Samstag, 22. November 2014

Einschub (zur Beantwortung einer Frage)

Eigentlich sollte hier "Weihnachtsvorbereitungen - die zweite" stehen. In meiner Welt ist das: Schrank mit den guten Gläsern ausräumen und alle Gläser spülen, damit sie für die Festtage bereit sind. Hab's noch nicht gemacht, vielleicht mache ich es morgen. Es kam aber schon zweimal die Frage "Was ist eigentlich aus Eurem Chinesen geworden?" und diese Frage möchte ich nun hier beantworten.
Was bisher geschah: In unserer Siedlung in Spanien gibt es einen Supermarkt, der früher von der Besitzerin des Ladenlokals betrieben wurde. Sie bot frische und gute Waren an und machte großen Umsatz, denn es war und ist das einzige Lebensmittelgeschäft in Laufweite bzw. (ich kann es nicht lassen und muss diesen Satz in Maklersprache einfügen:) das fußläufig erreichbar ist. Dann machten in der näheren Umgebung (aber nicht in Laufweite) ein Mercadona, ein Aldi, ein Lidl, ein Día und ein Leclerc auf und angesichts dieser Konkurrenz sperrte sie zu und verpachtete das Geschäft. Mehrere Pächter scheiterten schnell, dann übernahm ein Chinese den Laden, der praktisch Tag und Nacht geöffnet hat, aber über ein ziemlich mangelhaftes Warenangebot verfügt. Nach eineinhalb Jahren verschwand er, kehrte aber - für mich überraschenderweise - nach ein paar Monaten wieder zurück (meine Prognosen sind immer falsch, Ihr dürft mich als menschlichen Kontraindikator verwenden, haha). Wer die lange Version der Geschichte will, hier sind Teil 1 und Teil 2. Um also die Frage "Was ist eigentlich aus Eurem Chinesen geworden?" zu beantworten: Er ist wieder da. 
Leute, ich habe noch nie im Leben ein so schlecht geführtes Lebensmittelgeschäft gesehen. Fisch hatte er von Anfang an nicht, Fleisch hatte er nach kurzer Zeit auch nicht mehr. Obst und Gemüse sind unter aller Sau. Er hat einfach nichts. Wir hatten einmal Besuch und da es Sommer war und heiß, beschlossen wir, uns und unseren Gästen Eis zu gönnen. Jeder suchte sich etwas aus, ich notierte die Wünsche: ein dunkles Magnum, ein Magnum mit Nüssen, ein Schoko- und ein Erdbeercornetto, zwei Wassereis, zwei Minimilk... oder so ähnlich. Ich ging in den Laden: "Ein dunkles Magnum", "habe ich nicht", "ein Schokocornetto", "ist leider aus", "zwei Minimilk", "kommen morgen wieder", "ja, dann ist es vielleicht besser, Sie sagen mir, was Sie haben, dann sind wir schneller fertig!". Mit irgendwelchen Eissorten, von denen die eine schon einmal aufgetaut und deformiert wieder eingefroren war, machte ich mich beschämt auf den Heimweg. Das war im Hochsommer, wenn es hier vor Kindern wimmelt. Kinder gehen sowieso nicht mehr hin, weil der Süßkram, den er lose verkauft, mittlerweile hart ist, wie mich die Enkelin meiner Nachbarin informiert hat.
Dann schickte ich einmal meinen Gatten hin, weil ich für ein Rezept Champignons benötigte und mich selber schämte, hinzugehen, weil er nie das hat, was ich will (ordentlichen Kopfsalat, Tomaten). Mein Gatte kam mit einem Schälchen völlig verschimmelter Pilze zurück. Die habe ihm der Chinese geschenkt, wir sollten die raussuchen, die noch brauchbar sind. Da war aber nix brauchbar und ich warf die ehemaligen Champignons in den Müll. Seitdem weigert sich mein Gatte, den Laden aufzusuchen.
Einmal schickte ich meinen Sohn hoch, weil ich Bananen benötigte. Nach einer Viertelstunde kam er zurück: "Der Chinese hat keine Bananen." "Ja, was hat er denn?" fragte ich. "Er hat Äpfel," entgegnete mein Sohn. 
Ich war seit Monaten nicht mehr dort, weil ich mich schäme, dort einzukaufen. Ich habe aber kein schlechtes Gewissen mehr dabei, denn ganz offensichtlich lebt der Lebensmittelverkäufer nicht vom Verkauf von Lebensmitteln (Rauschgift verkauft er aber auch nicht, das wüsste man in unserer kleinen Welt, Hehlerware auch nicht, denn da müsste er ja ein bisschen Reklame machen). Ich meine, bedenkt doch mal die Auslagen die er hat: 800 Euro Miete, 500 Euro Strom etc. (das hat mir seine Vermieterin erzählt), seine Sozialabgaben (mindestens 260 Euro, da fängt die Skala an), Heizung nichts, denn er heizt auch im tiefsten Winter nicht. Sagen wir also 1600 Euro Unkosten. Und dann kosten ja auch noch die Waren (in diesem Fall wenig, denn er verkauft ja nichts...). Nehmen wir an, die Waren kosten 400 Euro, dann braucht er noch 1000 Euro zum Leben. Dann wären wir bei 3000 Euro im Monat, die hereinkommen müssen. Da er viele Waren bei Lidl und Aldi kauft und etwa 30 Prozent aufschlägt, müsste er 3000 x 3 = 9000 Euro umsetzen, um 1000 Euro zu verdienen (eine gutwillige, ahnungslose Rechnung). Also müsste er pro Tag (er hat jeden Tag geöffnet) 300 Euro umsetzen und das ist - angesichts der Tatsache, dass er außer der Staffage in Form von Nudeln, Reis und Spielzeugschrott praktisch nichts zu verkaufen hat - unmöglich.
Letzten Sommer hat übrigens der Chiringuito-Betreiber zusätzlich ein Eisbüdchen auf dem Weg vom und zum Schwimmbad aufgemacht. An meinem Geburtstag wollte ich meine Freundinnen zu diesem Mojito-Wassereis mit Limonenschalen, das sehr lecker ist und nur 60 Kalorien hat, einladen. Ich hatte ja kaum Hoffnung, dass er 12 Mojito-Eis haben würde, hatte er aber, und vier Minimilk auch. Nächstes Mal gehen wir natürlich gleich dorthin und nicht zum Chinesen. Wenn das erste Wort, das einem im Zusammenhang mit einem Geschäft einfällt, "schämen" ist, dann läuft wirklich irgendwas ganz, ganz falsch.
P.S.: Für den Fall, dass sich in den letzten Monaten, in denen ich nicht im Laden war, etwas grundsätzliches geändert haben sollte, habe ich mich extra für Euch zum Laden begeben. Es hat sich etwas geändert: Das Regal, in dem sich die Milchprodukte befanden, ist jetzt auch leer und abgeschaltet. Er hatte gestern je eine Packung Butter und Margarine sowie vier Joghurts, die sich im einzigen Kühlregal befanden, das noch bleibt. An der ehemaligen Fischtheke, an der er abgepackte Kuchen platziert hatte, die dort - im wahrsten Sinne des Wortes - vor sich hinschimmelten, liegen jetzt Nudeln, in der ehemaligen Fleischtheke liegen Beutel mit Linsen und Kichererbsen, und zwar so dekoriert, dass sie möglichst viel Fläche bedecken, in der ehemaligen Wurst- und Käsetheke liegt der gesamte Kühlkram, der noch verbleibt, nämlich abgepackte Wurst und die Milchprodukte siehe oben. Im Tiefkühlfach lagen keine Pizzen mehr, auch kein Speiseeis. Die eine Hälfte des Fachs war mit abgepackten Eiswürfeln gefüllt, in der anderen lag diverses Zeug, so genau habe ich auch wieder nicht hingeschaut. Im Obst- und Gemüseregal gab es schöne Äpfel, Birnen, Orangen, Trauben (von denen ich ein Kilo erwarb), eine angeschrumpelte Paprikaschote, leicht angewelkten Mangold, Zwiebel und Kartoffeln sowie verschiedene Sorten frisches Brot. Das war's. Das Thema "Chinese" ist hiermit für mich erledigt. Jetzt räume ich den Gläserschrank aus. Freut Euch auf Vorher-Nachher-Bilder!

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