Sonntag, 28. Oktober 2012

Weckruf

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So, jetzt ist der vierte Spülkasten auch noch leer. Ja, wir haben vier Toiletten. Es sei denn, Ihr hättet fünf, sechs oder mehr müsst Ihr jetzt vor Neid erblassen. Naja, gut, Ihr könnt das Erblassen auch bleiben lassen, darum geht's nämlich gar nicht. Der letzte Spülkasten ist jetzt auch leer und wir haben nicht mehr viel Wasser. 
Aber von Anfang an: Gestern, gegen 18.00 Uhr, fuhr ich in einen nahe gelegenen Supermarkt. Ich kreuzte dabei eine Straße, auf der ein riesiger Sturzbach hinab lief. "Das muss ein gewaltiger Rohrbruch gewesen sein", dachte ich. Meine Einkaufsliste war kurz, umfasste jedoch glücklicherweise 5 Fünf-Liter-Flaschen Wasser. Ich verbrachte ziemlich viel Zeit mit Schnuppern, was es so alles gibt, und als ich mich wieder auf den Heimweg machte, war eine ganze Stunde vergangen. Der Sturzbach floss unverändert, der Wasserdruck hatte den Bürgersteig aufgerissen. Kein Arbeiter in Sicht. "Jetzt schlägt es aber dreizehn", dachte ich. Ich beschloss, gleich nach meiner Heimkunft irgendwo - ich wusste noch nicht, wo - anzurufen, z.B. bei der Feuerwehr. Handy hatte ich vorsichtshalber keins dabei, ich würde es doch nur verlieren. 
Da erblickte ich, etwa 200 Meter entfernt, in der bepflanzten Mitte eines Kreisels, einen Mitarbeiter des Wasserversorgers. Er telefonierte heftig gestikulierend und rannte dabei kopflos hin und her. Ich hielt an und wies ihn auf das Desaster hin, das sich in seiner Nähe abspielte. "Jaja, wir wissen es bereits", antwortete er mir. "Das Wasser läuft seit mindestens einer Stunde ungebremst", sagte ich empört. "Jaja, wir arbeiten daran", antwortete er mir. 
Die nächste Neuigkeit vom Rohrbruch erhielt ich heute früh, kurz nach dem Erwachen. Ich pieselte, betätigte die Klospülung und wollte mir dann, meiner Gewohnheit entsprechend, die Hände waschen. Tja, kein Wasser. Okay, dann eben nicht, gell? Kein Wasser. Wir sind zurzeit zu dritt im Haus, wir waren aber auch schon zu neunt oder zehnt. Katzenwäsche und Zähne putzen mit Flaschenwasser für drei.
Heute war herrliches Herbstwetter. Ich machte einen Spaziergang zu der Stelle, an der das Wasser ausgetreten war. Sie sah jetzt so aus:



Ein großes Loch. Ein Bagger, ein Lkw, mehrere Arbeiter. "Wie lange wird es wohl dauern, bis wir wieder Wasser haben?" fragte ich.
"Bis zur Mittagszeit", antwortete mir der Chef freundlich. Ich machte mich auf den Heimweg. Unserer Internet-Zeitung entnahm ich, dass 20.000 Menschen ohne Wasser sind.
Wenn man kein fließendes Wasser hat, merkt man erst, wie häufig man während des Kochens den Wasserhahn aufdreht. Kein Salat, nichts, was gewaschen werden muss.
Gegen 18.00 Uhr war das Wetter immer noch wunderschön, sehr kalt, sehr sonnig. "Ach, ich könnte noch einmal einen Spaziergang zum Loch machen", dachte ich mir. Das Loch war jetzt etwas größer. Drei Arbeiter standen darin und schaufelten nasse Erde von einer Seite auf die andere. "Wie lange wird es wohl dauern?" fragte ich. "Ich hoffe, wir werden heute noch fertig", antwortete der Chef. "Es ist ein komplizierter, komplexer Rohrbruch." Durch die Wassermassen des ersten Rohrbruchs war es zu Erdverschiebungen gekommen, die zwei weitere Rohrbrüche nach sich zogen. 
Hier seht Ihr den Wasserspeicher, der der Versorgung von 20.000 Menschen dient. Es brachen die Hauptversorgungsleitung für alle diese Menschen, ein Nebenarm und die Leitung, in der das Wasser von der Trinkwasseraufbereitungsanlage zum Wasserspeicher gepumpt wird. 


Das herauslaufende Wasser wurde nicht gestoppt. Der gesamte Inhalt des Speichers floss in ein naheliegendes Feld (5.500 Kubikmeter, habe ich gehört. Ich weiß nicht, ob das viel ist, ich weiß nicht, ob es stimmt.). Heute wird das mit der Wiederherstellung der Versorgung sicher nichts mehr. Am Loch lagen keine  neuen Rohre rum. Die Wasserversorgung ist privatisiert. Im Internet hat eine Frau geschrieben, die Mitarbeiter der Firma wären "enchufados", also Leute, die mit irgendwem verwandt oder bekannt sind. Die also aufgrund ihrer Beziehungen bei der Firma beschäftigt sind und nicht, weil sie Kanalarbeiter oder Installateure oder vergleichbares sind. Kann sein, dass das nur üble Nachrede ist, aber nach dem, was ich gesehen habe, ist es durchaus glaubhaft. Ich meine, wenigstens neue Rohre hätten da rumliegen können.
In den einen Spülkasten habe ich Wasser aus unserer Regentonne gefüllt (in der sich nur etwa 30 Liter befanden). Zum Zähneputzen etc. haben wir noch genügend Flaschenwasser. Die Leute, die einen Swimmingpool haben, sind fein raus, die füllen Wasser aus dem Pool in ihre Spülkästen. Mein Sohn hat erzählt, im nahe gelegenen Städtchen hätten die Leute das Wasser aus den Zierbrunnen geholt. Morgen früh werde ich Wasser kaufen gehen. Für die Zukunft müssen wir echt besser vorbereitet sein. Wie viel Trinkwasser sollte man wohl vorrätig halten? 50 Liter? Und dann werde ich noch eine große Regentonne kaufen, mit 200 oder 300 Liter Fassungsvermögen. Das soll uns echt nicht noch einmal passieren, dass wir uns so viele Gedanken um Wasser machen müssen.
Update vom Montag, 13.00 Uhr (zur Erinnerung: Rohrbruch von mir zum ersten Mal gesehen am Samstag, um 18.00 Uhr). Heute morgen hatten wir immer noch kein Wasser. Ich beschloss, zum Loch zu fahren und je nachdem, wie die Dinge dort aussahen, 20 oder 30 Liter Wasser zu kaufen.
Das Loch hatte eine etwas andere Form als gestern. Ein Arbeiter stand darin und schaufelte nasse Erde von einer Seite auf die andere. Acht oder neun Leute standen um das Loch und schauten ihm zu. Ich schämte mich, ein Foto zu machen.
Ich fragte einen Arbeiter: "Wie lange wird es wohl dauern, bis wir wieder Wasser haben?" Ich kann mich an seine vage Antwort nicht erinnern. Einer der Herren im Anzug sagte mir, man solle nicht zum Loch kommen und die Leute von der Arbeit abhalten, sondern beim Wasserwerk anfragen. Ich entgegnete ihm, dass laut Wasserwerk das Wasser ja bereits seit 24 Stunden wieder liefe. Die Auskünfte des Versorgers und der Gemeindeverwaltung seien völlig sinnfrei, deshalb würde ich mich persönlich zum Loch begeben.
Und was ich dort sah, schaute gar nicht gut aus. Ich ging in den Supermarkt und kaufte 300 Liter frischen Trinkwassers. Die meisten Leute hatten weniger in ihren Einkaufswagen. Laut Website der Gemeindeverwaltung (von gestern!) ist der Schaden repariert und das Wasser läuft wieder in den Speicher ein. Da die Rohrleitungen völlig leer und insgesamt 75 Kilometer lang sind, würde es natürlich eine Weile dauern, bis alle wieder Wasser hätten. Aha.
Vorm Supermarkt hätte man eine schöne Studie machen können: Wer glaubt den Verlautbarungen der Gemeindeverwaltung und des Wasserversorgers und kauft 10 oder 20 Liter? Wer glaubt, dass dieser Trupp lügt bzw. unfähig ist und hortet möglichst viel Wasser?
Die Leute, die nah am Fluss wohnen, holen sich mit Eimern Wasser für ihre WC-Spülkästen. Mich wundert, dass die Schulen geöffnet sind. Die haben doch auch kein Wasser für die Toiletten und viele Mütter ermuntern ihre Kinder sicher, ihr Geschäftchen woanders als zu Hause zu erledigen. Haben die Altersheime eigene Wasserspeicher? Wie waschen die die alten Leute? ¡Agua ya! 
Finale von Montag, 19.00: Auf der Website des Wasserwerks steht, dass die Versorgung seit 14.15 Uhr wieder hergestellt ist und alles so ist, wie vor dem Rohrbruch. Das ist fein. Für uns gab es allerdings einen ziemlich gravierenden Unterschied: Es kam überhaupt kein Wasser aus der Leitung. Auf der Website der Gemeinde dankte der Bürgermeister seinen Untertanen für ihre Geduld.
Ich machte meinen Abendspaziergang also wieder zum Loch. Seine Fläche hatte sich etwa verdoppelt, die Hälfte, die heute früh noch nicht da war, war aber schon wieder zugeschüttet. Im alten Loch stand ein Arbeiter und telefonierte. Neben dem Loch standen zwei Arbeiter und unterhielten sich mit zwei Polizisten. Ein neues Stück Rohr lag da. Niemand arbeitete.
Ein paar Wassernutzer versuchten schließlich, Informationen aus den Arbeitern zu holen. Auskunft: Die Wasserversorgung funktioniert wieder. Dass keiner der Anwesenden fließendes Wasser in seiner Wohnung hatte, war den Arbeitern ziemlich unerklärlich. Als ich wieder nach Hause kam, tröpfelte Wasser aus dem Hahn. Rasch verstärkte sich der Druck. Wir haben wieder Wasser! Die Spülmaschine läuft, wir werden morgen sauber aus dem Haus gehen. Juhuuu!

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