankenhaus hat man gehört, dass der Höhepunkt der Welle am Sonntag erreicht wird. 
Die Vorsichtsmaßnahmen, die auch wir in unserer Quarantäne ergreifen, werden immer extremer. Meine Nachbarin gegenüber hat zum Beispiel eine Lebensmittellieferung bekommen und jeden  einzelnen Artikel abgewaschen. Ich hielt das für sehr übertrieben, bis... bis ich heute folgendes gehört habe: Gestern kam ein junger Mann in die Apotheke, Fieber, Husten, die Apothekerin (Nuria) hinter ihrer Plexiglasscheibe war sich sicher, dass er das Virus hatte. Er brauchte schnell ein Medikament, um arbeiten gehen zu können. "Du solltest nicht arbeiten gehen," sagte ihm die Apothekerin. "Ich habe keine Krankmeldung, ich muss," sagte der junge Mann. Er räumt im uns nächstgelegenen großen Supermarkt Regale ein. Wenn ich denn also in nächster Zeit mal einkaufen gehe sollte, werde ich auch meine Waren abwaschen, denn sonst nutzt die schönste Quarantäne nichts.
C., meine Nachbarin zur Linken bzw. Rechten, je nachdem, von wo man schaut, hat heute erzählt, sie hätte für drei Monate Fleisch eingefroren.  
Es gibt in der Apotheke übrigens keine Fieberthermometer mehr und der Nachschub ist nicht sicher. Ich empfehle Euch also, Eure Thermometer zu überprüfen und nötigenfalls eins zu kaufen, solange es noch welche gibt. Aber bei Euch wird es bestimmt nicht so schlimm. Und ich habe gedacht, in unserem abgelegenen Teil der Welt wären wir sicher!!! Hahaha. Wir hatten auch schon einen ganz schönen Schrecken. Vielleicht finde ich Kraft, Euch bei Gelegenheit davon zu erzählen.
Mein ältester Sohn, der die Quarantäne mit uns teilt, hilft im Kampf gegen das Coronavirus, indem er mit dem 3-D-Drucker die oberen Teile für Gesichtsschutzschirme druckt. Andere befestigen noch Gummibänder und das durchsichtige Plastik daran. Freiwillige stellen pro Tag 400 dieser Schirme her. Die Polizei oder der Zivilschutz holt die Teile ab. Es ist schön, wenn man aktiv etwas tun kann. Nous sommes en guerre, wie Macron gesagt hat.

Mittwoch, 25. März 2020

Ach, es soll nicht so positiv sein?

Nachrichten vom Tage: In Salamanca 483 Fälle und 38 Tote, darunter eine 58-jährige Ärztin, die zuhause auf ihren Test wartete. 194 Erkrankte sind im Krankenhaus, davon 22 auf der Intensivstation. In Wirklichkeit gibt es ja viel mehr Erkrankte, denn die Leute, die meinen, sie wären infiziert, werden aufgefordert, daheim zu bleiben, solange es nicht schlimmer wird. Ich denke, es wird auch oft gar nicht schlimmer und geht von allein vorbei, diese Leute werden also gar nicht erfasst (meine Laienmeinung). Die in Salamanca am stärksten betroffene Gruppe sind Frauen zwischen 50 und 59. Ich nehme an, das ist wegen der Krankenschwestern und Ärztinnen. Die Ärztin, mit der ich befreundet bin und die, wie ihr Mann, erkrankt ist, hat erzählt, das medizinische Personal würde wie die Fliegen fallen, wie man im Spanischen so schön sagt.
Nachrichten aus Madrid: Es gibt dort vier Krematorien, die rund um die Uhr brennen. Bestatter holen die Toten nicht mehr ab, weil sie keine Schutzkleidung haben. Die Verstorbenen werden von Soldaten abgeholt und wenn man nicht mehr weiß, wohin mit ihnen, werden sie in einer Eissporthalle kühl aufgebahrt. So weit ist es schon gekommen.
Aber es gibt auch gute Nachrichten: In Italien ist den dritten Tag in Folge die Zahl der Neuansteckungen zurückgegangen. Wir haben in Spanien seit 10 Tagen Ausgangssperre. Ich nehme an, dass sich das auch bald bemerkbar machen wird.
Wir schauen uns gar keine Nachrichten mehr an, in der Zeitung lesen wir auch nur noch die Überschriften. Die Zahlen habe ich extra für diesen Blog-Eintrag herausgesucht.
Ab morgen wechsle ich das Thema und beginne die Reihe - "Unsere zehn liebsten Brotrezepte". Ich bin seit dreißig Jahren Besitzerin einer Brotbackmaschine (ich bin bei der dritten) und jetzt, in dieser schwierigen Zeit, wollen wir nicht dauernd aus dem Haus, um Brot zu kaufen, obwohl dies erlaubt ist. Vielleicht hat ja jemand Interesse an unseren bewährten und leckeren Rezepte. Es ist ja echt nicht mehr auszuhalten, immer nur dieses blöde Virus!

Montag, 23. März 2020

Ab heute geöffnet!!!

Wie Ihr wisst, ist unser Anwesen auch als "der spanische Keukenhof " bekannt. Ab heute haben wir wieder geöffnet.


Es ist uns gelungen, den Eintrittspreis bei 20 Euro stabil zu halten und noch eine Tasse Kaffee in den Preis einzuschließen, drinnen oder draußen, nach Wahl und Witterung.


Unseren Investoren können wir versichern, dass unser Umsatz auch im äußerst schwierigen Umfeld des Jahres 2020 um keinen einzigen Euro sinken wird. Diese Resilienz verschafft uns eine Alleinstellung am Markt. Vielleicht sollten wir an die Börse gehen!



Sonntag, 22. März 2020

Tag 8 der heute von 14 auf 28 Tage verlängerten Ausgangssperre

Heute morgen sind wir ein bisschen depre aufgewacht, ich weiß nicht wieso. Ich ging dann raus auf die Straße - niemand war zu sehen oder zu hören, nur die Vögel zwitscherten und gelegentlich bellte ein Hund. Ich schaute lange hinüber auf die Autobahn, ich wollte warten bis ein Auto oder ein Lastwagen kam. Das dauerte eine Weile. Schließlich zog irgendwo jemand einen Rollladen hoch. Ich verstehe nicht, warum so wenige Leute aus der Stadt in ihre Landhäuser gekommen sind. An der nächsten Ecke hat ein älteres Ehepaar ein Haus, das sich damit brüstet, dass es vierzehn Enkel hat. Sie wurden letztes Jahr ausgeraubt, ich weiß nicht, ob ich Euch davon erzählt habe. Dank des modernen Alarm- und Überwachungssystems, das sie installiert haben, konnte der Pater familias von seinem Büro aus zuschauen, wie die Einbrecher seinen Waffenschrank/Tresor wegtrugen. Interessant, ne? Sie haben auf ihrem Grundstück einen Tennisplatz und einen kleinen Basketballplatz und trotzdem sind sie in ihren Wohnungen in der Stadt geblieben. 
Aber das wollte ich doch gar nicht erzählen. Ich ging dann rein und machte meine Sachen im Haus, dann ging ich wieder raus und sah, wie ein Nachbar sein Auto aus der Garage fuhr und auf der Straße parkte. Ich dachte, ach, der macht sicher Platz für irgendwas, vielleicht stellt er eine Tischtennisplatte auf, und da fiel mir ein, dass wir ja auch eine Tischtennisplatte haben. Wenn das Wetter morgen besser ist, können wir draußen ein paar Runden spielen. Bewegung an der frischen Luft! Wir haben auch ein Krocketspiel und ein Bocchia... und noch ein anderes Rasenspiel.
Im Radio haben sie gesagt, dass die Anzahl der lustigen Memes, die verschickt werden, stark zurückgegangen ist. Das hatten wir auch schon bemerkt. Anscheinend sinkt allgemein die Stimmung.
Pedro Sánchez verkündete heute, dass die Quarantäne um zwei Wochen verlängert wird, also bis zum  11. April, und dass diese Woche schlimm wird, danach werden die Zahlen zurückgehen. Ich glaube ihm das. Wenn alle in ihren Wohnungen bleiben, können sie sich nicht infizieren.
Es gibt aber doch immer noch Pícaros, Schelme, die sich nicht an die Vorschriften halten. In den Nachrichten haben sie erzählt, wofür es Strafzettel gab: Fünf Kilometer durch die Stadt laufen um Müll zu entsorgen = Strafzettel, kilometerweit laufen, weil irgendwo die Milch zwei Cents billiger ist = Strafzettel, einen Hasen an der Leine spazieren führen = Strafzettel, mit einem Spielzeug-Hund Gassi gehen = Strafzettel. Die Strafzettel belaufen sich auf 600 Euro. Manche leisteten zusätzlich Widerstand gegen die Staatsgewalt und wurden festgenommen.  
In Salamanca gibt es jetzt 315 am Coronavirus Erkrankte und 21 Tote. Die Zahlen steigen hier weiter schnell. Da macht man sich schon Gedanken wegen dem Einkaufen und so. Ich werde wahrscheinlich im Click und Collect-System einkaufen, also online bestellen und meine Bestellung selbst abholen. Man weiß nicht so recht, was man machen soll. Ich wollte den Kauf so lange wie möglich aufschieben, um das Risiko zu minimieren, aber bei den beiden Supermärkten, die diese Einkaufsmöglichkeit anbieten, fehlt es schon an vielem, und ich befürchte, dass die Versorgungslage so schnell nicht besser wird. Wenn man sich die Sachen nach Hause liefern lassen will, beträgt die Wartefrist mehr als zehn Tage. Wenn ich die frischen Lebensmittel aufgebraucht habe, gehe ich erst einmal an die tiefgekühlten Sachen, bevor ich mich um Nachschub kümmere. Ich sage Euch nur eins: Hamstert, solange Ihr noch könnt! Oder könnt Ihr das schon gar nicht mehr?

Samstag, 21. März 2020

Tag 7

Theoretisch ist ja jetzt schon die Hälfte der Quarantäne um. Für uns, meinen Gatten, meinen Sohn und mich, ist es gar nicht schlimm. Drei von meinen Freundinnen wohnen in der Stadt, haben aber Sommerhäuser in unserer Siedlung. Es hat mich echt sehr, sehr gewundert, dass sie lieber in einer Wohnung in der Stadt eingesperrt sein wollen als in einem großen Haus mit Garten. Eine von ihnen hat gesagt, es wäre ihr zu lästig, ihre Sachen von der Stadt hier heraus zu bringen (Fahrzeit 20 Minuten). Und irgendwann war es zu spät. Fahrten in Zweitwohnsitze sind nicht mehr gestattet. 
Ihr wisst, dass in Spanien viele Leute in Hochhäusern wohnen. Im Radio hat heute einer erzählt, wie sein Tag so abläuft: Er steht früh auf und macht Home Office. Dann Yoga nach Anleitung im Internet. Um zwölf Uhr geht es auf den Balkon, dann wird in seinem Block die Nationalhymne zu ¡Viva España!-Rufen gespielt. Am späten Nachmittag wird über die Balkone hinweg Bingo gespielt, um 20 Uhr ist allgemeines Klatschen zum Zeichen der Anerkennung für die Menschen, die in medizinischen Berufen ihre Gesundheit riskieren. Das mit dem Klatschen um 20 Uhr ist wohl in allen dichtbesiedelten Gebieten. Und wenn man auf dem Land wohnt, ist man eben wirklich allein und sieht praktisch nur die Leute, mit denen man zusammenlebt. Meine Nachbarin zur Rechten bzw. zur Linken, je nachdem, von wo man schaut (C.), hat heute eine Schutzmaske aufgehabt, als sie die Blumen auf der Terrasse goss. Keine Ahnung, wieso. Wenn ich sie mal erwische, frage ich sie.
Für Geschäfte ist die Situation natürlich verheerend. Friseure, Bars, Bekleidungsgeschäfte, Restaurants, alle, vom Tourismussektor, der ja in Spanien enorm wichtig ist, ganz zu schweigen. Einnahmen null. 
Die Quarantäne wird rigoros durchgesetzt. Mein Sohn, der in San Sebastian lebt, wurde von einem Polizisten angehalten, weil er sich mit seinem Hund zu weit von zuhause entfernt hatte. Alle Hundehalter, die mit ihren Tieren auf dem Spazierweg unterwegs waren, wurden zurückgeschickt, hat er mir erzählt, und ein Herrchen, das von der Polizei mehrmals an verschiedenen Stellen angetroffen wurde, bekam einen Strafzettel.
Hoffentlich hat das alles einen Sinn. Die Zahlen der Neu-Infizierten gehen noch nicht zurück. Spanien 25.374 Erkrankte, Deutschland 22.213. Die USA kommen von hinten angeschossen und haben Deutschland schon überholt. In Italien sind seit gestern 800 Leute gestorben. In Salamanca sind 265 erkrankt, 15 sind gestorben, darunter ein 58-jähriger ohne Vorerkrankungen. Das sind die Zahlen von ganz Spanien vom 7. oder 8. März. Heute ist der 21. März. Das war vor zwei Wochen. Dass es hier so schlimm wird, dass hier 25.000 Leute erkranken, das ist doch ausgeschlossen, oder? Die Leute, die sich in ihren Häusern und Wohnungen verbarrikadiert haben, können doch gar nicht erkranken, oder? Zumindest jetzt nicht.
In Bayern hat man sich ja endlich entschlossen, auch Maßnahmen zu ergreifen. Die Deutschen haben wahnsinnige Angst um ihre Demokratie, die sie sich so mühselig erkämpft haben, und dass die durch Verbote beschädigt wird. Alles zu seiner Zeit, würde ich sagen, jetzt ist erstmal die Gesundheit wichtiger. Ich weiß, das ist eine ziemlich undeutsche Meinung, aber über deutsche Meinungen wird in anderen Ländern häufig verwundert oder auch bewundernd der Kopf geschüttelt. Ich habe heute eine Umfrage unter spanischen Zeitungslesern gesehen, bei der 93 % für die Ausrufung des Notstands waren, bei 300.000 Teilnehmern.

Freitag, 20. März 2020

Tag 6 der Ausgangssperre

Bisher kannte ich niemanden, der erkrankt war, oder auch nur jemanden, der jemanden kannte, der erkrankt war. Das hat sich heute geändert. Es ist ein Arzt mit einem Fachgebiet, bei dem man nicht an Viren denkt. Ich hoffe, er wird bald wieder gesund.
Ich schreibe diese Zeilen beim Stand Spanien 20.412, Deutschland 19.848. In Spanien hat es am Tag 6 der Quarantäne 2335 neue Fälle gegeben, in Deutschland, wo die Leute noch gebeten werden, freiwillig zuhause zu bleiben, hat es 4528 neue Fälle gegeben. 
Ich habe eine derartige Wut in mir, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Dieselbe Wut, die wohl die Italiener in sich hatten, wenn sie Spanien beobachteten, und die Chinesen, wenn sie Italien beobachteten. 
Ich kam mir vor wie ein paranoider Idiot als ich meinen Sohn in München bekniete, Atemschutzmasken zu besorgen. Ich habe ihm Atemschutzmasken von Salamanca nach München getragen (er hat dann selbst auch welche besorgt). Ich bat ihn eindringlich, diese in der U-Bahn aufzusetzen. Er antwortete mir, das sei nicht üblich, Atemschutzmaskenträger würden schräg angeschaut, in manchen Fällen sogar zum Spott absichtlich angehustet. Okay. 
Wie soll ich denn nicht denken, dass diese Krankheit absichtlich verbreitet wird? Soll ich dasselbe wie gestern noch einmal schreiben? Uns wird unterschwellig dargelegt: Chinesen = Kommunisten, Italiener = faule Schlamper, Spanier = außer Feiern nix im Kopp, Deutsche = ????????
Die Chinesen haben die Ausbreitung der Krankheit gestoppt und sie konnten sich bei niemandem etwas abschauen, sie waren die ersten Betroffenen. Können wir uns bei den Chinesen etwas abschauen? Offensichtlich nicht, denn die haben ja keine Freiheit und keinen Datenschutz.
Können wir vielleicht aus den Fehlern der Italiener etwas lernen? Nö. Interessiert uns gar nicht.
Stehen wir am Anfang oder in der Mitte dieser Geschichte? In Spanien hat sich die Quarantäne schon bei den Ansteckungszahlen bemerkbar gemacht. Die deutsche Börse ist heute um 3,7 % gestiegen, die amerikanische um 4,55 % gefallen. Die "Märkte" sollen mit umpzig Fantastilliarden stabilisiert werden.
Bei einem großen Teil der 1000 Toten in Spanien handelt es sich um Bewohner von Altersheimen bzw. Seniorenresidenzen. Heute haben sie in den spanischen Nachrichten einen Bericht über ein Altersheim gezeigt, in dem sich die gesunden Pfleger zusammen mit den gesunden Alten eingeschlossen haben. Sie haben sich verbarrikadiert, keiner kommt rein, keiner kommt raus. Sie benutzen eine Garage als Schleuse. Das Garagentor wird aufgemacht, die Lieferanten legen ihre Waren hinein und gehen wieder raus. Dann wird das Garagentor wieder zugemacht und die Angestellten kommen von der anderen Seite und holen die Waren in die Seniorenresidenz. Mal gespannt, wie dieses Experiment ausgeht. 
Die älteren Menschen hier in unserer Siedlung sind verängstigt. Ich wollte mich heute mit meiner Nachbarin gegenüber unterhalten. Sie forderte mich auf, über die Straße zu schreien, erlaubte mir dann aber doch bis zur Straßenmitte zu gehen, während sie sich halb hinter ihrer Mauer verbarg. Ihre Tochter (medizinischer Beruf) hat sie total verrückt gemacht. Meine Nachbarin hatte das Tor offen, weil eine Frau mit Mundschutz und Handschuhen ihr Obst brachte, das sie mit Handschuhen in Empfang nahm und mit Chlorwasser zu waschen gedachte. Beim Müllwegbringen sah ich andere Nachbarn, die nach einem knappen Gruß flüchteten.
Lebensmittelnachschub: Ihr wisst, dass wir glücklicherweise rechtzeitig Vorräte angelegt haben. Trotzdem haben wir heute die letzte Orange gegessen und haben nur noch vier Bananen. Frisches Obst und Gemüse werden uns bald ausgehen, also, in 4 oder 5 Tagen. Ab morgen gibt es auch statt grünem Salat Krautsalat.
Bei zwei unserer Supermärkte sind gar keine Online-Bestellungen mehr möglich, beim Corte Inglés und bei Carrefour beträgt die Lieferfrist zehn Tage, also, man muss heute bestellen, was man in zehn Tagen haben will. Theoretisch ist die Quarantäne dann schon vorbei. Die beiden letzteren Supermärkte haben auch einen Click and Collect-Service eingerichtet. Man bestellt online und kann ein paar Stunden später das Bestellte abholen.   
Es scheint vielleicht nicht so, aber im Grunde meines Herzens bin ich der totale Optimist und glaube, dass die Sache bis Sommer ausgestanden ist.

Donnerstag, 19. März 2020

Tag 5 der Quarantäne

Die Vorschriften für Kinder sind gelockert worden! Gott sei Dank. Die durften ja überhaupt nicht raus. Jetzt dürfen sie einen Erwachsenen auf einem der erlaubten Wege - Lebensmittel kaufen, Apotheke gehen, Zigaretten holen, Müll wegbringen, Hund Gassi führen - begleiten. Ich habe mir gleich gedacht, dass das nicht geht, die Kinder so lange einzusperren. Stellt Euch mal vor, mit zwei, drei Kindern in einer kleinen Wohnung, da wird man doch wahnsinnig. Die Leute in Wuhan waren 50 Tage eingesperrt. Ich habe die Geschichte dort verfolgt, und zwar anhand der Videos eines jungen Paares, Jabiertzo und Lele, ein Spanier und eine Chinesin, die miteinander verheiratet sind. Diese Videos waren sehr interessant. Man hat ja gar keine Ahnung, wie die Leute dort leben und was dort los ist. Hier ist ein Link zu dem Video, das sie heute nach ihrer "Befreiung" hochgeladen haben: Video Jabiertzo und Lele. Es wundert die beiden, dass in anderen schwer betroffenen Ländern noch die U-Bahn fährt und die Leute zur Arbeit gehen In Wuhan wurde der öffentliche Personennahverkehr ausgesetzt und 50 Tage lang ging niemand arbeiten, der nicht kriegswichtig war. Die Chinesen haben die Epidemie in den Griff bekommen. Ich habe den größten Respekt vor ihnen. Die Deutschen wollen ja eine andere Methode anwenden: Alle oder viele sollen so nach und nach erkranken und immun werden. Da habe ich Merkel doch richtig verstanden, oder? Hier in Spanien werden ihre Aussagen wenigstens so interpretiert. 
Die Spanier sagen nicht, welche Methode sie anwenden wollen: Mit aller Kraft versuchen, die Krankheit zu stoppen, wie die Chinesen, Japaner, Koreaner usw., oder langsam 70 % erkranken lassen, wie Merkel meint. Ich hoffe, es wird nicht das Schlechte aus beiden Welten: Eine riesige Kraftanstrengung mit Quarantäne und am Ende erkranken doch sehr viele. Seufz.
Mein Sohn hat vorhin erzählt, dass das Tierheim in Salamanca leer ist, der letzte Hund wurde am Mittwoch geholt. Ich dachte, es sei ein Witz, aber es steht in unserer völlig ernsthaften Lokalzeitung, also wird es wohl wahr sein.
Wie war der Tag bei uns? Uns wird es gar nicht langweilig, wir haben genug zu tun, und in den nächsten Tagen wird bei mir ein größerer Auftrag reinkommen. Wir kommen gar nicht zu den Projekten, die wir uns für die Zeit der Quarantäne vorgenommen haben. Die sozialen Medien nehmen viel Zeit in Anspruch, ebenso wie das Telefon. Wider Erwarten ist die Ausgangssperre Freundschaften und Beziehungen sehr zuträglich, aber das werdet Ihr ja auch bald sehen, wenn Ihr erst eingesperrt seid.
Ich schreibe diese Zeilen beim Stand Spanien 18.077, Deutschland 15.320. In Italien hat es mittlerweile mehr Tote gegeben als in China. In Spanien hat es 831 Tote gegeben, in Deutschland 44. Die meisten Tote gibt es in Altenheimen, wo die Alten und die Betreuer erkrankt sind. 
In China sind pro 1 Million Einwohner 56 erkrankt und die Epidemie ist gestoppt, in Italien sind es jetzt schon 687, mehr als zwölfmal so viele, und die Epidemie ist noch nicht gestoppt.
Am Anfang hat es geheißen, das Virus stirbt von allein, wenn erst einmal der Sommer kommt. Jetzt erzählen sie uns, dass man praktisch schon fast einen Impfstoff hat, wahlweise in Spanien, Deutschland, China oder in den USA, er muss nur noch am Menschen getestet werden. Die USA haben damit auch schon angefangen, also mit dem Testen. Man wird sehen.
Ach ja, und die Rede des Königs. Die war doch gestern Abend, oder? Es wird gar nicht darüber gesprochen. In den Online-Zeitungen steht ganz unten was davon, habe gerade eben nachgeschaut. Was hat er gesagt? "Die Lage ist schlimm. Wir werden gestärkt daraus hervorgehen. Letizia, die Mädchen und ich denken an Euch." Ich hatte Euch vorhergesagt, dass er irgendwelche Banalitäten absondern wird und dann in der Presse gefeiert werden wird, wie toll er doch wieder das Land hinter sich geeint hat, und wie wichtig ein König in schweren Stunden ist, etc. Ich habe mich geirrt. Er wird einfach ignoriert. Ihr dürft mich trotzdem Nostradamus nennen, der hatte ja auch nicht immer recht.
Ach, und noch was: Der Scheitelpunkt der Neuansteckungen soll in den nächsten zwei, drei Tagen sein, danach soll die Anzahl der Neuansteckungen pro Tag sinken, hat... ich such's schnell, wer das gesagt hat. Hab's jetzt nicht gefunden, bin dabei aber auf einen interessanten Artikel in El País gestoßen, der die zwei Methoden, das Eindämmen der Krankheit um jeden Preis und das langsam ausbreiten lassen, vergleicht. Er ist in spanischer Sprache, aber man kann ihn sich ins Englische übersetzen lassen. Hier ist er: Hier klicken

Mittwoch, 18. März 2020

Coronavirus in Spanien - Tag 4 der Quarantäne

Ich habe gerade festgestellt: Ihr seid nur noch einen Tag hinter uns. Ich schreibe diese Zeilen beim Stand Spanien 13.910, Deutschland 11.302. Salamanca 125 Infizierte und 8 Tote. Hier gibt es aber wahrscheinlich viel mehr Infizierte, weil leichte Fälle nicht getestet werden. Wir haben heute den vierten Tag der Ausgangssperre. Man hört jedoch, dass manche versuchen, sie zu umgehen, zum Beispiel in dem sie mehrmals einkaufen gehen oder Müll wegbringen. Hunde werden den ganzen Tag von einem nach dem anderen Gassi geführt. Es gibt ein lustiges Video, wo sich das Herrchen dem Hund mit der Leine nähert und der Hund scheinbar entsetzt zurückweicht, weil er nicht schon wieder raus will. 
Da wir zuhause bleiben, weiß ich nicht so recht, was in der Stadt los ist. Soldaten sind gekommen, um beim Durchsetzen der Ausgangssperren und beim Desinfizieren zu helfen. In ganz Spanien sind Leute verhaftet worden, weil sie sich geweigert haben, sich an die neuen Regeln zu halten, 88 im Ganzen, steht in der Zeitung El País. Ich finde es witzig, ja witzig, ich habe echt lachen müssen, wenn man Deutschen erzählt, meinem Vater in diesem Fall, dass wir nicht raus dürfen, dass man keine Freunde besuchen darf und auch keinen Besuch empfangen darf, auch nicht von Verwandten, Kindern oder Enkeln, und er antwortete mir: "Ich werde das nicht so machen, mir sind meine sozialen Kontakte wichtig." Ich muss schmunzeln, während ich es schreibe. Wenn eine Ausgangssperre besteht, wird man nicht mehr nach seinen persönlichen Vorlieben gefragt. Hier bei uns könnte man sogar raus, denn 99,99 Prozent der Zeit ist keine Polizei in unserer Straße, aber der Druck der Nachbarn ist so hoch... Die Leute haben es mittlerweile kapiert und nehmen die Sache sehr, sehr ernst. In diesem Sinne ist uns Deutschland mindestens zehn Tage hinterher. Mein Sohn hat Bilder aus München geschickt, wie viele Leute da am Sonntag auf der Straße waren, bei dem schönen Wetter... Das war wie in Madrid am 8. März, als die Frauen demonstriert haben. Und einen Woche später sind sie wie die Fliegen gefallen bzw. krank geworden, einschließlich der Frauen des Präsidenten und des Vizepräsidenten. Es ist unglaublich, dass die Völker nicht von einander lernen können. Ich finde das wirklich faszinierend. Erst hat es geheißen: Naja, die Chinesen, die Kommunisten... Dann hat es geheißen: Naja, die Italiener, die sind so schlampert und faul... Jetzt sind die Spanier dran... auch unfähig, oder? Vielleicht geht der Kelch ja tatsächlich an den Deutschen vorüber.
Ja, die Zeiten, in denen wir leben, sind unglaublich, im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn uns vor ein paar Wochen jemand erzählt hätte, was uns blüht... wir hätten es selbstverständlich nicht geglaubt. Wir sind ja keine chinesischen Kommunisten... und jetzt gelten hier fast dieselben Regeln wie bis gestern in Wuhan.
Davon abgesehen: Warum hat man denn die Leute in München letzten Sonntag auf die Straße gelassen, wenn man doch genau wusste, was passieren würde? Die Polizei hätte herumfahren und die Leute heimschicken können und wer nicht gleich spurt, bekommt eins mit dem Schlagstock übergezogen, wie man das in Madrid gemacht hat, also nicht an dem Tag, dem unsäglichen Sonntag, als die Regierung alle zum Demonstrieren auf die Straße geschickt hat, sondern ein paar Tage später, als es plötzlich ganz, ganz dringlich wurde, dass alle zuhause bleiben.  
Lustige WhatsApp: "Man meint, es wäre Weihnachten: Die ganze Familie ist zusammen im Haus, die Kinder haben keine Schule, der Kühlschrank ist zum Bersten gefüllt, kein Fußball und heute Abend die Ansprache des Königs. Ich hätte gute Lust, den Baum aufzustellen und am Balkon ein paar Lichter zu befestigen."