Donnerstag, 28. April 2016

Bofrost

Der Typ, der da kam, der die Akquise machte, erinnerte mich an meinen ältesten Sohn. Sicher hatte er BWL studiert, vielleicht auch BWL und Jura, vielleicht noch ein Master drauf... wie das eben so ist in Spanien. Er war dünn und fleißig und eifrig und ich sagte okay, dann werde ich eben wieder Bofrost-Kunde. Er sagte: "Wenn Sie für mehr als 25 Euro einkaufen, bekomme ich einen Bonus." Ich kaufte für mehr als 25 Euro ein und war Bofrost-Kunde, zum zweiten Mal in meinem Leben. 
Das erste Mal war, nachdem ich eine wohlhabende und moderne Frau kennengelernt hatte, die Bofrost-Kundin war und in meinem unbändigen Drang, die Schönen und die Reichen nachzuahmen, war ich auch Bofrost-Kundin geworden. Damals waren wir in unserer Gegend mit Läden ziemlich unterversorgt, meine Kinder waren noch klein, D. aß gerne das Bamigoreng, der dreifarbige, gefrorene Paprika war recht praktisch. Ich kaufte also regelmäßig diese beiden Sachen und irgendwann kam der Bofrost-Mann nicht mehr, was mir auch recht war, denn zwischenzeitlich waren wir mit Läden gut versorgt.
Ja, und Jahre später dann wieder ein Bofrost-Mann. Nach zwei Wochen kam aber nicht mehr der junge BWLer, dessentwegen ich mich angemeldet hatte, sondern ein anderer Typ. Er ist falsch-freundlich, was mir aber wurscht ist, Hauptsache freundlich, aber man hat doch ein bisschen das Gefühl als würde er einem lieber eine reinwatschen, als wäre die Schicht der Freundlichkeit arg dünn und stünde in engem Zusammenhang mit der Kaufmenge. Is' egal, ne? Jedenfalls kam er dann alle zwei Wochen und ich sah mich gezwungen, ihm Sachen abzukaufen. Das Bamigoreng führen sie in Spanien nicht mehr und frische Paprika in drei Farben kriege ich mittlerweile in jedem Laden. Ich bin kein Freund von Tiefkühlfertigkost und kaufe solches Zeug normalerweise nur selten, muss ich sagen. Außer vielleicht Pizzen, die sich die Kinder nach Bedarf in den Ofen schieben können, aber da sind wir auch mit Dr. Oetker Ristorante und Buitoni Forno di Pietra zufrieden. Tiefkühlware ist einfach viel schlechter als das, was ich selbst zubereite. Fritten mache ich zum Beispiel in meiner Friteuse, in Extra Virgen Olivenöl. Ich koche nur mit jungfräulichem Olivenöl, was anderes habe ich gar nicht im Haus. Und das gekaufte Zeug wird mit irgendwelchem Industriefett gemacht, dass einem das kalte/eisige Grausen kommt. Allllle zwei Wochen kommt der Typ und seine Produkte sammeln sich in meiner Tiefkühltruhe an und hie und da zwinge ich mich, sie zu benutzen. Gestern habe ich die Barbacue Chicken Wings gemacht - wenigstens dachte ich, es wären Chicken Wings, aber dann waren diese Dinger ziemlich groß und hatten keine Knochen, vielleicht war's was anderes, und geschmacklich überzeugten sie auch nicht und was war denn das für eine schmierige Panade außen dran? Das geht besser, Leute. Viel besser. Das kann sogar der Aldi besser.
Und für heute hatte er sich wieder angekündigt. Ich wollte ihm nicht nein sagen, also beschloss ich, mich einfach zu verstecken. Eine dumme Idee, ich  weiß. Wir zogen morgens gar nicht erst die Rollläden hoch. Er sollte denken wir seien verreist. Unsere Perle putzte in der Orangerie, ehemals Wintergarten, auf der Rückseite des Hauses, dort machen wir gerade Feng-Shui-Reinigung (im Rahmen des Weihnachtsputzes 2017). Vicky, meinem einen Orangenbäumchen, geht es übrigens nicht besonders gut. Bei Gelegenheit mehr darüber. 
Der Bofrost-Mann kam im Laufe des Vormittags, klingelte zweimal und verzog sich dann wieder. Dann war Perle draußen fertig und wollte die Küche saubermachen. "Da brauch' ich Tageslicht," erklärte sie. "Gut, mach' den Rollladen hoch," sagte ich zu ihr. Kaum war der Rollladen oben, klingelte der Bofrost-Mann wieder. Ich warf mich auf den Bauch (ja, wirklich), Perle duckte sich als befände sie sich im Schützengraben. Wir bekamen beide einen Lachanfall. Wir verharrten in unseren seltsamen Positionen bis sich der Herr wieder entfernt hatte. Da er jeden zweiten Mittwoch den ganzen Tag durch unser Dorf streift, ließ ich anschließend den Rollladen wieder runter.
Mein Gatte und mein Sohn kamen zum Mittagessen und als sie wieder gingen, begleitete ich sie zum Gartentor. Wer stand da? Der Bofrost-Mann mit seinem Lieferwagen. Ich machte auf dem Absatz kehrt, rannte ins Haus, schlug die Windfangtüre zu, die Haustüre. Durch die Bäume und die Büsche konnte er mich nicht gesehen haben, oder? Er klingelte zweimal, nicht mehr so höflich wie die ersten beiden Male, sondern ein Stück weit (konnt's nicht lassen) ungeduldig.
So, damit war der Bofrost-Tag überstanden. Dachte ich. Am Abend kam er nochmal, da war aber wieder alles verrammelt.
Man muss ja auch jedesmal gucken, wenn es klingelt. Es kann ja ein Paketbote oder ein Nachbar sein oder der Kartoffeltyp, mit dem mir etwas ähnliches passiert. Der kommt Sonntags zur Essens- oder Siestazeit. "Kaufen Sie mir doch bitte, bitte, einen Sack Kartoffeln ab." Es sind riesige Säcke und ich mag seine Kartoffeln nicht besonders gerne. Ich habe ihm schon einfach das Geld gegeben und ihm gesagt, er solle die Kartoffeln zur Foodbank bringen. Jetzt habe ich wieder einen Sack voll daliegen. "Die treiben schon, du musst unbedingt eine Tortilla machen," sagte mein Gatte. Wenn er sie sonntags bringt, fangen sie montags zu treiben an, ich sag's Euch. Ja, ich sollte lieber eine Tortilla machen als hier zu schreiben.
Ist das Bofrost-Zeug gut? Für Frauen, die außer Haus arbeiten müssen, ist es sicher praktisch. Für Menschen, die die Möglichkeit haben, sich selber ein ordentliches Essen zu kochen oder kochen zu lassen, die es also nur wegen des Wow-Faktors kaufen würden, ist es nicht gut genug, kann es wahrscheinlich auch gar nicht sein, da es eben kein frisch gekochtes Essen ist. Die Croissants, zum Beispiel, sind mir zu fettig, die Konsistenz überzeugt mich auch nicht. Wir haben auch schon die von Carrefour probiert, die waren auch nicht besser. Mein Sohn meinte letztens, die Rösti wären recht gut, aber ich glaube, das ist, weil sie entfernt an die Kartoffelplätzchen von Trader Joe's in New York erinnern, die wir gern aßen. Die konnte man in der Mikrowelle heiß machen, das war auch praktisch für die Kinder. Ah ja, der gratinierte Brokkoli ist recht gut. Das Gemüsetempura hatte uns geschmeckt, aber als ich die zweite Hälfte machte, diesmal ohne Dip, sagte mein Gatte, beim ersten Mal wäre es der Dip gewesen, der so gut gewesen war. Die Gemüsesticks aus Gelberüben und Pastinaken... Leute, kauft Euch frische Gelberüben und Pastinaken, schneidet sie in Sticks, gebt sie mit etwas Olivenöl, Salz und Pfeffer in einen Topf und schmort sie bei niedriger Hitze im eigenen Saft. Dann habt Ihr eine gesunde Delikatesse. Das Eis: Ich will ja nicht angeben, aber wir haben auch eine Eismaschine, in der wir gute Sachen machen. Mein Gatte isst außerdem im Sommer noch gelegentlich gerne ein Magnum. Dafür brauche ich Bofrost auch nicht. Fleisch und Fisch von Bofrost ist für spanische Verhältnisse zu teuer... und ansonsten: ich meine, wenn wirklich mal Not am Mann ist, kann man auch eine Dose Ravioli aufmachen, ein gebackenes Spiegelei oben drauf legen (so hat meine Mutter Ravioli serviert), eine Tüte gewaschenen Salat aufreisen, Salz, Pfeffer, Essig, Öl dran, dann steht das Essen aber in 10 Minuten auf dem Tisch... So, jetzt gehe ich meine Tortilla machen, sonst jammert mein Gatte den Kartoffeln nach...  

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