Sonntag, 4. März 2012

Restaurant in London: J. Sheekey

Letzten Sonntag waren mein Gatte und ich im Londoner Restaurant Sheekey. Das Restaurant war uns wärmstens empfohlen worden. Eigentlich hatte wir schon für Samstag reservieren wollen, aber es war ausgebucht. Es ist ein "Seafood-Restaurant in the Heart of Covent Garden". Auch am Sonntag war es bis auf den letzten Platz besetzt. Und Überraschung, Überraschung, Überraschung in London: Das ziemlich große Restaurant war bis auf den letzten Platz mit weißen Engländern/Briten besetzt! Und Ihr wisst, wie selten man diese Menschen in größerer Zahl in London antrifft. Und dafür bedurfte es nicht einmal eines Türstehers. Also, wer ein Restaurant sucht, das keine Touristenfalle ist und in dem die Leute so aussehen, wie bei "Inspektor Barnaby" oder "Miss Marple", hier findet Ihr es.
Wir hatte ziemlichen Hunger, also bestellten wir uns als erstes einmal ein halbes Dutzend Austern, drei für jeden. Oh nein, werdet Ihr jetzt denken, diese Typen futtern dauernd Austern. Aber das stimmt nicht. Ich habe zwanzig Jahre lang überhaupt keine Austern gegessen. Als ich mit meinem zweiten Sohn schwanger war, habe ich nicht nur meine Küche niedergebrannt (zum Glück wohnten wir damals in einer Mietwohnung), ich holte mir auch noch durch Austern eine schlimme Lebensmittelvergiftung. Wir wohnten damals am Meer, ich hatte die Meeresfrüchte bei einer Fischhändlerin meines Vertrauens erworben, frischer ging's nicht. Und doch... Schwangere sollten echt keine Austern essen. Gar keine. Durch diesen Vorfall hatte ich mein Vertrauen in diese Tierchen verloren und zwanzig Jahre lang keine gegessen.
Nach den Austern bestellten wir das Weekend Lunch Menu. Mein Gatte hatte als Vorspeise Deep-fried Cod Chitterlings with sauce gribiche. Ich muss mal feststellen, was "chitterlings" sind, das Zeug war nämlich unglaublich gut. Erste Forschungen im Internet weisen darauf hin, dass es sich um die Eier eines männlichen Kabeljaus handelt (male cod roe). Frittiert. Ich habe selten so etwas Zartes, Leckeres gegessen. Was auch immer es gewesen sein mag, es zerging auf der Zunge. Ich hatte Marinade Salmon, shaved fennel, endive and blood orange salad. Auf dem Foto seht ihr meinen Nachbau in Abendessengröße. 

Mein Nachbau der Vorspeise in Abendessengröße
Bei Sheekey handelte es sich um Chicorée (ja, auch wenn oben Endivie steht), Blutorangenfilets, Fenchelstreifchen, Feldsalatröschen und Lachs. Der Lachs war für meinen Geschmack zu kompakt und zu salzig, die ganze Kombination war nichts Besonderes, aaauuußer der Kombination von Fenchel und Blutorangen, die war guuut. Also, mein Nachbau sah wie folgt aus (für zwei Personen): Ich machte eine Salatsauce aus zwei Esslöffeln Olivenöl, einem Esslöffel Apfelessig, einem Esslöffel Orangensaft, etwas Honig, Salz und Pfeffer. Davon nahm ich einen guten Esslöffel weg und legte meinen möglichst dünn aufgeschnittenen Räucherlachs hinein, auf dass er etwas Salz verlöre und besser zu den übrigen Zutaten passen möge. Dann legte ich für jeden einen Teller mit etwas Endivie aus. Die beiden Blutorangen schälte ich mit dem Messer, um auch die weiße Haut komplett zu entfernen, dann löste ich die einzelnen Schnitzen so aus, dass gar nichts Weißes mehr dran war (sieht schöner aus). Hier heißt es Obacht: Die Blutorangenschnitzen müssen von allem anderen ferngehalten werden, sonst färben sie es rot! 
So, Fenchel in dünne Streifchen schneiden, Salat putzen (ich hatte keinen Feldsalat und habe anderen genommen). Fenchel und Salat mit der Sauce mischen, eine Schicht auf den Chicorée geben, Lachsstreifchen drauf, Blutorangen drauf, restlichen Salat drauf, die restliche Sauce, die beim Lachs war, drüber gießen ... guuut!
Hauptgericht hatten wir beide dasselbe, nämlich Fillet of Sea Bass, Olive mash and ratatouille. Das war ein Filet vom Loup de mer, in der Pfanne ordentlich gebacken. Es lag auf Kartoffelbrei... von Olive war da nichts zu schmecken, es war aber ein ordentlicher Schuss Sahne dran ... und auf Ratatouille, die ebenfalls anders war, als ich sie mache. Bei mir hat sie viel Flüssigkeit, in die man schön sein Brot tunken kann. Die bei Sheekey war so, als wäre sie - mit viel Olivenöl - so lange in der Pfanne oder im Ofen gebraten worden, bis die ganze Flüssigkeit verschwunden war, das schmeckte auch sehr gut. Also, das Hauptgericht war nicht weiter der Rede wert. 
Dann kam der Nachtisch: Mein Gatte hatte Cornish Fudge & Clotted Cream Ice Cream with Shortbread, das war eine Art Sahneeis mit Toffee, eine ziemliche Menge und sehr lecker. Ich hatte was ganz was Gutes: Steamed Yorkshire Rhubarb Sponge mit custard. Der steamed Pudding war ein super saftiger kleiner Kuchen, der wohl irgendwie in irgendeinem Dampf (steam!) gewesen war. Darauf befand sich eingekochter Rhabarber. Dazu wurde eine dicke, köstliche Sahnesauce mit echtem Vanille gereicht. Guuut! Nachdem ich ungefähr die Hälfte gegessen hatte, konnte ich nicht mehr.
Was haben wir für diese Fressorgie hingelegt? Mit zwei großen Flaschen Mineralwasser und zwei Bier ziemlich genau 100 Pfund.
Als wir aufstanden, waren wir pappsatt.
Wenn wir uns in dieser Gegend befinden, gehen wir normalerweise noch gerne in einem der Buchläden an der Charing Cross Road stöbern. Dort gibt es Geschäfte, die gebrauchte Bücher verkaufen, und schöne Filialen von Foyles und Blackwell's. Nach diesem Essen war uns nicht danach. Wir liefen weiter und mussten beide feststellen, dass wir uns überfressen hatten. Die Austern, die frittierten Fischeier, der in Butter gebackene Fisch, der angereicherte Kartoffelbrei, die sahnige Nachspeise... überrascht es jemand? Ja, wir sind nicht mehr die Jüngsten, wir vertragen nicht mehr so viel Fett. War aber gut. Wir fuhren dann gleich nach Hause und machten ein Mittagsschläfchen. Ist das Restaurant empfehlenswert? Hmhm, ja. Ist es für Familien mit kleinen Kindern geeignet? Ich habe am Sonntag keine kleinen Kinder gesehen und ich denke auch nicht, dass es das ideale Restaurant für kleine Kinder ist, aber unwohl fühlen werden sie sich dort auch nicht - und die Chitterlings werden sie bestimmt lieben! Würde ich wieder hingehen? Dagewesen, abgehakt, würde ich sagen, aber Ideen mitgenommen, nämlich den Salat (siehe oben) und meine Nachspeise (noch nichts diesbezügliches unternommen).

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