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Mittwoch, 23. Oktober 2019

Japanische Toiletten

Ich hatte mir fest vorgenommen, die Waschvorrichtung einer japanischen Toilette zu benutzen, ehrlich, nicht zuletzt, um Euch hier davon zu berichten, aber ich muss Euch sagen: Ich hatte während ich auf der Toilette saß noch nie den Wunsch, Wasser möge von unten gegen meinen Popo spritzen, weder warmes noch kaltes, weder mit starkem Strahl noch mit schwachem, weder begleitet von Meeresrauschen noch von Walgesängen, gar nicht, nie. Deshalb habe ich es bleiben lassen.

Unsere Reise nach Japan und Korea

Gestern gegen Mitternacht sind wir wieder zuhause angekommen. Kalt ist es hier. Vier Grad, sagte uns der Taxifahrer. Und es regnet in Strömen. Ich bin gleich eingeschlafen, um vier Uhr aber wieder aufgewacht. Eineinhalb Stunden wartete ich vergebens aufs Wiedereinschlafen, jetzt schreibe ich diese Zeilen. Also, was gibt es noch zu erzählen? Der Spanier, der den Vortrag meines Gatten in Seoul organisierte, ging am ersten Abend mit uns in ein typisches BBQ-Restaurant essen. Er erzählte, er könne die Koreaner nicht leiden und die Koreaner könnten Ausländer nicht leiden. Er zählte die Tage (wörtlich), die er vertragsgemäß noch unter ihnen zu verweilen hatte. Hm. Dadurch wurde man natürlich diesbezüglich aufmerksamer. Die Koreaner sind weniger höflich als die Japaner, das ist ganz offensichtlich. Sie rempeln einen an ohne sich zu entschuldigen etc., aber sie sind auch zu einander weniger höflich. Der in Rede stehende Spanier behauptet, die Japaner würden die Touristen auch nicht sonderlich mögen. Also, ich finde, sie sind von solch exquisiter Freundlichkeit, da kann es mir doch echt egal sein, was sie hinter meinem Rücken über mich sagen. Außerdem hängt es sicher auch von jedem einzelnen ab. In Seoul, zum Beispiel, ging ich mit meinem Gatten durch ein Viertel in der Nähe unseres Hotels, in dem es keine Ausländer gab. Wir gingen durch eine Strasse mit lauter Restaurants, in denen nur Koreaner waren. Wir sahen eins, das uns ziemlich zusagte. Die niedrigen Fenster zur Straße waren geöffnet, drinnen standen diese typischen Grills. Nichts war auf Englisch beschriftet, nur koreanische Gäste. Da die Fotos der Gerichte auf der Speisekarte gut aussahen, gingen wir hinein. Wir hatten nicht das Gefühl, übermäßig willkommen zu sein, aber wir hatten Hunger. Man muss auch bedenken, dass diese Leute vielleicht erschrecken, wenn da diese fremdländischen Menschen (wir) ankommen und sie wissen, dass man sich nicht wird verständlich machen können. War uns alles wurscht. Eine ältere Frau brachte uns die Speisekarte und wir deuteten auf ein Bild und machten ihr außerdem klar, dass wir noch Bier und Wasser wünschten. Das klappte. Mit Händen und Füßen (Spässle) erklärte uns ein junger Mann, wie man das servierte Schweinefleisch mit Kraut zu erst auf dem Grill zu braten und dann zu verzehren hätte (in Salatblätter eingewickelt), welche Sauce man darauf geben sollte (hier ist es manchmal schwer, zwischen Saucen und Suppen zu unterscheiden und es werden einem zig Schälchen gebracht). Es muss den Wirten klar geworden sein, dass wir keine böswilligen Menschen waren, denn die alte Frau kam wieder, wir hatten mittlerweile alle Salatblätter aufgebraucht. Sie zeigte uns Bilder von unterschiedlichen Salatsorten, wir sollten uns wohl etwas aussuchen. Bringen Sie uns von allen, bedeuteten wir ihr. Wir waren freundlich, zeigten, dass es uns schmeckte und bedankten uns auf koreanisch ("Gamsahamnida", ich konnte es mir nicht merken, mein Gatte aber schon). Hinterher haben sie vielleicht gedacht, ach, so schlimm ist das mit den Touristen doch gar nicht, wir könnten unsere Speisekarte auch auf Englisch auslegen. Hoffentlich haben sie das gedacht. Bedenkt, wenn die Koreaner bei uns sind, geht es ihnen genauso. Dann liegt es an uns, freundlich und entgegenkommend zu sein oder nicht.
Sowohl in Japan als auch in Korea haben wir beobachtet, dass ziemlich viele junge Kulturtouristen unterwegs sind. Also, keine Rucksacktouristen, sondern echte Kulturtouristen. Rucksacktouristen gibt es natürlich auch. Junge Menschen, die Manga- und Anime-Fans sind, kommen nach Tokio, K-Pop-Fans nach Seoul (Gangnam-Style!). Sie weiten ihr Interesse auf die Sprache und die übrige Landeskultur aus und nehmen die Strapazen und Kosten einer Reise auf sich. Find ich gut. 
Beim Vortrag meines Gatten in Seoul war der Saal schon eine halbe Stunde vorher ziemlich voll. Ich sass im Publikum und kam mit der jungen Spanierin neben mir ins Gespräch. Sie war ein großer Anime-Fan gewesen und eines Tages schlug ihr Youtube eine koreanische Serie vor. Neugierig klickte sie und war sofort hin und weg. Ich habe mir aufgeschrieben, wie die Serie heißt, habe aber jetzt mein Notizbuch nicht bei der Hand. Jedenfalls fand sie diese Serie (koreanisch mit englischen Untertiteln) so toll, dass sie anfing, koreanisch zu lernen und sich intensiv mit der koreanischen Kultur zu befassen. In ihrer spanischen Heimat lernte sie einen jungen Koreaner kennen, der dort ein Masterstudium absolvierte. Lange Rede, kurzer Sinn: Sie ist seit drei Jahren verheiratet, lebt in Seoul und gründet mit ihrem Gatten eine Multikulti-Familie. Unglaublich, nicht wahr? Wie ein Klick bei Youtube einem eine Welt erschliessen und das Leben verändern kann. Sieben Uhr. Ich versuche noch einmal, ein bisschen zu schlafen. Es regnet wie aus Kübeln.

Montag, 21. Oktober 2019

Seoul

Wir sind in Seoul, in Korea, wer hätte das gedacht - und wenn der Vortrag nicht wäre, wären wir auch niemals hierhergekommen. Wir wussten vorher nichts über diese Stadt und über Korea - und wir waren total überrascht, wie modern hier alles ist. Es ist anders als in Japan, man merkt den Unterschied deutlich. Das erste, was mir auffiel, waren die Gasmasken auf dem Flughafen und in der U-Bahnstation. Seoul liegt nur 50 oder 60 Kilometer von Nordkorea entfernt! Der Flughafen, die Bahn usw., das ist alles sehr modern. Die vielen Wolkenkratzer! Die breiten Strassen! Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll mit erzählen, es ist einfach zu viel. Und zwischen diesen Wolkenkratzern fliesst ein kleiner, sauberer, gepflegter Fluss mit schönen Bäumen am Ufer, hübsch und romantisch. Uns standen ja nur zwei Tage zur Verfügung, trotzdem versuchten wir, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, so weit wie möglich abzuarbeiten. Am ersten Tag gerieten wir auf dieser sehr breiten Prachtstrasse, die sie hier haben, mit einer grossen Statue des Erfinders ihres Alphabets in der Mitte, in eine Demonstration. Die Demonstranten waren Menschen mittleren Alters und älter. Sie trugen koreanische und amerikanische Fähnchen und Anstecker mit der koreanischen und amerikanischen Flagge. Ein Mädchen, das schlecht Englisch sprach, erklärte mir im grossen Lärm, worum es ging. Es war ein Protest gegen den Präsidenten, es demonstrierten aber auch Leute für den Präsidenten. Zurück im Hotel fragten wir den Portier, der leidlich Englisch spricht, worum es geht. Er erzählte uns dasselbe, wir haben es aber, wie gesagt, nicht kapiert, wir haben nämlich gar keine Ahnung, was in diesem Land los ist. Aber was hatte es mit den amerikanischen und koreanischen Fähnchen auf sich? Hatten die nicht einen Krieg, wo sie gegen einander gekämpft haben? Der Korea-Krieg, waren das nicht Amerikaner gegen Koreaner? Von unserer völligen Ahnungslosigkeit verwirrt, machten wir uns auf in das Museum für koreanische Geschichte der Gegenwart, das sich gegenüber von diesem einen grossen Palast befindet, auf dessen Namen ich mich nicht mehr besinne, dem am Ende der Prachtstrasse. (Er heisst Gyeongbokgung, wie konnte ich das vergessen?)
Dieses Museum war sehr, sehr interessant und dadurch, dass nicht alles in Englisch beschriftet ist, ist es auch schnell angeschaut. Für Besucher, die gar nichts über Korea wissen, ist es sehr zu empfehlen. Also, der Korea-Krieg war nicht Amerikaner gegen Koreaner. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Korea in zwei Teile geteilt worden, und zwar in einen kommunistischen Norden, wo die Russen Einfluss hatten, und den Süden, unter dem Einfluss der Amerikaner, ähnlich der BRD und der DDR. Hier geschah es aber, dass der Norden Anfang der Fünfzigerjahre mit Unterstützung der Russen und auch der Chinesen den Süden überfiel, quasi so, als hätte die DDR die BRD angegriffen. Die USA unterstützten den Süden, es ging ein paar Mal hin und her und am Ende verfestigte sich das System, wie wir es heute kennen, mit der strengen Grenze in der Mitte. Die Südkoreaner sind den USA also dankbar, dass sie sie davor bewahrt haben, so verarmt wie der Norden zu enden, deshalb diese gemeinsamen Fähnchen. Falls der Norden und der Süden eines Tages wieder vereinigt werden... ich glaube nicht, dass dann die Renten der erste Gedanke sein werden. So, wie ich das hier sehe, wie geschäftig die hier sind, die vielen Läden, die vielen, vielen kleinen Werkstätten in dem Stadtteil, in dem sich unser Hotel befindet... die werden in den Norden rasen und dort ihre Betriebe aufbauen. Wir können uns von Europa aus wirklich gar nicht vorstellen, was hier los ist. Samsung, Hyundai, Kia, LG, das sind alles koreanische Firmen.  
Und sie lieben klassische Musik. Im Taxi lief ein Klassik-Sender. Als die U-Bahn einfuhr, erklang ein Jingle als käme die Kavallerie, wir waren so überrascht, dass wir lachen mussten. Der Kanon von Pachelbel läuft 24/7 in verschiedenen Varianten. Mal gespannt, wie lange es dauert, bis wir Schuberts Ave Maria hören, dachte ich mir. Lange musste ich nicht warten, es begleitete am zweiten Tag unser Frühstück. 
Was noch? Apropos modern: Unser Hotel ist so mittelklasse (75 Euro die Nacht), aber es hat einen kleinen Bildschirm für die Domotik. Da es bei uns so etwas noch nicht gibt, kennen wir uns damit nicht aus. Es war aber gestern aus unerfindlichen Gründen sehr warm in unserem Zimmer. Draussen war es viel kühler, auf dem Hotelflur war es kühler. Wir versuchten, auf dem Touchscreen die Klimaanlage auf eine niedrigere Temperatur zu stellen, was uns auch gelang, dennoch wurde es im Zimmer nicht kühler. War die Klimaanlage so leise, dass man sie nicht hörte? Wir sind laut ratternde Klimaanlagen gewöhnt, da weiss man wenigstens, dass sie laufen. Wir hatten 21 Grad eingestellt, im Zimmer hatte es 28. Was tun? Wir griffen schliesslich zum radikalsten aller Mittel und öffneten das Fenster.


Sonntag, 20. Oktober 2019

Japan

Wie kann man das bloss schlecht finden, wenn Züge pünktlich fahren, wenn sie vom angekündigten Gleis abfahren und nicht "heute vom Gleis gegenüber", wenn man in der U-Bahn seine Habseligkeiten nicht krampfhaft festhalten muss, damit sie einem nicht gestohlen werden, wenn niemand bettelt, auch nicht für irgendwelche Wohltätigkeiten, wenn die Strassen sauber sind und nirgendwo Graffiti ist, wie kann man das bloss schlecht finden? Während unser Flugzeug für den Weiterflug nach Seoul losfuhr, standen fünf oder sechs Rollfeldarbeiter in einer Reihe und verbeugten sich zum Abschied. Die Damen vom Check-In-Schalter hatten sich ebenfalls vor den Kunden verbeugt, bevor sie ihre Arbeit aufnahmen. 

Dienstag, 15. Oktober 2019

Japan

Ich gerate in den Rückstand! Also, vorgestern: Wir fuhren zur Uni, wo mein Gatte den Vortrag hätte halten sollen, wenn nicht der Taifun in den Weg gekommen wäre. Unser U-Bahn-Experte holte uns ab. Er ist ein sehr lieber Mensch und kümmert sich rührend um uns. Der Campus liegt etwas ausserhalb. Tokio ist riesig. Eineinhalb Stunden Anfahrt für die Studenten sind nicht ungewöhnlich, manche fahren sogar zwei Stunden, wurde uns gesagt. Um ein Haar hätte man wieder von der Bahn aus ganz kurz den Fujiyama sehen können. Ich glaube, ich habe ihn sogar gesehen. Obendrauf war kein Schnee. "Ist es dieser Berg? Ist es dieser Berg?" rief ich aufgeregt und versuchte ein Foto zu machen, was mir natürlich nicht gelang, "Ja," sagte unser Begleiter von der Uni, aber ich habe mittlerweile festgestellt, dass der Japaner zum Ja-Sagen neigt, egal, was die richtige Antwort ist (das kann problematisch sein, wenn man zum Beispiel fragt: "Ist das die richtige Bahn?" Das ist uns gestern passiert. Dazu später mehr (hoffentlich)). 
Nach unserer Ankunft assen wir erstmal gut und reichlich zu mittag, dann wurde uns die Universität gezeigt. Was einem vor allem auffällt: Wie sauber und gepflegt hier alles ist. In der Uni glänzt der Boden... sogar in der U-Bahn glänzt der Boden, nirgendwo Müll, kein Graffiti. Der Professor zeigte uns auch den Saal, in dem mein Gatte den Vortrag gehalten hätte, wenn der Taifun nicht gekommen wäre, und führte uns die wunderbare Akustik vor, indem er Chormusik -vom Band, hätte ich fast geschrieben, hahaha - indem er Chormusik irgendwie laufen liess. "Diese Musik erinnert mich an einen Chor, den ich vor fast zwanzig Jahren in Salamanca gehört habe," sagte ich. "Das eine Lied war so schön, dass ich mich bis heute daran erinnere. Es hiess "Furusato"," sagte ich. "War es dieses?" sagte der Herr und spielte es ab. Er war damals der Dirigent gewesen. Die Welt ist echt ein Dorf. Ich bin diesem japanischen Herrn vor fast zwanzig Jahren schon einmal in Spanien über den Weg gelaufen. Hier könnt Ihr das Lied hören: Furusato. Furusato heisst kleines Dorf. Das ist doch für ihn als Hobby-Dirigent ein Riesenkompliment, oder? Dass sich jemand zwanzig Jahre später noch an seinen Auftritt erinnert?
Wie ging es weiter? Nachdem wir die Uni gesehen hatten, sollten wir mit N. in ihrem Auto zu einem Restaurant zu einem ganz besonderen Abendessen fahren. Ich hatte das Mittagessen noch nicht verdaut. "Mein Auto ist sehr klein," entschuldigte sie sich. "Na, so klein wird es schon nicht sein," sagte mein Gatte. Eine Weile später fing sie wieder an: "Mein Auto ist sehr, sehr klein." "Wir werden sicher reinpassen," entgegnete mein Gatte. Eine Viertelstunde später: "Mein Auto ist wirklich ganz, ganz klein, es ist nur wenig grösser als ein Spielzeugauto." Mein Gatte tröstete sie wieder. Ich sagte leise zu ihm: "Es gibt doch da sicher gewisse Normen, ein Auto darf doch sicher gar nicht kleiner als x sein." Ich stellte mir vor, wie wir aneinander gepresst mit gebeugtem Kopf, gekrümmtem Rücken und angezogenen Knien in diesem Winzling sitzen würden. Es stellte sich dann heraus, dass es sich um einen ganz normalen Kleinwagen handelte.
Wir fuhren dann also zu diesem Restaurant... der Garten war unfassbar schön. Ich habe zig Fotos gemacht, wenn wir wieder zuhause sind, lade ich ein paar hoch. Alles, was man sich in seinen Träumen von japanischen Gärten ausmalt, gemixt mit einer gehörigen Portion "cozy places", hier war es. Dazu ein paar mega-niedliche kleine Mädchen in Kimonos... "cute" ist ein englisches Wort, das die Japanerinnen beherrschen, auch wenn sie sonst kein Englisch können.
Wir hatten einen eigenen, mit Papiertüren abgetrennten Raum, wo uns ein Gang nach dem anderen serviert wurde und alles war so herrlich angerichtet, in kleinen Schüsselchen, Döschen mit Deckel, Schälchen, und so lecker. Es war ein kulinarisches Erlebnis.
Anschliessend fuhr uns N. wieder in ihrem Kleinwagen zum Bahnhof. Alles gut.
Gestern machten mein Gatte und ich einen Ausflug nach Kamakura. Wir fuhren mit der JR-Line und stiegen in Kita-Kamakura aus, das war richtig. Wir schauten uns drei Tempel an, die dort im Wald stehen.
Diese Tempel in japanischen Gärten sind so schön. Sie strahlen eine grosse Ruhe aus, insbesondere nach der Hektik der Stadt. Echt zen. Das eine war, wenn ich mich recht erinnere, sogar tatsächlich ein Zen-Kloster. Ich werde zum gegebenen Zeitpunkt ein paar Fotos hochladen. Nach dem dritten Kloster stand noch eine riesige Buddha-Statue in einem Ort in der Nähe auf dem Programm. Dafür musste man zuerst in den Ort Kamakura gelangen und dann von dort weiter mit einem anderen Bus. Wir trafen auf drei Spanier mit einem Privatführer, der sie fragte, ob sie ins Dorf laufen oder mit dem Bus fahren wollten, zu Fuss seien es zehn Minuten. Die Spanier entscheiden sich für das Zu-Fuss-Gehen. Wir hatten aber vorher sagen hören, dass es eine halbe Stunde Fussmarsch war und weil man ja zum Buddha auch noch ein Stück laufen musste, entschieden wir uns für den Bus. An der Haltestelle war natürlich alles auf japanisch beschriftet. Wir versuchten uns mit der App, die Bilder übersetzt, zu behelfen. Inzwischen kam eine Frau, die auch mit dem Bus fahren wollte. Sie konnte kein Wort Englisch. Sie war trotzdem bereit, sich mit uns mit Händen und Füssen zu verständigen und zu beratschlagen, ob der nächste Bus wohl bald käme und für uns der richtige wäre. Wir haben bisher noch kein Mal Google Translate verwendet. Es ging immer auch so. Die Japaner sind ziemlich gutwillig, das muss man ihnen lassen.
Wir stiegen also in den nächsten Bus und es war der richtige, er fuhr nach Kamakura, und wir hatten Glück, dass wir nicht gelaufen waren, die Strecke war nämlich viel länger als gedacht.
Beim Aussteigen hatte ich ein schönes Erlebnis: Ich liess einer sehr alten Frau von dieser gekrümmten, o-beinigen Sorte, von dieser von einem langen Leben gebeugten japanischen Sorte den Vortritt und sagte dazu:  "Hai doso". Das hatte ich am Tag zuvor gelernt. Es bedeutet "Nach Ihnen". Das fand sie derartig witzig, noch im Weitergehen draussen lachte sie. Seitdem nutze ich jede sich bietende Gelegenheit, um mein "Hai doso" (stimmhaftes s, die o's ein bisschen wie ö's) an den Mann zu bringen.
Es stellte sich heraus, dass Kamakura ein durch und durch touristisches Dorf ist, mit einem Laden am anderen und dazwischen massenhaft Fressbuden. Da wir mittlerweile ziemlichen Hunger hatten, wagten wir uns in eines dieser Restaurants mit Laufband mit Sushi-Tellerchen. Fotos und Erläuterungen folgen (hoffentlich). Wir hatten uns erst nicht hineingetraut. Ausserhalb von Tokio sprechen die Leute anscheinend kein Englisch. Wie sollten wir denn wissen, wie wir uns verhalten  und zu unserem Essen kommen sollen? Die Leute hier sind super hilfreich, man braucht gar keine Bedenken haben. Alles klappte wunderbar.
Draussen, vor einem Süsswarenstand war eine lange Schlange junger Menschen. Wir reihten uns ein und kauften uns zum Nachtisch auch das, was alle begehrten (Stäbchen, auf denen Kügelchen aus dieser Reispuddingmasse steckten). Dann stellte sich die Frage: Zum Grossen Buddha (11 Meter soundsoviel hoch, glaube ich) oder den Zug zurück nach Tokio nehmen und in Yokohama aussteigen und diese Stadt anschauen? Da unser religiöser und spiritueller Bedarf für den Tag gedeckt war, entschieden wir uns für die Yokohama-Variante. Da der Tag nur vierundzwanzig Stunden hat, hatten wir dort nicht so viel Zeit. Wir verliessen den Bahnhof durch das sehr grosszügig gebaute Nissan-Gebäude, in dem Autos und Motoren usw. vorgestellt wurden. (War das wirklich Nissan? Kann auch eine andere Automarke gewesen sein.) Wir gelangten in ein supermodernes, sorgfältig gebautes Stadtviertel mit tiefergelegten Strassen, bzw. höher gelegten Fussgängerwegen, vielen tollen Geschäften, schicken Hochhäusern, Cafés, einem grossen Museum. Also, die Gegend, Minato Mirai 21, sah seeehr einladend ein für jemanden, der gezwungen ist, in einer Grossstadt zu leben bzw. der dies freiwillig möchte. Wir liefen immer gerade aus und gelangten zu einem Vergnügungsviertel, das wie ein Rummelplatz war. Dort gab es auch ein riesiges, riesiges, riesiges Riesenrad. Ich habe gerade nachgeschaut: Es ist das grösste der Welt und 112 Meter hoch. In der Mitte ist eine digitale Zeitanzeige angebracht. Eine Umdrehung dauert 15 Minuten und kostet umgerechnet 7,20 Euro (800 Yen). Wir sind in Japan, Leute, wer hätte das gedacht??? Wir fuhren also eine Runde Riesenrad und machten uns dann auf den Weg zurück zum Bahnhof und in unser Hotel in Tokio. Morgen geht es weiter mit meiner Erzählung vom heutigen Tag (morgens Stadtrundfahrt, nachmittags hat mein Gatte endlich einen Vortrag gehalten, anschliessend Abendessen mit der Truppe vom Vortrag. Waaasss? wurden wir gefragt. Ihr habt den Grossen Buddha nicht gesehen? Was, ihr habt die Chinatown von Yokohama nicht gesehen? Und in Kyoto nicht den silbernen und den goldenen Buddha??? Nööö, haben wir alles nicht gesehen. Haben wir nicht geschafft in der Zeit, die uns zur Verfügung stand, wir sind aber trotzdem mit unserer Reise bisher voll zufrieden.). Leute, wir sind in Japan, wer hätte das gedacht???

Samstag, 12. Oktober 2019

Der Bambushain von Kyoto und der Taifun in Tokio

Also, wir sind wieder in Tokio (Samstag, 12. Oktober 2019) und es scheint als wären wir den ganzen Tag an unser Hotelzimmer gefesselt, ein Taifun ist nämlich über uns. Er steuert ja schon seit Tagen auf die Stadt zu und es sieht nach einem "direct hit" aus. Gestern abend, als wir von Kyoto zurückkamen, regnete es schon leicht. Als wir heute früh aufwachten (kein Jetlag mehr, juhuu), regnete es, nach einer Weile regnete es stärker. Vorhin waren wir unten in der Hotellobby, in der sich viele Leute befanden. Klar, heute kann man nichts unternehmen. Mein Gatte und ich überlegten uns, irgendwo hinzugehen, zum Beispiel in das Kaufhaus Tokyu Hands, das uns empfohlen wurde und das ungefähr zehn, fünfzehn Minuten Fussweg vom Hotel entfernt ist, aber es regnet schon ziemlich stark, also, Schuhe und lange Hosen wären sofort nass. Wir schauten einer Familie zu, die das Hotel verliess, es sah nicht sehr ratsam aus. Ausserdem soll das Wetter im Laufe des Tages ja schlechter werden. Die Züge stehen jetzt schon still, der Flughafen ist wohl auch dicht und am Mittag wird der Nahverkehr eingestellt. Gestern, auf dem Rückweg von Kyoto, deckten wir uns mit Essen und Wasser für den ganzen heutigen Tag ein. Der Laden auf dem Bahnhof, in dem wir kauften, war komplett voll, es waren soviele Menschen drin, wie nur reinpassten. Man stand quasi gleich nach Betreten des Ladens für die Kasse an. Aber alle Regale waren voll, alles funktionierte wunderbar. Vor den Japanern kann man echt den Hut ziehen. Unsere Minibar ist voll mit Bento-Boxen mit unidentifizierbarem Inhalt (was wir uns eben im Laden schnappen konnten), mit japanischen Sandwiches und Wasser. Zum Frühstück hatten wir uns fertigen Milchkaffee mitgenommen, das war eine ziemlich süsse Angelegenheit. (Klar hätten wir auch im Hotel frühstücken können, aber das hätte 2000 Yen gekostet, das sind, glaube ich, 18 Euro und wir sind keine grossen Frühstücker. Da hätten wir uns gezwungen gesehen, uns vollzustopfen, bloss weil wir bezahlt haben. Das ist nichts für uns.) Jetzt ist es elf Uhr zwanzig und es regnet.
Ich erzähle Euch von gestern, vom Bambushain von Arashiyama. Laut Lonely Planet gehört er zu den 500 sehenswürdigsten Sehenswürdigkeiten der Erde. Naja, echt? Echt? Ts. Zu erst einmal: Das "Wäldchen" ist ziemlich klein, scheint mir. Definitiv kleiner als ein Quadratkilometer. Dieser berühmte Weg ist vielleicht zweihundert Meter lang. Okay, sollen es mal dreihundert sein. Was man auf dem Foto im Internet sieht -es scheint nur eins zu geben - ist alles, was man sieht. Mehr gibt es nicht. Was soll denn an diesen hohen Bambusstangen so besonderes sein? In Kolumbien haben wir auch Bambushaine gesehen. Hapert es anderswo am Marketing? Der kurze Weg (das, was man auf dem Foto sieht, ist wirklich!!! alles) ist voller Touristen aus aller Welt. Falls Ihr in Kyoto seid und es nicht dorthin schafft... das macht ü-ber-haupt nichts. Ich bin aber doch froh, dass wir diese Sehenswürdigkeit abgehakt haben. Und das ist ja auch ein Ziel des Reisens, nicht wahr? Sehenswürdigkeiten abhaken, Lonely Planet-Empfehlungen abhaken. Wenn man gegen die Bambusstämme klopft, klingen sie überraschenderweise als wären sie aus Metall.
Neben dem Bambushain ist noch ein Tempel, der zum Weltkulturerbe zählt, den schauten wir uns auch an. Er ist ein normaler japanischer Tempel mit einem wunderschönen Garten. Statt Rasen war der Boden mit Moos bedeckt. Nirgendwo ein Unkraut. Alles perfekt zugeschnitten. Hier haben wir gesehen, wie sie diese Perfektion erreichen: Auf engem Raum (20 Quadratmeter) sassen vier Männer im Schneidersitz auf dem Boden und zupften (unter Zuhilfenahme eines Mikroskops, Spässle) Unkraut. Drei Männer schnitten Nadelbäume, aber die sägten da nicht Äste ab, wie man das bei uns machen würde, sondern sie entfernten kleine Triebe, die nicht in die gewünschte Richtung wuchsen. So geht das. Und dementsprechend sieht es dann halt auch aus.
Anschliessend fuhren wir zurück in die Stadt, gingen noch ein bisschen in der Gegend um den Bahnhof spazieren und nahmen dann den Shinkansen zurück nach Tokio. Das Gute ist, dass es hier überall auf den Bahnhöfen Schliessfächer gibt, wo man sein Gepäck lassen kann, während man zum Beispiel durch den Bambushain spaziert.
Das Wetter um 13 Uhr: Es regnet stark, aber es ist kein Starkregen.
Ich erzähle Euch noch ein paar andere Sachen, die mir hier aufgefallen sind: Ach ne, das Wichtigste zuerst, schon am Flughafen haben uns entsprechende Werbeplakate gegrüsst: Die Toiletten, die einem Wasser an den Popo spritzen. Ich gestehe Euch ganz ehrlich, ich habe sie noch nicht ausprobiert. Mein Gatte hat das Klo im Hotel ausprobiert und dabei Folgendes erlebt: Zuerst war der Strahl zu schwach und erreichte seinen Popo gar nicht. Dann stellte er ihn stärker und er war zu stark, unangenehm stark, und er wusste nicht, wie man ihn wieder schwächer stellt und er wagte nicht, aufzustehen und genau zu gucken, weil er Angst hatte, dass die Fontäne im ganzen Bad herumspritzen würde (ich hatte meinen Kulturbeutel vorsichtshalber in Sicherheit gebracht), also blieb er sitzen und hielt aus, bis das Spektakel vorbei war. Danach hat er das Ding nicht mehr benutzt. Da wir, wie bereits gesagt, heute den ganzen Tag im Hotel verbringen müssen, probiere ich es nachher vielleicht auch einmal. Das Klo hat selbstverständlich noch viele weitere Features. Die Brille ist zum Beispiel immer vorgeheizt. Ich finde das unangenehm. Es ist nämlich echt als wäre gerade jemand aufgestanden und die Brille wäre noch warm vom Vorbenutzer. Ich mag das gar nicht, wenn mein Popo beheizt wird, ich mag auch keine Sitzheizung im Auto.
Auch aufgefallen ist mir, wie weiss die Haut der Frauen ist. Die bemühen sich wirklich, dass kein Sonnenstrahl an sie kommt. Die Kinder sind schön braun, die Männer sind dunkler als die Frauen, daran sieht man, dass sie eigentlich dieselbe Hautfarbe haben wie Mitteleuropäer, aber sie lieben eben diesen schneeweissen Hautton. Dann ist auch auffällig wie schlank sie sind. Die jungen Mädchen mit ihren langen Röcken oder sehr weiten Hosen, ihren hübschen Blusen, das ist schon chic. Die meisten Männer tragen schwarze oder dunkelblaue Hosen und weisse oder hellblaue Hemden. Sie sehen eleganter aus als wir.
Was noch? Sie futtern nicht auf der Strasse und tragen keine Kaffeebecher und Wasserflaschen mit sich herum. Das trägt auch zu einem schöneren Strassenbild bei.
Überall sieht man Schulkinder auf Klassenausflügen. Manche Schulen haben Uniformen, andere nicht. Gruppen von kleinen Kindern haben immer gleichfarbige Mützen auf, das finde ich praktisch, das erleichtert den Lehrern die Arbeit doch erheblich. Wenn da eine weinrote Mütze irgendwo abseits steht, weiss der Lehrer gleich: Aha, das ist einer oder eine von meinen. Überhaupt, praktisch, das ist ein Wort, das ich stark mit Japan verbinden würde. Wir haben ein ziemlich altes Buch, es ist vielleicht so zwanzig Jahre alt, das sich über japanische Gimmicks lustig macht. Zum Beispiel ein Haarezurückhalter für wenn man Ramennudelsuppe isst oder ein Regenschirm, dessen Rand bis zum Boden reicht, oder ein Strampelanzug für Babys mit Polierelementen, damit sie beim Krabbeln gleich das Parkett zum Glänzen bringen. Wir sind erst seit wenigen Tagen hier, aber schon hat sich mein Blick auf dieses Buch geändert: Es sind die Japaner, die sich über sich selbst lustig machen und über ihren Drang, zu verbessern, zu erfinden, das Leben leichter und angenehmer zu machen.
Was ist mir noch aufgefallen? Ach ja, das ist mir schon auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel aufgefallen: Wie sie ihre Wäsche trocknen. Vor dem Haus, möglichst gut sichtbar, auf festen Stangen. Hemden werden ordentlich auf Bügel gehängt und kommen auf diese Stangen vor dem Haus bzw. auf dem Balkon.
Leute, es regnet immer noch stark. Zwischen sechs und neun Uhr heute abend soll der Taifun am stärksten werden. Es bleibt spannend.

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Kyoto - so viel, so viel, so viel, so viel

Gestern kamen wir mit dem Shinkansen, dem superschnellen Bullet-Train hier in Kyoto an. Wir hatten unser Hotel in Tokio 2 Stunden vor Abfahrt des Zuges verlassen und für alle Eventualitäten geplant, aber dann war der Weg völlig problemlos. Dadurch, dass wir uns nicht auskennen, sind wir ja gezwungen, genau aufzupassen und auf die Streckenkarte zu schauen, die Streckenkarte, die wir am Tag zuvor nur sehnsüchtig aus der Ferne betrachten durften. Abfahrtsgleis auf Anhieb gefunden, folglich viel zu früh dort gewesen, in Ruhe gefrühstückt, Leute beobachtet, durch den Bahnhof flaniert. Dann ging es los im Shinkansen. Ich weiss echt nicht, ob er sooo viel schneller ist als ein ICE. Er ist allerdings pünktlich. Alle in Japan verkehrenden Hochgeschwindigkeitszüge ZUSAMMEN haben an einem Tag nicht mehr als fünf Minuten Verspätung. Man kann praktisch die Uhr nach ihnen stellen. Die Züge sind auch super sauber, der Boden glänzt. Als der Zug kam, gingen erst einmal drei Personen in jeden Wagen und reinigten ihn. Ts.
Wenn man auf der rechten Seite sitzt, hat man auf 25 Prozent aller Fahrten 44 Minuten nach der Abfahrt in Tokio einen Blick auf den Fujiyama. Uns war das leider nicht vergönnt. Auf der Rückfahrt morgen werden wir den Berg sicher auch nicht sehen, denn es ist ein schlimmer Taifun angekündigt. Später mehr darüber (oder jetzt gleich: Wir sind in Japan, weil mein Gatte hier Vorträge hält bzw. halten soll, der erste am Samstag ist nämlich wegen des Taifuns abgesagt).
Okay, weiter. Nach einer angenehmen Fahrt kamen wir in Kyoto an. Wir nahmen ein Taxi und fuhren zu unserem Hotel. Der Taxifahrer war derartig mürrisch, dass es schon fast lustig war. Unser Zimmer war noch nicht fertig, also gingen wir erstmal etwas essen. Gut, dass hier alle Speisekarten bebildert sind. Mit unserem Hotel sind wir zufrieden. Im ersten Moment befürchtete ich, es sei etwas abgelegen, aber das stimmt nicht. Die Sehenswürdigkeiten hier liegen einfach ziemlich weit auseinander und es ist unmöglich, an allen nahe dran zu sein. 
Wir machten einen Spaziergang zum kaiserlichen Garten und zum Shimogamo-Schrein und erkundeten ein bisschen die Gegend. Am Abend planten wir den heutigen Tag (ein bisschen). Ich schreibe mir zuhause oder vorher auf, was ich alles sehen will, aber wenn ich nicht vor Ort bin und mir überhaupt gar nicht vorstellen kann, wie es irgendwo ist, fällt es mir schwer zu planen. Ich weiss, andere Leute planen alles bis ins kleinste Detail, ich kann mir nicht erklären, wie sie das machen, wenn sie doch keine Ahnung haben, was sie erwartet. Ausserdem ist es doch heutzutage durch das Internet so einfach spontan zu sehen, wie man von A nach B kommt und so weiter. Das Smartphone ist doch ein absolutes Wunderkästchen. Heute, zum Beispiel: Als erstes schauten wir uns die Nijojo-Burg an, die sich in Laufweite von unserem Hotel befindet. Google wies uns den Weg. Die Burg ist sehr schön, sehr japanisch, ein Burggraben (das ganze mitten in der Stadt), eine hohe weisse Mauer, Gebäude mit geschwungenen Dächern, Tatami-Böden, Fenstern aus Papier, goldene Wandmalereien... drinnen waren massenhaft Schulkinder. Die japanischen Kinder sind so hübsch. "Wir nehmen uns eins mit", sagte ich zu meinem Gatten (im Scherz, Angelina Jolie hätte es wirklich gemacht). Der Garten der Burg ist auch sehr schön, der erste nach unserem Empfinden richtig japanische Garten, den wir sahen. 
Die nächste Sehenswürdigkeit, die wir uns anschauen wollten, war der Kiyomizu-dera Tempel auf der anderen Seite der Stadt. Wie sollten wir da hinkommen? Der Google-Wegsucher ist da so unglaublich hilfreich. Er findet ja von allein wo man ist, man gibt nur ein, wo man hin will und wie, in unserem Fall mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Google kennt sämtliche Busrouten in Kyoto und... es ist einfach unfassbar. Auch die kühnsten Erwartungen werden von Google spielend und um Lichtjahre übertroffen. 
Wir fuhren also mit dem Bus möglichst nah an den Berg, auf dem die Tempelanlage steht. Man muss  ein bisschen bergauf laufen. Google hatte gemeint, wir würden zehn Minuten brauchen, wie lang wir tatsächlich brauchten, weiss ich nicht mehr, denn rechts und links gab es massenhaft Geschäfte und Büdchen und der Weg war auch nicht sooo steil. Dann kam der Tempel und da waren wieder die Täfelchen... ich lese gern, um was die Leute so bitten. Das meiste war natürlich auf Japanisch oder Chinesisch, ein paar chinesische Täfelchen waren durchgestrichen. Wir konnten dann vermuten, wieso, denn auf ein paar von den durchgestrichenen stand auf Englisch noch "Free Hongkong". Traurig. Ein (sicher australisches) Mädchen hatte geschrieben: "Bitte mache, dass ich bei der Augenoptiker-Schule der Universität von Sidney angenommen werde". Also wirklich, wenn ein Mädchen einen einzigen Wunsch hat und der ist es, Augenoptikerin zu werden, dann hat sie doch eine Berufung, dann sollte sie man doch auch lassen. Hoffentlich klappt das mit ihrer Bewerbung!
Also, hinein in den Tempel. Dort gab es eine ziemlich interessante Sache, nämlich einen absolut dunklen Bereich... Also, er sollte die Gebärmutter irgendeiner Göttin darstellen... Also, man zog seine Schuhe aus, ging eine Treppe hinunter, unten war es absolut dunkel, man sah nichts. Ich war noch nie zuvor in einem völlig dunklen Raum gewesen. Links war eine Art dicke Perlenkette an der Wand angebracht, an der man sich entlang tasten sollte. Da man eh gar nichts sah, schloss ich die Augen. Der Boden war aus nacktem Stein. Während mein Gatte und ich unten waren, war sonst niemand da, obwohl die Tempelanlage voller Menschen war, z.B. auch viele Mädchen in Kimonos, ich weiss echt gar nicht, wie ich das alles erzählen soll. Aber zurück in die Gebärmutter bzw. den absolut dunklen Raum. Wir tasteten uns an dieser Kette entlang, der Weg hatte mehrere Biegungen, es war sehr seltsam. Dann gelangte man an einen Stein, gross, rund, flach, der so gelagert war, dass man ihn drehen konnte. Der Stein war beleuchtet. Während des Drehens sollte man gedanklich einen Wunsch formulieren. Dann ging es kurz in der Dunkelheit weiter, dann gelangte man an eine Treppe und stieg wieder nach oben.
Falls jemand, der nach Kyoto fährt, diese Zeilen liest: Unbedingt runter gehen, es war eine ganz, ganz tolle Erfahrung (mehr will ich dazu nicht sagen). 
Im Tempel hatte man dann noch Gelegenheit, mit einem Klöppel, gross wie ein Baseballschläger, an eine riesige Klangschale zu klopfen. Was dabei faszinierend war: Man versetzte nicht nur die Schale in Schwingungen, sondern auch die Luft drum herum. So viele neue Eindrücke! 
Weiter ging es durch die Tempelanlagen und den Berg wieder hinunter - und wieder ein Stück hinauf und hin und her. (Für meinen jüngsten Sohn, der weiss, wovon ich hier spreche: Wir kamen durch diese Strasse, die bei den CozyPlaces von Reddit abgebildet war, mit den Holzhäusern und den Lichtern. Es soll die schönste Strasse von Kyoto sein. Es waren allerdings viele fotografierende Touristen da und die Lichter waren logischerweise aus.)
Weil es mittlerweile ziemlich spät war, landeten wir zum Mittagessen wieder in einem Nudelschuppen. Ramen kommen mir mittlerweile zu den Ohren heraus.
Mit Hilfe von Google machten wir uns anschliessend auf den Weg zur Shijo-Street (hoffentlich heisst sie wirklich so, hab jetzt keine Lust nachzugucken. Mein Gatte schläft, die Schreibzeit geht von meinem Nachtschlaf ab.) Also, in der Gegend von der Shijo-Street sind viele grosse Kaufhäuser und so. Wir gingen dann noch in die riesigen Einkaufspassagen in derselben Gegend (ich weiss, ich verwende das Wort "riesig" zu oft, aber was soll ich denn machen, wenn alles riesig ist???), die waren ebenfalls sehr interessant. Dann war da auch noch ein Lebensmittelmarkt, der Nishiki hiess, riesig, interessant, viele Touristen. Lebensmittel sind hier ganz schön teuer, insbesondere Obst und Gemüse, ein Schälchen Trauben 8 Euro, zum Beispiel.
Dann fuhren wir mit der U-Bahn zum Hbf, Google sei Dank, und reservierten uns Sitzplätze im Zug morgen zurück nach Tokio. Der Typ, der uns am Schalter bediente, sprach Spanisch, ts, verstand es aber nicht, hä? Morgen fährt der Shinkansen noch, übermorgen ruht wahrscheinlich der gesamte Verkehr, denn dann soll dieser Taifun auf Tokio treffen. Womöglich können wir dann nicht einmal unser Hotel verlassen. Mein Gatte hatte die gute Idee, dass wir uns darauf vorbereiten sollten, dass wir zum Beispiel Essen in unserem Zimmer haben sollten, denn es kann sein, dass der Strom ausfällt. Vielleicht wäre für diesen Fall auch eine Taschenlampe keine schlechte Idee. Es bleibt spannend. Ach ja, Geishas haben wir heute auch gesehen. Es gäbe noch so viel zu erzählen...

Dienstag, 8. Oktober 2019

Wir sind wo - und zwar in Japan

Rasch nur dies: Ja, liebe Leser, wir sind wo, und zwar in Tokio. Gestern sind wir angekommen. Die Eindrücke sind überwältigend. Es fällt mir schwer, etwas zu schreiben. Wir haben schon so allerhand gesehen.  Wir kamen gegen 11.30 Uhr an, das Hotelzimmer war aber erst ab 14 Uhr frei, also gingen wir erst einmal etwas essen. Nah beim Hotel ist ein Viertel mit vielen Kneipen, dort gingen wir in einen Ramen-"Schuppen", will ich mal sagen. Wir schafften es, uns verständlich zu machen, obwohl der Kellner kein Englisch sprach. Die Speisekarten sind bebildert. Es sprechen auch überraschend viele Leute Englisch, bisher hatten wir noch keine Verständigungsprobleme.
Dann stiessen unsere Freunde M. und H., die hier seit vielen Jahren bzw. schon immer leben,  zu uns und gemeinsam gingen wir zum riesigen Gebäude der Verwaltung von Tokio. Man kann kostenlos mit dem Aufzug hochfahren, was wir taten. Von oben hat meine eine super Aussicht und sieht, wie riesig Tokio doch ist (die Metropol-Region hat 38 Millionen Einwohner!). Ganz im Hintergrund sah man mit viel gutem Willen den Fujiyama. Geil! Wir blieben oben während es dunkel wurde (so gegen achtzehn Uhr) und schauten zu, wie die Lichter angingen. Tokio von oben sieht nicht megatoll und beeindruckend aus, es ist einfach nur flächenmässig riesig. 
Anschliessend gingen wir zum Abendessen in das Viertel Kabukichi (oder so ähnlich, ich werde es nachschauen und ggf. berichtigen). H. bestellte viel leckeres japanisches Zeug. Mmmmm. Auf einem Hochhaus war eine lebensgrosse Godzillafigur angebracht, mit rotglühenden Augen, die um die volle Stunde "Feuer" spie. Auch geil!
Danach gingen wir in unser Hotel. Ich schlief gleich ein, da war es so 23 Uhr.  Um 1.30 Uhr war ich hell wach und schlief erst um 4.30 Uhr wieder ein. Jetlag! Hoffentlich wiederholt sich das heute Nacht nicht!
Was haben wir heute gemacht? Heute hat uns M.s Bruder begleitet, der hier lebt und sich auskennt. Für unsere Besichtigungen mussten wir jeweils mit der U-Bahn fahren, wir hatten eine Tageskarte. Wir sassen je-des-mal in der falschen Bahn. Wir eilten stundenlang durch die wahrscheinlich endlosen U-Bahnhöfe und kamen dabei gelegentlich an derselben Stelle zwei-, wenn nicht gar dreimal vorbei. Für das Herumirren und das In-falschen-Bahnen-sitzen ging ganz schön viel Zeit drauf. Ich will da aber gar nichts sagen, immerhin ist Shinjuku, der Bahnhof, an dem unser Hotel steht, mit vier Millionen Personen pro Tag der Bahnhof mit dem grössten Fahrgästeaufkommen der Welt. 
Als erstes schauten wir uns heute einen buddhistischen Tempel an, den Asakusa-Schrein, der war sehr, sehr interessant. Auf dem Tempelgelände befanden sich zahllose Buden wie auf einem orientalischen Bazar. Mir fiel dazu eine alte Geschichte ein, auf die ich kurz verwies, die aber niemanden interessierte. 
Es war gerade ein buddhistisches Gebet im Gange, wie in dem Film "Erleuchtung garantiert", den ich mir zur Einstimmung auf die Reise mal wieder angeschaut hatte. Man konnte ein paar Münzen in so ein grill-artiges Ding schmeissen und beten, in dem man sich verbeugte, zweimal in die Hände klatschte (um die Aufmerksamkeit der Gottheit auf sich zu lenken, ich kenne mich da nicht so aus). Das buddhistische Psalmodieren ist dem Gebet ziemlich förderlich. Zum Abschluss verbeugt man sich wieder und geht. 
Danach fuhren wir zu den Omotesando-Hills, wo M. gerne spazieren geht. Es ist eine sehr gehobene, baumbestandene Einkaufsstrasse. Wir hatten es mittlerweile ein bisschen eilig, denn wir wollten noch den Meiji-Schrein anschauen, der um 16.30 Uhr zumachte.  Dieser schintoistische Tempel war auch recht interessant. Man konnte für umgerechnet vier Euro kleine Täfelchen kaufen und darauf Wünsche und Gebete schreiben (nicht gemacht). Unsere Freunde (mittlerweile war M. wieder zu uns gestossen)  zeigten uns ein von Deutschen beschriebenes Täfelchen, auf dem eine lange Liste von Wünschen aufgeführt war, stichpunktartig. Entweder sie wussten sehr genau, was sie wollten, oder sie hatten die Liste schon daheim vorbereitet. Der Schrein liegt in einem Park mit riesigen, uralten Bäumen, ganz verwunschen sieht er aus. Herrlich. Dann hatten wir wieder Zeit und gingen zurück in M.s Lieblingsstrasse, wo wir uns nun in Ruhe auch ein Geschäft mit japanischer Handwerkskunst anschauten. Dann gingen wir noch in ihr Lieblingscafé, das sehr vor- und angenehm war. Dort gab es einen Tee und eine Süssigkeit, also für jeden. Anschliessend fuhren wir zurück Richtung Hotel, irrten noch ein Weilchen durch den Shinjuku-Bahnhof und gingen dann hinauf in unser Zimmer. Morgen früh geht es mit dem Shinkansen, dem superschnellen Bullett-Train, nach Kioto! 

Donnerstag, 29. August 2019

Bayrischer Salatteller "Landgasthof"


Als Kinder fuhren wir in den Sommerferien immer nach Oberbayern in den Urlaub. Selbstverständlich musste man dort auch essen und wir taten dies häufig in typischen, urigen Landgasthöfen. Nach einem Tag am See und einem häufig langen Marsch zum Gasthof kamen wir ziemlich ausgehungert an und das erste, was einem serviert wurde - lange bevor die Nudelsuppe, die immer nach Maggi schrie, oder das Paprikagulasch mit buttergebackenen Spätzle auf dem Tisch erschienen - war ein gemischter Salat, ein gemischter Salat im Sinne von mehrere verschiedene Salate auf einem Teller, nicht im Sinne von alles durcheinander. Da war Kopf-, Gurken-, Tomaten- und Kartoffelsalat, da waren Gelberüben, Sellerie und rote Beete, da war krause Petersilie als Verzierung, und wenn meine Mutter dabei war, beklagte sie sich, dass Gelberüben, Sellerie und rote Beete nicht frisch waren, sondern aus dem Glas kamen und der Kartoffelsalat aus einem Eimer.
Wie dem auch sei, für mich war das der bayrische Salat schlechthin, Sinnbild für Ferien, Sommer, Sonne, See und die köstliche Abendluft im Voralpenland.
Und plötzlich, ganz plötzlich, standen da frische Salate mit gegrillten Garnelen, mit Mozzarella und Oliven auf der Speisekarte. Ich sage Euch, da brach für mich eine kleine Welt zusammen. Ich sehe es ja ein, der Kosmopolit möchte seine gegrillten Garnelen auch im bayrischen Landgasthof nicht missen und man will den Ureinwohnern die internationalen Genüsse nicht vorenthalten, aber für mich war es ein trauriges Ereignis. Eine Epoche ging zu enden. Ja, an solchen Kleinigkeiten mache ich das fest. 
Es ist schon mehr als vierzig Jahre her und komplett verdaut, also das traumatische Erlebnis, gegrillte Garnelen auf jener ehemals urbayrischen Speisekarte zu sehen, ist komplett verdaut, aber ich habe gestern doch noch einmal daran gedacht, an den Gelberübensalat und die roten Beete und den sauren Sellerie aus dem Glas und den Kartoffelsalat, und habe als kleine Hommage an jene Zeit selbst einen solchen historischen Salatteller zusammengestellt (da ich in Spanien bin, habe ich leider keinen Zugang zu Kartoffelsalat aus industrieller Fertigung und musste auf hausgemachten Kartoffelsalat ausweichen).

Samstag, 20. April 2019

Duolingo - Portugiesisch lernen

Ein rascher Zwischenbericht: Wie gesagt, ich mache den Duolingo-Kurs Portugiesisch. Ich habe 24395 EXP und ungefähr den halben Kurs gemacht. Letzte Woche  begleitete ich meinen Gatten für vier Tage auf eine Reise nach Oporto (Kongressvorbereitung!) und hatte damit Gelegenheit, meine Kenntnisse einmal am Mann bzw. an der Frau auszuprobieren. Duolingo hat in der Fachwelt keinen guten Ruf. Ich habe auch das Gefühl, in meinem Alter (55) schon an geistiger Frische eingebüßt zu haben, also, es fliegt einem nicht mehr alles so zu wie mit, sagen wir mal, zwanzig. 
Mit den Prämissen "Duolingo taugt nichts" und "Ich bin verblödet" machte ich mich also auf den Weg gen Westen (von uns aus ungefähr dreieinhalb Stunden mit dem Auto). Schon vor der Grenze suchten wir uns einen portugiesischen Sender. Radionachrichten sind ja normalerweise das erste, was man in einer Fremdsprache versteht bzw. erahnt: Brexit, Trump, Wetter, Fußball. Ich verstand nichts. Ja, das ganze Gelerne war umsonst gewesen. Im Hotel lief es dann gar nicht mal so schlecht, halb portugiesisch, halb spanisch. Lesen klappt so ziemlich tadellos (bei entsprechenden Spanischkenntnissen).
An den folgenden Tagen durfte ich feststellen: Wenn sie untereinander reden, die Portugiesen, verstehe ich sie gar nicht. Nuscheln ist hier Amtssprache. Wenn sie langsam und deutlich zu mir sprechen, verstehe ich sie - manchmal. Ein riesengroßes Erfolgserlebnis war zum Beispiel, als ich einmal allein im Zimmer war und das Telefon klingelte. Die Dame vom Empfang sagte: "Schauschouchschouchschsch agua schouchchchschau problema schouschauchchchchouschou cuarto." Ich interpretierte ihre Aussage dahingehend, dass sie mir mitteilen wollte, dass es in manchen Zimmern (cuartos) Probleme (problema) mit dem Wasser (agua) gab und antwortete: "Tudo bem em meu cuarto." Das heißt: "Alles in Ordnung in meinem Zimmer." Es hätte mich vor Stolz fast zerrissen!!!!! Wir sagten dann noch "obrigada", "danke", und "boa noite", "gute Nacht".  Meine erste Unterhaltung auf Portugiesisch! Auf dem Flur wurde laut geredet. Ich machte die Tür auf. Dort standen die Zimmermädchen: "Chchschauschou agua schschschou problema" sagten sie zu mir und ich brachte wieder mein "Tudo bem em meu cuarto" an. Diese Kleinigkeit hat mich echt glücklich gemacht.
Am nächsten Tag verirrte ich mich ein bisschen/hatte ich Gelegenheit "Wo ist der Bahnhof?", "Onde fica a estacão?" zu fragen und anhand der Gestik der Einheimischen, die mir antwortete, verstand ich, wie ich zum Bahnhof komme. Bestellen im Restaurant klappte gut, langsam gewann ich an Selbstvertrauen. Selbst sprechen ist viel einfacher als diese lieben Menschen zu verstehen. 
Im Restaurant fragte mich der Kellner, ob ich nach dem Essen einen Kaffee wollte und ich antwortete auf Portugiesisch: "Ja, aber nur wenig Kaffee und viel Milch." Aufgrund meines hübschen Satzes überschätzte er meine Kenntnisse völlig und antwortete: "Chchschouschauschou schschsch chch aischouschschou." Ich schaute ihn groß an und er lachte. Dann brachte er mir eine Tasse mit viel kalter Milch und wenig Kaffee. Was sich hinter seinem Wortschwall verborgen hatte, werde ich nie erfahren, ob sich zwischen den Schs und den Chchs und Aos und Ous wohl "leite quente", "warme Milch", oder "leite frio", "kalte Milch", versteckt hatten? Keine Ahnung.
Wie soll man es beschreiben? Ich konnte ganz schön viel sagen, viel mehr als ich erwartet hatte. Also, sehr viel mehr. Und sie freuen sich, wenn man sich die Mühe macht, ihre Sprache ein bisschen zu lernen und in ihrem Überschwang nuscheln sie hurtig los und dann versteht man sie eben nicht!!!  Also, bevor ich mich mit den Menschen dort unterhalten kann, ist noch arg viel zu tun.
Ebenfalls als Begleitperson eines Kongressvorbereiters war ein junger Mann dabei, den ich schon von früher kannte. Wir wollten beide am nächsten Tag die Stadt besichtigen und ich fragte ihn, ob wir das gegebenenfalls zusammen tun wollten und er antwortete ja. Wir verabredeten uns um eine bestimmte Uhrzeit am Bahnhof (a estacão!). Ich hatte vorher einen bekannten Markt besichtigen wollen, der aber wegen Renovierung/Restaurierung geschlossen war, er hatte die hunderttausend Stufen eines Kirchturms erklommen. Er hatte ganz richtig vermutet, dass ich da nicht hinaufsteigen wollen würde. Ich hatte vermutet, dass er den Markt auch nicht sehen wollte, damit hatte ich aber falsch gelegen. Wir trafen uns also im berühmten Kachel verzierten Bahnhof ("Onde fica a estacão?"). Ich musste ein bisschen warten und hörte in der Zeit einem Führer zu, der gerade in spanischer Sprache die frühe Geschichte Portugals erklärte. Ich weiß von portugiesischer Geschichte nichts, außer die Sache mit dem Erdbeben von Lissabon, die in jeder Hinsicht super interessant ist. Hier ein Link zum Wiki-Eintrag: Erdbeben Lissabon 1755
Ich wollte meinem Begleiter rasch zusammengefasst erzählen, was ich gerade gelernt hatte, aber das wusste er schon alles. Man hat ja als älterer Mensch ein bisschen Bedenken, jüngere Menschen zu langweilen oder zu nerven, aber es war wohl nicht der Fall, denn ich bot an, uns zu trennen, für den Fall, dass er lieber Jüngere-Menschen-Sachen machen wollte, aber er fragte mich, was denn bei einer Stadtbesichtigung Jüngere-Menschen-Sachen überhaupt sind, und wir gingen zusammen weiter und schauten die Kathedrale an und noch eine Kirche und quasselten die ganze Zeit, er hat nämlich eine ziemlich interessante Lebensgeschichte und einen interessanten Beruf und es störte ihn nicht, dass ich ihn ausquetschte. Ich wagte zu gestehen, dass ich mit Duolingo Portugiesisch lerne, das fand er gut. Er hielt seine Deutschkenntnisse damit auf dem Laufenden. Es stellte sich heraus, dass er so sieben Sprachen sehr gut spricht und dann noch ein paar nicht so gut, aber Leute, die mehrere Sprachen sehr gut sprechen, legen häufig hammerharte Maßstäbe an und verstehen unter "spreche ich nicht so gut" ein B2, was für nicht so sprachbegabte Menschen schon ein Riesenerfolg ist.
Er gab mir den Tipp, einen Kriminalroman auf portugiesisch zu lesen, zum Beispiel was von Agatha Christie, deren Werke hätte einen begrenzten Wortschatz. Am nächsten Tag, als wir alle zusammen unterwegs waren, gingen wir in den Buchladen, der J.K. Rowling als Inspiration für Harry Potter gedient hat (sie hat wohl eine Weile in Oporto gelebt). Mir geht dieser ganze Harry Potter-Kram komplett am Allerwertesten vorbei, aber der Vollständigkeit halber schauten wir uns halt diesen Laden an. Man muss 5 Euro Eintritt bezahlen, der wird einem dann aber auf Käufe angerechnet. Ich fragte nach einem Krimi von Agatha Christie oder irgend einem anderen spannenden Buch mit möglichst wenig unterschiedlichen Wörtern. Agatha Christie hatten sie nicht, die Verkäuferin empfahl mir ein Werk aus der Ripley-Serie von Patricia Highsmith, das ich kaufte. Die Verkäuferin lobte mich für meine Bemühungen und wies mich darauf hin, dass man nicht obrigadaaa (danke) sagte, sondern obrigaddd. Schwierig.
Also, der Tipp mit dem Krimi war super gut. Ich lese jeden Tag ein paar Seiten und schreibe mir pro Seite zwei oder drei neue Wörter auf. Das Problem ist halt: die Aussprache und das Hörverständnis bessern sich dadurch nicht. Bei uns in der Siedlung gibt es eine portugiesische Putzfrau, die ich gefragt habe, ob sie bereit wäre, mir Unterricht in ihrer Muttersprache zu geben. Sie wehrte heftig ab, weil sie über keine entsprechende Bildung verfügt. Ich sagte, das ist vollkommen egal, ich weiß ja, was ich von ihr lernen will, sie muss keinen Unterricht vorbereiten und nix. Ich komme zum Beispiel mit meinem Krimi und sie liest einen Satz vor und ich spreche ihn möglichst korrekt nach usw. Sie bot an, mich zum Kaffee einzuladen und mit mir portugiesisch zu sprechen. Ich habe schon ein paar Mal (oft) versucht, sie anzurufen, aber sie geht nie dran. Mein Gatte meint, sie geht nicht dran, weil sie weiß, dass ich das bin, hahaha. Es ist doch für sie angenehmer, mit mir einen Krimi zu lesen als irgendwo zu putzen, oder? Ich meine, als Zubrot, ne? Ich werde Euch auf dem Laufenden halten.
Zur Verbesserung des Hörverständnisses, das immer noch irgendwo um den Nullpunkt tümpelt (nur gut, dass unter Null gar nicht geht, haha), schaue ich mir auf Netflix die brasilianische Serie "3%" an, die ziemlich gut ist. Ich lese die Untertitel, das klappt ganz gut. Man lernt auch viele böse Wörter. Mein Plan: Zweimal die komplette Serie (18 Folgen) mit Untertitel lesen anschauen, dann versuchen, langsam von den Untertiteln wegzukommen. Wenn man Spanisch kann und ein bisschen Portugiesisch und sich das eine oder andere Wort im Wörterbuch sucht, sind die Untertitel gut verständlich. Wie Ihr seht, nehme ich die Sache mit dem Portugiesischen ziemlich ernst.
Beim Duolingo bleibe ich vorerst dabei, denn es zwingt einen zu Disziplin, weil man ja seine Serie  (Tage am Stück, an denen man gelernt hat) nicht verlieren will. Außerdem gibt es auch Clubs und Foren, das ist ziemlich interessant. Zum Beispiel nachdem dieser Stromausfall in Venezuela gewesen war, vor ein paar Wochen, verloren alle venezolanischen Teilnehmer ihre Serie (weil sie ja wegen des Stromausfalls nicht lernen konnten) und sie jammerten heftig in einem Forum. Und die anderen Foristen (fast alles Lateinamerikaner, bedenkt, dass nur 10% aller Spanischsprecher in Spanien leben) wunderten sich: "Wieso regt ihr euch darüber auf, dass ihr eure Duolingo-Serie verliert, während euer ganzes Land vor die Hunde geht?" Und die Venzolaner antworteten: "Warum sollen wir uns nicht darüber aufregen, dass wir unsere Duolingo-Serie verlieren, bloß weil unser Land vor die Hunde geht?" Diese Diskussion fand ich hoch interessant. Wie anders die Venezolaner die Situation sehen, in der sie sich befinden, als die, die von außen drauf schauen. Dann meinte einer (von den Venezolanern), "Guaido wird uns von den Amerikanern vor die Nase gesetzt, er ist ein amerikanischer Agent" und er lieferte Beweise aus dem Lebenslauf von Guaido. "Ja, aber wenn ihr es doch allein nicht auf die Reihe kriegt...", meinten andere Lateinamerikaner. Ja, das war im Duolingo-Forum zu finden. Aus unseren Zeitungen und Nachrichten erfahren wir ja leider nur wenig Sinnvolles.
Ja, gut, das ist so ungefähr der Stand der Dinge. Auf dem Rückweg von Oporto hielten wir noch in einem Städtchen namens Viseu, um zu Mittag zu essen und die Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Es war Sonntag und regnete ein bisschen und dort war keine Sau. Wir fanden sie dann alle in einer Kirche. Der Pfarrer predigte gerade und ich verstand - nichts.
Wir suchten dann nach einem Restaurant und fanden in einem winzigen Gässchen ein winziges Häuschen mit einer steilen Stiege, so, wie in alten Häusern früher in Deutschland. Draußen hatten sie ein schönes Schild stehen, auf dem sie ein Menü für neun Euro anboten. Wir stiegen also über eine Katze hinweg und die Stiege hinauf und kamen.... es war wirklich mittelalterlich: viel dunkles Holz, eine niedrige Decke, niedrige Tische, Bänke ohne Lehne. Wir waren die einzigen Gäste. Wir ließen uns das Menü bzw. das Tagesgericht bringen. Die Betreiber waren zwei junge Leute - es war, als wäre man bei Studenten zu Gast, die sich ganz arg bemühen, einem Freude zu machen. Ich weiß nicht, ob denen alle Tripadvisor-Kritiken im Nacken sitzen. Ständig kamen die beiden, um uns zu fragen, ob wir zufrieden wären, ob alles schmeckte, es war echt witzig. Das Essen war auch so, als wäre man bei Privatleuten zu Gast. Es war irgendwie rührend. Die oben beschriebene Szene mit dem kalten Kaffee geschah auch dort. Die Nachspeise war Apfelgratin mit Eis. Der Apfelgratin kam frisch aus dem Kühlschrank, das war echt schad' drum. Ich wollte noch sagen: Stellt ihn mir doch einen Moment in die Mikrowelle, aber dann dachte ich, ach, was soll's. Da haperte es noch an so vielem anderem. Wir haben sie auch nirgendwo bewertet, denn was soll man da bewerten? Den guten Willen oder die Feuergefahr? Dabei hätte man bei einem Brand gar nicht die Stiege hinunter gemusst, man hätte aus dem Fenster springen können (wahrscheinlich ins Haus gegenüber, so schmal war die Straße, hahaha). Tschö.

Freitag, 5. Oktober 2018

Pereira - Stadt ohne Sehenswürdigkeiten

Okay, da kommen sie endlich, die Bilder von Kolumbien. Das erste zeigt die Autobahn zwischen Cali und Pereira. Natürlich sieht sie nicht überall so aus, aber doch auf ganz schön langen Teilstücken.


Naja, und ganz ohne Sehenswürdigkeiten ist Pereira nun auch wieder nicht, immerhin haben sie eine Statue von Simón Bolívar nackt zu Pferde auf ihrem wichtigsten Platz stehen. Simón Bolívar war DER südamerikanische Unabhängigkeitskämpfer zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wenn ich richtig sehe, hat er auch keinen Sattel. Autsch, oder? Dennoch hat die Statue was, ne?

So, das wäre jetzt der Platz, auf dem sie steht. Im Rücken hätte man aus dieser Perspektive die Kathedrale, die aber echt nicht der Rede wert ist. Aber hier wie in jeder Kirche, in der wir in Kolumbien waren: Es waren ziemlich viele betende Menschen drin. Das Verhältnis Touris zu Betern war etwa 2 zu 30, wobei die Touris mein Gatte und ich waren. Pereira ist wirklich nicht so die Fremdenverkehrshochburg.


Was gibt's zu Pereira noch zu sagen? Die Stadt hat fast 500.000 Einwohner. Es ist die wirtschaftliche Hauptstadt des kolumbianischen Kaffeeanbaugebiets, del eje cafetero. Es ist keine Stadt für Leute, die gerne nackte Männerfüße bzw. -beine sehen. Sandalen und kurze Hosen für Männer sind dort unüblich - und das liegt nicht am Wetter.
Hier kommen Bilder von der Straße, in der unsere Freunde wohnen. Es ist ein volkstümliches Stadtviertel. A. hat mir erzählt, wie sie in den Besitz ihres Hauses kamen. Die Stadtverwaltung gab den künftigen Bewohnern Rohbauten, also einfach vier Wände aus grauen Hohlsteinen mit einem ganz schlichten Dach, ohne Fenster, ohne Türen. Anschlüsse ja, Sanitäreinrichtungen etc. nein. Das mussten sie sich alles selber einbauen. Im Laufe der Jahre haben die Leute ihre Häuser natürlich aufgehübscht, die Fassaden gestrichen, Gitter vor die Fenster gemacht, viele haben noch ein Stockwerk draufgesetzt, den Bürgersteig in Beschlag genommen und zur Terrasse umgebaut, so auch unsere Freunde, die gleich mal ein Gitter um ihre Terrasse/ihren Bürgersteigabschnitt gezogen haben. Ein Stockwerk draufsetzen, z.B., ist erlaubt, wenn es nicht mehr als 30 cm überragt, 40 cm werden auch geduldet, vieles wird geduldet.
Als Tourist sieht man solche Viertel ja normalerweise nicht aus der Nähe, als Tourist sieht man normalerweise überhaupt keine Wohngegenden aus der Nähe. Es geht ja auch niemand hin und guckt, wo die Masse der Venezianer wohnt.
Unsere Gastgeber rieten davon ab, allein durch die Straßen zu streifen. Nur in unserer bzw. ihrer Straße durften wir ohne ihre Begleitung frei herumlaufen, weil die Bewohner uns als Besuch von Familie T. kannten, denn wir fallen dort ja auf. Die Leute sind misstrauisch gegenüber Fremden. Es ist für Touristen wohl definitiv nicht empfehlenswert, in einfachen Wohngegenden herumzulaufen. Aber jeder nach seiner Façon, nicht wahr? Andererseits: Wir wären ja auch nicht gerade begeistert, wenn Chinesen in unseren Straßen stehen und uns betrachten würden, weil sie uns so interessant finden, und uns beim Rasenmähen oder Gartenzwergpolieren fotografieren würden. Die Frau, die die Arepas (Maisfladen) backt, habe ich um Erlaubnis gebeten. Die Arepas sind in diesem Fall kein Street Food, sondern man nimmt sie mit nach Hause und isst sie dort zu dem, was man dort eben sonst zum Essen hat. Street Food ist meist Obst oder Säfte, aber auch viel frittiertes Zeug. Man kann alles essen, Kolumbien ist kein Durchfall-Land.



Zu der Art und Weise, wie die Leute hier leben, gäbe es viel zu schreiben, ich will aber nicht versprechen, dass ich es tun werden, weil es ja dann sicher doch wieder nichts wird. Nur so viel: Die Leute hier sind eigentlich nicht arm. Die Leute in der anderen Siedlung, von der weiter unten noch Bilder kommen, sind deutlich ärmer. Die Leute hier haben genug zum Leben und ein ordentliches Dach über dem Kopf. Das Schöne ist, dass sie ihre einfachen Häuser ziemlich frei gestalten und pimpen können. Sie können sich schöne Bäder und Küchen einbauen, wie es unsere Freunde gemacht haben, in manchen Häusern sind allerdings die Innenwände immer noch unverputzt. Sie können auf ihren Bürgersteigen/Terrassen sitzen... Als jemand, der auch unentwegt am Haus Veränderungen und Verbesserungen vornimmt, und dem es wichtig ist, sein Umfeld wenigstens ein bisschen selbst gestalten zu können, finde ich so ein Häuschen besser als eine Wohnung in einer Hochhaussiedlung. Die Leute sind arm. Haben die Kinder genug Spielsachen? An einem Abend saßen wir draußen. Um zehn Uhr spielte noch eine Gruppe von acht Kindern vor dem Nachbarhaus. Die Kinder waren vielleicht zwischen drei und neun Jahre alt und völlig unbeaufsichtigt. Sie saßen auf dem Boden und auf einem Mäuerchen und lachten und schwatzten. Dann spielten sie auf der steilen Straße eine Weile Ball. Ein kleiner Junge begann zu weinnen, die anderen kümmerten sich rührend um ihn. "Was ist denn los? Was hast du denn?" fragten sie und nahmen ihn in den Arm. Ein etwa vierjähriges Mädchen löste sich aus der Gruppe und lief ganz allein davon und kam nach einer Weile wieder. Sie spielten dann ein Lied mit Singen und Klatschen. Zwei Kleine schliefen im Schoß älterer Kinder ein und als wir um halb elf zu Bett gingen, saßen sie immer noch da und quasselten und lachten. Haben diese Kinder genug altersgerechte Spielsachen? Es ist schwer zu beurteilen.
Auf jeden Fall haben sie Freiheit. "Warum ist denn dieses Kind nicht in der Schule?" fragte ich A. eines morgens. Ein hübsches, zartes kleines Mädchen spielte vor dem Haus mit seinem Drachen. "Dieses Mädchen geht nicht zur Schule," entgegnete mir A., "es möchte nicht." Hallooo?
Das mit der Schule ist überhaupt so eine Sache hier... Das Niveau ist wohl nicht sehr hoch, trotzdem werden die Kinder nicht zu Leistungen angehalten bzw. gezwungen, wie das bei uns manchmal der Fall ist und in anderen Ländern noch viel mehr. Natürlich öffnet diese Lebensweise nicht den Zugang zu guten Arbeitsplätzen, wo man viel verdient (wobei in Kolumbien 800 Euro viel sind).
Erinnert Ihr Euch an Heinrich Bölls Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral? Siehe
 https://web.archive.org/web/20170101205635/http://www.aloj.us.es/webdeutsch/s_3/transkriptionen/l_26_str10_trans.pdf
Wenn man sieht, was andere Leute haben, wird einem erst bewusst, wie viel Zeug man hat, das man gar nicht braucht. Echt seltsam. Naja, ist egal.
Hier in Pereira ist es immer warm, die Leute haben keine Winterkleidung, auch die Reichen nicht, und schaut mal, wie schön der Himmel ist, wie schön das Licht ist, wie schön die Farben leuchten. Es gibt wenige Alte und viele Kinder und Kinder sind für mich immer noch das höchste Gut. Die Schule beginnt um halb sieben!!! und findet in zwei Schichten statt, um die Klassenräume besser zu nutzen. Die Kinder tragen, wie bereits beschrieben, Schuluniformen: dunkle Jogginghosen, dunkle Turnschuhe und helle Polohemden. Mir wären die Hosen zu warm bei dem Wetter, aber sie werden ja schon von klein auf daran gewöhnt. In den Pausen stehen Händler am Schulgitter und verkaufen den Kindern Früchte und Säfte, aber auch Gebäck und Süßkram. 
Wenn man sich riesig viele Gedanken machen würde und seine Gedanken sorgfältig ordnen würde, wenn man lange und intensiv beobachten würde und sich dann richtig gut ausdrücken könnte, dann gäbe es zu diesem Themenkreis sicher sehr, sehr viel zu sagen. Die Leute sind nicht richtig arm, aber man hat das Gefühl, das ganze System hinge an einem seidenen Faden. Es könnte ganz leicht bergab gehen, wie zum Beispiel in Venezuela. Wenn ich die Bilder von Cartagena hochlade, schreibe ich da vielleicht noch mehr dazu. Nach kaufkraftbereinigtem Bruttoinlandsprodukt ist Kolumbien von 192 Ländern das 89. reichste, Deutschland steht auf Platz 18, Spanien auf Platz 34 zwischen Neuseeland und Italien, Deutschland steht zwischen Schweden und Australien, Kolumbien zwischen Mazedonien und St. Lucia. Interessant, ne? Die Liste ist bei Wikipedia zu finden.



Der Berg auf dem Bild unten ist in Wirklichkeit viel steiler, als er hier aussieht. Es ist mir echt ein Rätsel, warum Berge auf meinen Fotos immer so flach aussehen. Zwischen der Siedlung, wo unsere Freunde wohnen, und der Stadtmitte liegt ein richtiger Berg, über den man hinweg muss. Oder sind es sogar zwei? Ich weiß es nicht mehr sicher, jedenfalls sind es gewaltige Höhenunterschiede, die bewältigt werden müssen. Eine Seilbahn mit mehreren Haltestellen ist in Bau. Unten an den Hängen stehen Autos, also quasi illegale Taxis, wenn man so will, die einen gegen eine kleine Gebühr hoch oder sogar über den Berg fahren, falls man genug Geld hat und es dafür ausgegeben möchte. Einmal fuhren wir in ziemlicher Entfernung von der Siedlung, da sagte J.: "Ach, guck mal, da ist doch die Señora X!" Es war ein steinaltes Frauchen, kilometerweit von zuhause entfernt, zwei hohe Berge dazwischen... J. vermutete, dass sie auf dem Weg zum Arzt war. Was diese Leute zu Fuß für Entfernungen zurücklegen, das ist ziemlich extrem. Ich erinnere an die Reportage "Wikdis steiler Weg" von Alberto Ramos Salcedo über einen Jungen, dessen Schulweg zweieinhalb Stunden lang durch den Dschungel führt, hier auf Deutsch:


Unsere Freunde sind super gute Köche, das habe ich schon erzählt, oder?


Dies ist ein typisch kolumbianisches Essen. Reis, der nie fehlen darf, Avocado, Ripperl und dieses kartoffelartige, stärkehaltige Zeug, auf dessen Namen ich mich nicht besinne, dazu ein dicker Fruchtsaft.
Auf dem Bild unten seht Ihr eine Siedlung, in der ärmere Leute wohnen. Manche Wände bestehen nur aus einer Plastikplane. Wenn solche Siedlungen entstehen, habe ich mir sagen lassen, legt die Stadtverwaltung Strom hin und Wasser etc. und kümmert sich um die Infrastruktur. Was mich überrascht hat: Hier liefen ganz normal, ordentlich und sauber gekleidete Leute herum. Sie haben eben einfach nur kein Geld für eine gescheite Wohnung.



An einem Tag gingen wir das Patenkind meines Sohnes und seiner Freundin besuchen. Es ist das Bobbelchen links, das kleine Mädchen rechts ist die große Schwester, die, glaube ich, in die zweite Klasse geht. Was bei den Kolumbianern immer wieder auffällt: Wie freundlich und wohlerzogen die Kinder sind. Beachtet bitte auch das Haar der älteren Schwester!!! Die haben dort so wunderbares Haar. Die Urgroßmutter des Mädchens, die schon erwähnte Oma, hat mit fast neunzig immer noch (fast) solches Haar.


Okay, ich lade ein Foto von ihr hoch. Es ist die türkis gekleidete Dame mit dem Stock und der türkisen Haarspange. Wahrscheinlich waren ihre Fingernägel an diesem Tag auch türkis lackiert, sie sind immer perfekt manikürt. Beachtet das Haar! Der Mann mit kurzen Hosen und Sandalen, der mich Lügen zu strafen scheint, ist mein Gatte. Die beiden sollten aber eigentlich gar nicht auf dem Foto sein. Was ich fotografieren wollte, waren die Jeans im Vordergrund. Schaut Euch mal die Form des Hinterns an. Die Hosen sind ganz anders geschnitten als bei uns, die Schaufensterfiguren haben schon eine andere Form! Man hat dort ein anderes Schönheitsideal. Gibt es solche Hosen bei uns überhaupt zu kaufen? Eine Bekannte führt sie nach Spanien ein. Das mit den Gepäckmassen am Flughafen hat sich geklärt: Bei Avianca darf man zwei ziemlich große Koffer aufgeben, dann darf man noch einen kleinen Koffer und ein kleines Stück Handgepäck mitnehmen. Zusätzlich zahlen die Leute häufig noch für weitere Koffer, denn sie machen kleine Geschäfte, führen zum Beispiel Hosen für kolumbianische Hintern nach Spanien aus und Markenkleidung und -schuhe, die in Spanien billiger und häufig im Sonderangebot erhältlich sind, nach Kolumbien ein.


So, zurück zum Besuch beim Patenkind der jungen Leute: Wir wurden zu Agua Panela mit Käse eingeladen. Panela ist ein Block aus eingedicktem Zuckerrohrsaft. Für Agua Panela wird er in heißem Wasser wieder aufgelöst. Man erhält ein teeartiges Getränk. Darin schwimmen zwei Stücker Käse. Der kolumbianischen Käse (uns ist immer derselbe begegnet) ist wie ganz frischer Manchego-Käse, also ungereifter Käse, aber kein Frischkäse. Welcher deutsche Käse dem so in etwa entsprechen könnte, habe ich auf die Schnelle jetzt nicht gefunden. Die Kombination schmeckt jedenfalls gut. 


So, und jetzt zeige ich Euch noch etwas: Das war die Aussicht vom Balkon der Familie.



Wahnsinn, ne? Es ist ein ganz einfaches Dorf mit ganz einfachen Häusern und einer Aussicht... madre mía. Wenn man in Deutschland so eine Aussicht hätte... Darf ich mit der passenden Musik unterlegen? https://www.youtube.com/watch?v=GSwu8-ohoWs 
Gut, dass sie das nicht hören, so eine Musik passt nämlich gar nicht, aber man ist eben so sozialisiert, dass man einen großen Vogel über den Anden mit dieser Musik verbindet, oder?


Das ist das Dorf von der anderen Seite. Wenn man über die Häuser hinwegschauen würde, hätte man die Aussicht wie oben. Das Dorf liegt auf einem Bergrücken, auf der einen Seite die Anden, auf der anderen Seite liegt ein Tal mit Kaffeefeldern.
Einmal besuchten wir eine Hacienda, wo Kaffee angebaut wurde (wo wir die Altöttinger trafen, hab's schon erzählt). Unten seht Ihr, wie die reifen Kaffeebeeren aussehen. Mein Sohn hat sich als Handmodel zur Verfügung gestellt. Die Dinger werden geschält und die Kerne, die Kaffeebohnen, geröstet. Wurde dort alles erklärt, war ziemlich interessant. Ich habe mir ein paar rohe Bohnen mitgenommen, aber noch nicht gepflanzt. Das Volk, das den meisten Kaffee trinkt, sind die Finnen, haben wird dort gelernt. Sie trinken ein Mehrfaches an Kaffee wie die Kolumbianer, die eher Fruchtsäfte trinken (wer will es ihnen verdenken, bei den phantastischen Früchten, die sie dort haben?)


Und das ist der Wasserfall/das Thermalbad, von dem ich Euch erzählt habe. Der Wasserfall ist natürlich wieder sehr viel höher und steiler als er auf meinen Bildern aussieht. Er ist 95 Meter hoch. Auf meiner Suche nach Informationen dazu bin ich im Internet auf Kommentare von Deutschen gestoßen, die sich beschwert haben, dass der Eintritt zu teuer ist (7 oder 8 Euro). Da reisen die Leute um die halbe Welt, dann gönnen sie den Einheimischen die Butter auf dem Brot nicht, also wirklich. Und dann beschweren sie sich, weil es so voll ist. Ich wüsste da schon eine Lösung, die an anderen Orten durchaus praktiziert wird: Eintritt 100 Euro pro Person und Tag, dann ist es nicht mehr so voll, dann bleibt ihr nämlich draußen, ihr Säcke!






Wie Ihr wisst, hatte ich ein bisschen Bedenken wegen Kakerlaken, von denen mein Sohn gesagt hatte, dass es in Kolumbien sehr große gibt, die außerdem noch fliegen können. Ich muss Euch sagen, ich habe auf unserer Reise null Kakerlaken gesehen, keine einzige. Und diese Spinne oben, der sind wir in ihrem eigenen Habitat, also im Wald, begegnet. Wir waren in ihrem Revier, nicht sie in unserem, also okay (in der Wohnung möchte ich so ein Vieh nämlich nicht haben). Hoffentlich schaffe ich es, noch ein paar Bilder von Cali und Cartagena und so hochzuladen...

Samstag, 8. September 2018

Die Andenken, die wir aus Kolumbien mitgebracht haben

Ja, ich weiß, es gäbe noch viele andere Einzelheiten unserer Reise zu berichten, bevor ich zum Thema Andenken komme, aber dies war jetzt eben das einfachste:
Im Hintergrund seht Ihr die Aktentasche, die sich mein Gatte im Ledergeschäft Vélez gekauft hat. Vélez ist eine Kette, die Geschäfte gibt es in Kolumbien überall. Ihr Zeug sieht ziemlich gut aus und mein Sohn in Cali, der etwas davon versteht, meint, dass es auch hochwertig ist. Ich habe mir den blauen, mit Blüten bestickten Gürtel gekauft, den man in der Mitte sieht. 
Dann ist da noch die Ananas, die ich meinem ältesten Sohn mitgebracht habe, damit er erlebt, wie Ananas auch schmecken können. Den oberen Zipfel der Frucht habe ich natürlich abgeschnitten, bzw. herausgedreht und bereite ihn gemäß einer Youtube-Anleitung darauf vor, eine Zimmerpflanze zu werden. Daneben liegt eine Avocado. Die Avocados sind dort auch ganz anders, cremig, sahnig, köstlich. Der absolute Luxus, dabei kosten sie fast nichts. Eigentlich waren es zwei Avocados, aber die eine hatten wir schon gegessen, als ich das Foto gemacht habe, hahaha. Was gibt es noch? Den Hummerkühlschrankmagnet, den ich am Strand von Cartagena erworben habe. Zwischen dem Magnet und der Avocado liegt eine kleine Nachbildung einer Botero-Figur, die auf einem Platz in Cartagena steht bzw. liegt. Man sieht sie nicht gut, weil sie fast schwarz ist. Fernando Botero ist der kolumbianische Bildhauer, der diese dicken Figuren schafft oder malt. Diese Nachbildung hat mir besonders gefallen, weil die Stellen, die an der echten Figur abgegriffen sind (man darf sie anfassen), nämlich der Bobbes oder der Busen und so, auch bei dieser Darstellung heller sind. Sie kommt in unsere Sammlung "Schönes aus aller Welt". Sie hat, glaube ich, so drei Euro fünfzig gekostet. Echt wenig. Ich hätte auch mehr dafür bezahlt. Handeln ist in Kolumbien, wie ich Euch bereits gesagt habe, nicht so üblich. 
Was in der Mitte liegt und aussieht wie ein Vogelnest ist das Zeug, das hier in Massen von manchen Bäumen hängt und das man als Krippenschmuck verwendet. Dafür habe ich es auch mitgenommen. Daneben liegt noch ein Kühlschrankmagnet, nämlich ein kleiner Korb voller kolumbianischer Backwaren, der zu meiner Sammlung "Magneten mit Speisen aus aller Welt", die an der Brandschutztüre zwischen der Küche und der Garage hängt, kommt. Dahinter liegen zwei Tafeln besonders gute kolumbianische Schokolade (waren ursprünglich drei Tafeln), denn in Kolumbien wächst nicht nur Kaffee, sondern auch Kakao. 
Die Dinger, die wie Hasenboller aussehen, sind Kaffeesamen, die ich zu säen gedenke. Jetzt ist aber, glaube ich, nicht der richtige Zeitpunkt, da muss ich mich erstmal kundig machen. Ich kann mir echt nicht erklären, wie diese ganzen Samen wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist. Da liegen die winzigen Körner einen Zentimeter unter der Erde und wissen trotzdem, dass es September ist und nicht März und sie lassen sich nicht überlisten. Wunder der Natur, stimmt's? Die Kaffeesamen liegen auf einem Umschlag, in dem sich eine Rose befindet, die der Führer meinem Gatten auf der Finca gab, wo das Buch María spielt, von dem ich Euch schon erzählt habe, damit er er sie mir überreichen möge, die Rose. Dahinter seht ihr das Buch selbst und darauf "El amor en los tiempos del cólera",  "Die Liebe in den Zeiten der Cholera", das in Cartagena de Indias am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jhs. spielt. Obwohl ich andere Bücher von Gabriel García Márquez gelesen hatte, zum Beispiel "Hundert Jahre Einsamkeit", das mir sehr gut gefallen hat, oder "Bericht eines Schiffbrüchigen", das eigentlich Bericht eines Schiffbrüchigen, der zehn Tage lang, ohne zu essen und zu trinken, auf einem Floß trieb, der zum Helden des Vaterlandes ausgerufen, von Schönheitsköniginnen geküsst, durch Werbung reich, gleich darauf durch die Regierung verwünscht und dann für immer vergessen wurde heißt und im Titel schon die komplette Geschichte preisgibt. Obwohl man also zu Beginn schon alles weiß, was geschieht, gelingt es dem Autor den Leser zu fesseln. Das Buch ist dünn, es eignet sich gut zum García Márquez-Probelesen. Es stammt aus seiner frühen Schaffensperiode (1955), aber seine Werke sind zeitlos. Es sind die großen Klassiker von morgen. "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" hatte ich nicht gelesen, weil mir der Titel nichts Gutes zu verheissen schien. Cholera ist doch eine Durchfallerkrankung, oder? Naja, jetzt habe ich es gelesen und es ist richtig, richtig, richtig gut. Es hat nicht viel Handlung, aber die Erzählweise ist toll, also, für meinen Geschmack. Es ist so schwer, gute Bücher zu finden, und diese ganze Werbung für immer neuen Mist macht es einem auch nicht gerade einfacher. 
Wir waren also in Cali und in Cartagena in Buchläden und... also, mein Gatte ist ein Vielleser und kauft viele Bücher, aber ich glaube..., also, die Erfahrung, die man in Buchläden macht... es gibt mittlerweile überall auf der Welt in den Buchhandlungen dasselbe zu kaufen, dieselben Autoren, es wird hin und her übersetzt wie blöd. Es ist natürlich gut, wenn einem interessante Sachen aus anderen Ländern zugänglich gemacht werden, aber ü-ber-all dasselbe... Außerdem leiden Texte beim Übersetzen, das muss einem klar sein, und je anspruchsvoller sie sind, je besser geschrieben, desto mehr leiden sie. Schrott kann man beim Übersetzen sogar aufpolieren. Ist so. 
Aber gut, das ist sie eben, die Globalisierung - und in Kolumbien haben sie ja noch ihre eigene Musik und ihre eigenen Hamburger-Ketten und ihr wunderbares Obst, und die internationalen Klamottenmarken sind zwar heiß begehrt, aber sie können sie sich nicht leisten. Und neben den Hollywood-Filmen haben sie noch ihre Telenovelas. 
Um noch mal auf das Thema Bücher zurückzukommen: Der Durchschnittsnettolohn in Kolumbien im Jahr 2018 beträgt ziemlich genau 300 Euro, das habe ich gerade nachgeschaut. Bücher kosten genauso viel wie in Spanien, also gerne auch mal 20 Euro. "Die Liebe in den Zeiten der Cholera", ein Taschenbuch, hat 34.000 Pesos gekostet, das sind 11 Euro. In Deutschland kostet es 9,95 Euro, wie ich gerade nachgeschaut habe. Das ist ganz schön ungerecht, oder? Andererseits muss es wohl so sein, denn wenn Bücher in Lateinamerika dem Einkommen entsprechend billiger wären, würden ja die Spanier ihre Bücher alle in Lateinamerika bestellen. Allerdings gibt es in Amerika zehnmal soviele Spanischsprecher wie in Spanien selbst... naja, ist halt so. Ach, was ich noch mitgebracht habe, was unter dem Gürtel liegt: Eine Wohnzeitschrift. Darin wird so ein tolles Haus vorgestellt, die musste ich einfach haben. Das Haus steht außerhalb von Bogota, sicher wird es von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht. Tschüss für heute...