Donnerstag, 14. Januar 2016

Prost Neujahr!

Wie bereits im vorherigen Post angedeutet, haben wir die letzten Wochen in Deutschland verbracht. Mich interessierte insbesondere auch, wie man das Thema Flüchtlinge vor Ort erlebt. Ich gebe nicht viel auf das, was man aus den Online-Zeitungen erfährt und noch weniger auf das Fernsehen. Zu häufig habe ich es schon erlebt, dass in der Presse Ereignisse übertrieben oder verniedlicht, Ausnahmefälle generalisiert und Vorfälle schlicht falsch beschrieben werden. Ich könnte Beispiele nennen, will jetzt aber nicht zu weit ausholen. Und gerade in der Flüchtlingsfrage schien es mir so, als gäbe es da gewisse Dissonanzen zwischen der Berichterstattung über die Willkommenskultur und der Tatsache, dass man unter den Berichten kein Forum aufmachen konnte. Es wird nur eine einzige Meinung publiziert: die Freude über die Einreise einer Million neuer Bürger aus dem muslimischen Kulturkreis. Mag sein, nicht wahr, dass die Freude so einhellig ist. Wenn der Frühling kommt oder Deutschland Fußballweltmeister wird, hat ja auch kaum jemand etwas dagegen.
Das Problem mit dem Fachkräftemangel scheint durch die Neuankömmlinge auch gelöst, jedenfalls habe ich da schon lange nichts mehr gelesen. Jetzt müssen sie halt in halsbrecherischem Tempo Deutsch lernen, denn Englisch allein reicht z.B. für die medizinische Versorgung von Menschen im ländlichen Raum bestimmt nicht.
Ja, und dann sieht man in der Online-Presse noch die Bilder von den Turnhallen mit den Holzpritschen, in denen die Schutzsuchenden erstmal untergebracht werden, bevor man ihnen Wohnungen gibt. Mich wundert das mit den Wohnungen ein bisschen, also, dass die so reichlich vorhanden sein sollen, denn als meine Kinder in Deutschland Wohnraum suchten, da war das gar nicht so einfach. Die Pritschen sehen so unbequem aus und dann diese Nähe zu Fremden in der Turnhalle, die schmutzigen Gemeinschaftsklos, brrrrrrr... das ist für Familien sehr, sehr anstrengend.
So, das war mein Wissensstand als ich nach Deutschland kam. Haaalt, neee, vergessen: Dann gibt's natürlich doch die Minderheit, die die Menschenmassen nicht reinlassen möchte oder den Zustrom begrenzen oder das Thema überhaupt diskutieren möchte, nämlich die Rassisten, Nazis, Hassfratzen, Rechtsradikalen, Pegida, die braune Soße, den braunen Rand, die AfD, die braune Pest, die Fremdenfeinde, die hässlichen Deutschen, das Pack, die Faschisten, den Pöbel, die Asylgegner, Rechtsextremisten, Dunkeldeutschen... das sind Bezeichungen, die ich gelesen habe, die mir jetzt so einfallen. Leute, die der Willkommenskultur skeptisch gegenüber stehen, werden verbal sehr, sehr hart angegangen, auch wenn sie keine Wohnheime anzünden, auch vom Bundespräsidenten, auch vom Präsidenten der Evangelischen Kirche, beide brrrrrr... wie oben. Die Bezeichnung Dunkeldeutsche ist sehr gut gefunden, insbesondere wenn sie von einer Lichtgestalt wie dem Herrn Gauck kommt. Dunkeldeutsche, da läuft einem doch gleich ein Schauer über den Rücken. Mir persönlich gefallen zum Ausdruck der maximalen Verachtung auch Wortverbindungen mit -leugner, da fehlt noch was, Schutzsuchendenleugner oder Syrienleugner oder Willkommensleugner oder so, da ist noch niemandem etwas richtig Griffiges eingefallen. Ich nehme an, die Helldeutschen arbeiten daran.
Eine deutsche Freundin, die seit 30 Jahren in Spanien lebt, erzählte mir nach einem Aufenthalt in der alten Heimat, sie sei schockiert gewesen über die Gleichschaltung der Medien und das Verschwinden der Meinungsfreiheit. Ach ja, die gibt's auch noch, die Lü-gen-pres-se-, Lü-gen-pres-se-Schreier, deren Gesichter manchmal im Fernsehen gezeigt werden. Sicher handelt es sich dabei nur um Rentner. Also, als Mensch, der seinen Arbeitsplatz behalten möchte, würde ich mich so was nicht trauen.
Das war es, was ich bei meiner Abreise wusste.
So. Und wie sah es dann tatsächlich aus? Erst einmal sieht man gar nichts. Am Frankfurter Flughafen werden Einreisende aus Nicht-Schengen-Ländern kontrolliert wie eh und je. Die unkontrollierte Einreise ist anscheinend nur auf dem Landweg möglich.
In unserer Nachbarschaft in Deutschland, in der die gehobene Mittelschicht residiert, bemerkt man von Flüchtlingen gar nichts. Auf dem Weg in die Innenstadt kommt man an Asylantenheimen vorbei, die da schon seit Jahren stehen, da ist alles wie immer, da sieht man nichts Auffälliges.
Was in Deutschland jedoch sehr auffällig ist, sehr, sehr auffällig, sind die vielen jungen Frauen und Mädchen mit Kopfputz. Von Schleier oder Kopftuch kann man bei diesen kleinen Aufbauten ja kaum sprechen. Das überrascht, ne, denn wer so in meinem Alter ist, also über 50, wird sich erinnern, dass die türkischen Mädchen und jungen Frauen vor 30, 40 Jahren kaum Kopftücher trugen. Die Türkinnen selbst betrachteten die Kopftuch tragenden Frauen damals als, sinngemäß, Landeier. Die Kopftücher wurden ehedem auch auf hässliche Weise gebunden und meistens mit einem unförmigen Trenchcoat kombiniert. Wer erinnert sich?
Also, von diesen Kopfputzmädchen sieht man überraschend viele. Haben die tatsächlich einen Rückschritt gegenüber ihren Müttern und Großmüttern vollzogen? Das ist doch ein interessantes Thema. Wird das diskutiert? Was ist denn da geschehen? Wie erklärt denn die Tochter und Enkelin ihrer Mutter und Großmutter, dass sie ein Kopftuch tragen möchte? Und was sagen die dazu?
Auffällig war auch die extrem große Anzahl von Ausländern auf der Zeil in Frankfurt, also der Anteil der Ausländer an der Gesamtmenge der Menschen, die da unterwegs war. Das lässt sich aber vielleicht auch durch die Tageszeit erklären, zu der wir unterwegs waren, da waren die Deutschen sicher noch auf der Arbeit. Jemand sagte, auf der Zeil merkt man gar nicht mehr, dass man in Deutschland ist. Nun, ich glaube, das stimmt so nicht ganz, da bilden sich schon typisch deutsche Charakteristika heraus: z.B. unterscheidet sich das Frankfurter Straßenbild von London insofern, als dass man praktisch keine Frauen in schwarzen Säcken sieht. Von Paris unterscheidet es sich, weil weniger Menschen mit schwarzafrikanischem Migrationshintergrund unterwegs sind. Von Madrid unterscheidet es sich, weil die Leute auf der Calle Preciados europäischer aussehen und besser gekleidet sind.
Jetzt fragt Ihr Euch vielleicht, ob wir überhaupt als Asylanten kenntliche Menschen gesehen haben. Öh, ja. Das eine Mal, als wir Wertstoffe zu einer Sammelstelle brachten, die sich neben einer Asylantenunterkunft befand. Da waren junge Männer vor dem Gebäude und auf einem ebenfalls dort befindlichen Fußballplatz spielten ein paar Kinder Fußball und in der Ecke des Platzes saß eine junge Familie in der Sonne auf dem Rasen. Man würde ihnen wünschen, sie könnten in Syrien auf einem Balkon in der Sonne sitzen.
Also, man sah wenige Asylanten. Was machen die denn den ganzen Tag außer Deutschunterricht und Landeskunde? Sie waren alle irgendwo drinnen. L. sagte, bei gutem Wetter seien sie häufig im Außengehege. Das Wort "Außengehege" brachte mich zum Lachen, aber es trifft die Sache wohl genau, denn um die Turnhalle, in der sich die Asylbewerber befinden, wurde ein Metallzaun aufgestellt. Damit sie drinnen bleiben? Damit die anderen draußen bleiben? Keine Ahnung. L. vermutete, dass es zum Schutz der Asylanten sei. Aber vor was? Vor wilden Tieren? Oder gibt es tatsächlich so viele Leute, die diese Turnhalle in Brand setzen möchten, dass sich das Aufstellen eines Zauns lohnt? Naja, bei gutem Wetter würden sie sich eben in dem Bereich zwischen Turnhalle und Zaun aufhalten, den L. als Außengehege bezeichnete. Sie dürfen das Gelände verlassen und fahren häufig Bus. Sie dürfen den Bus kostenlos benutzen. Sie machen keinerlei Probleme. Das wurde mir erzählt.
Was die Deutschen nach meinen Beobachtungen beschäftigt und über alle Maßen ärgert, ist, wie auch schon meine Freundin bemerkt hatte, die Gleichschaltung der Presse und die Herabsetzung aller Andersdenkenden. Im Bundestag scheint es auch keine Opposition mehr zu geben, nur noch Blockparteien und ein bisschen symbolisches Good cop-bad cop-Geplänkel. Das ist traurig.
Das offizielle Staatsfernsehen dient als Verbreiter und Verstärker der Einheitsmeinung. Talkshows und Sendungen wie das Heute-Journal unterstützen die Bürger beim betreuten Denken. Das ist alles traurig. Ich sage Euch, wenn man aus dem Ausland kommt, dann fällt einem das auf. Es ist wie man sich die DDR vorstellte. Claus Kleber, z.B., scheint meinen Lieben ein besonders rotes Tuch zu sein. "Dann guckt es Euch doch nicht an", sage ich zu ihnen, aber sie haben da so einen masochistischen Drang, den staatlichen Umerziehungsversuchen immer wieder zuzuschauen.
Und dann hat mich noch Folgendes berührt: wir waren in einem Biergarten, in dem Fässer aufgestellt waren, in denen unten drin Feuer brannte und oben konnte man sein Bier draufstellen. Wisst Ihr, wie? Das hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ich stand da also an dem einen Fass und hielt den Platz frei, während meine Lieben noch Bier holten. Am Fass daneben stand eine kleine Gruppe und unterhielt sich, wenig überraschend, über das Thema Flüchtlinge. "Wisst ihr, was ich glaube?" sagte ein junger Mann. Bevor er weiter sprach, schaute er sich um, drehte sich sogar um, um sich zu vergewissern, dass keine unbefugten Ohren lauschten. "Ich glaube, die Türkei wird auch fallen." Also, in die Hände der Islamisten, meinte er, glaub' ich. Oder so wie Syrien und Libyen und Ägypten und diese ganzen anderen Länder. Aber die Tatsache, dass er sich ängstlich umschaute, bevor er sprach, bevor er eine irrelevante persönliche Meinung äußerte... die fand ich seltsam.
Okay, Deutschland zum Jahreswechsel 2015/2016. So kann das aussehen für jemanden, der seit 30 Jahren im Ausland lebt. (Falls dieser Eintrag rassistisch und dunkeldeutsch ist, dann sagt es mir bitte, damit ich ihn wieder löschen kann!!!)

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