Freitag, 10. Februar 2012

Speed Dating

Wie Ihr wisst, befinde ich mich zurzeit in London. Gestern war ich in einem Laden und als ich an der Kasse bezahlte, fragte mich die Kassiererin, ob ich Lust hätte, an einem Speed Dating teilzunehmen. Ich wusste gar nicht, dass es das tatsächlich gibt. Ich kannte das nur aus amerikanischen Filmen: Je ein Mann und eine Frau (wenn es sich um Heten handelt) sitzen einander gegenüber und haben 10 Minuten Zeit, um sich ein bisschen kennenzulernen und um festzustellen, ob sie möglicherweise zu einander passen oder nicht. Dann wird zur nächsten Person gewechselt. Sehr, sehr interessant, gell? Wie hoch ist da wohl die Wahrscheinlichkeit, dass man auf einen Menschen trifft, der tatsächlich zu einem passt? Meine allgemeinen Beobachtungen im Leben haben mich (fast fünfzig) gelehrt, dass Männer deutlich weniger anspruchsvoll sind als Frauen. Männer wollen praktisch das Gleiche, was sie schon seit Anbeginn der Menschheit wollen. Seit man um's Feuer sass und Speerspitzen schnitzte, hat sich da nix geändert.
Frauen wollen jemanden, der ihnen zu hört. Ich, zumindest. Stellt Euch mal vor, man sitzt mit dem Typen beim Speed Dating und der steht auf und sagt: "Ich geh' mir mal schnell ein Bier holen. Red' du ruhig weiter, ich höre dich auch von der Theke aus." Nee, nee, nee. 
Persönliche Interessen: Er kann ruhig seltsame Hobbys haben, aber er muss sie alleine pflegen können. "Das Höchste für mich sind Geländemärsche bei rauem Wetter und ich freue mich schon, wenn du dann immer dabei bist."Oder: "Oh, was wird das schön, wenn wir dann jeden Samstag gemeinsam am Angelsee sitzen!" Nee, nee, nee.
Er muss denken, dass ich nett bin und ein wertvoller Mensch. Er muss mich gut finden. "Naja, die tut's" tät's bei mir nicht. 
Das sind, glaube ich, Sachen, die für alle Frauen gelten.
Ich hätte dann noch folgenden Wunsch: Bildung. Ich mag es, wenn Leute gescheit und gebildet sind. Ist für eine kurze Affäre natürlich nicht erforderlich, langfristig aber schon. Friedrich Nietzsche verstand die "Ehe als langes Gespräch", alles andere in einer Beziehung sei transitorisch, meinte er. Ich finde auch, dass man möglichst viel haben sollte, worüber man quatschen kann. 
Sonderpunkte gäb's, wenn jemand dasselbe Hobby hätte wie ich.
Aussehen: Mit dem Aussehen ist es so eine Sache. Man hat da bestimmte Vorstellungen, aber dann lernt man jemanden kennen, der völlig anders aussieht und der gefällt einem dann auch, z.B. weil er einem zuhört oder weil er einen wertschätzt. Und selbst ist man ja auch nicht gerade das Mass aller Dinge, zumindest ich nicht.
Kohle: Ob der andere Kohle hat oder nicht, finde ich nicht so wichtig, da ich anspruchslos bin und mich in der Lage sehe, selbst genug ranzuschaffen für das, was ich brauche. Im Leben geht es so oft auf und ab. Was nützt einem der grösste Reichtum, wenn man eine schlimme Krankheit bekommt oder sonst unglücklich ist?
Ach ja, das noch: Da ich selbst ein ziemlicher Trauerkloss bin, würde ich mich über einen fröhlichen Menschen freuen. 
Jeder hat halt andere Prioritäten. 
Hingegangen zum Speed Dating bin ich natürlich nicht. Ich weiss nicht, was mein Gatte dazu gesagt hätte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen