Samstag, 12. Oktober 2019

Der Bambushain von Kyoto und der Taifun in Tokio

Also, wir sind wieder in Tokio (Samstag, 12. Oktober 2019) und es scheint als wären wir den ganzen Tag an unser Hotelzimmer gefesselt, ein Taifun ist nämlich über uns. Er steuert ja schon seit Tagen auf die Stadt zu und es sieht nach einem "direct hit" aus. Gestern abend, als wir von Kyoto zurückkamen, regnete es schon leicht. Als wir heute früh aufwachten (kein Jetlag mehr, juhuu), regnete es, nach einer Weile regnete es stärker. Vorhin waren wir unten in der Hotellobby, in der sich viele Leute befanden. Klar, heute kann man nichts unternehmen. Mein Gatte und ich überlegten uns, irgendwo hinzugehen, zum Beispiel in das Kaufhaus Tokyu Hands, das uns empfohlen wurde und das ungefähr zehn, fünfzehn Minuten Fussweg vom Hotel entfernt ist, aber es regnet schon ziemlich stark, also, Schuhe und lange Hosen wären sofort nass. Wir schauten einer Familie zu, die das Hotel verliess, es sah nicht sehr ratsam aus. Ausserdem soll das Wetter im Laufe des Tages ja schlechter werden. Die Züge stehen jetzt schon still, der Flughafen ist wohl auch dicht und am Mittag wird der Nahverkehr eingestellt. Gestern, auf dem Rückweg von Kyoto, deckten wir uns mit Essen und Wasser für den ganzen heutigen Tag ein. Der Laden auf dem Bahnhof, in dem wir kauften, war komplett voll, es waren soviele Menschen drin, wie nur reinpassten. Man stand quasi gleich nach Betreten des Ladens für die Kasse an. Aber alle Regale waren voll, alles funktionierte wunderbar. Vor den Japanern kann man echt den Hut ziehen. Unsere Minibar ist voll mit Bento-Boxen mit unidentifizierbarem Inhalt (was wir uns eben im Laden schnappen konnten), mit japanischen Sandwiches und Wasser. Zum Frühstück hatten wir uns fertigen Milchkaffee mitgenommen, das war eine ziemlich süsse Angelegenheit. (Klar hätten wir auch im Hotel frühstücken können, aber das hätte 2000 Yen gekostet, das sind, glaube ich, 18 Euro und wir sind keine grossen Frühstücker. Da hätten wir uns gezwungen gesehen, uns vollzustopfen, bloss weil wir bezahlt haben. Das ist nichts für uns.) Jetzt ist es elf Uhr zwanzig und es regnet.
Ich erzähle Euch von gestern, vom Bambushain von Arashiyama. Laut Lonely Planet gehört er zu den 500 sehenswürdigsten Sehenswürdigkeiten der Erde. Naja, echt? Echt? Ts. Zu erst einmal: Das "Wäldchen" ist ziemlich klein, scheint mir. Definitiv kleiner als ein Quadratkilometer. Dieser berühmte Weg ist vielleicht zweihundert Meter lang. Okay, sollen es mal dreihundert sein. Was man auf dem Foto im Internet sieht -es scheint nur eins zu geben - ist alles, was man sieht. Mehr gibt es nicht. Was soll denn an diesen hohen Bambusstangen so besonderes sein? In Kolumbien haben wir auch Bambushaine gesehen. Hapert es anderswo am Marketing? Der kurze Weg (das, was man auf dem Foto sieht, ist wirklich!!! alles) ist voller Touristen aus aller Welt. Falls Ihr in Kyoto seid und es nicht dorthin schafft... das macht ü-ber-haupt nichts. Ich bin aber doch froh, dass wir diese Sehenswürdigkeit abgehakt haben. Und das ist ja auch ein Ziel des Reisens, nicht wahr? Sehenswürdigkeiten abhaken, Lonely Planet-Empfehlungen abhaken. Wenn man gegen die Bambusstämme klopft, klingen sie überraschenderweise als wären sie aus Metall.
Neben dem Bambushain ist noch ein Tempel, der zum Weltkulturerbe zählt, den schauten wir uns auch an. Er ist ein normaler japanischer Tempel mit einem wunderschönen Garten. Statt Rasen war der Boden mit Moos bedeckt. Nirgendwo ein Unkraut. Alles perfekt zugeschnitten. Hier haben wir gesehen, wie sie diese Perfektion erreichen: Auf engem Raum (20 Quadratmeter) sassen vier Männer im Schneidersitz auf dem Boden und zupften (unter Zuhilfenahme eines Mikroskops, Spässle) Unkraut. Drei Männer schnitten Nadelbäume, aber die sägten da nicht Äste ab, wie man das bei uns machen würde, sondern sie entfernten kleine Triebe, die nicht in die gewünschte Richtung wuchsen. So geht das. Und dementsprechend sieht es dann halt auch aus.
Anschliessend fuhren wir zurück in die Stadt, gingen noch ein bisschen in der Gegend um den Bahnhof spazieren und nahmen dann den Shinkansen zurück nach Tokio. Das Gute ist, dass es hier überall auf den Bahnhöfen Schliessfächer gibt, wo man sein Gepäck lassen kann, während man zum Beispiel durch den Bambushain spaziert.
Das Wetter um 13 Uhr: Es regnet stark, aber es ist kein Starkregen.
Ich erzähle Euch noch ein paar andere Sachen, die mir hier aufgefallen sind: Ach ne, das Wichtigste zuerst, schon am Flughafen haben uns entsprechende Werbeplakate gegrüsst: Die Toiletten, die einem Wasser an den Popo spritzen. Ich gestehe Euch ganz ehrlich, ich habe sie noch nicht ausprobiert. Mein Gatte hat das Klo im Hotel ausprobiert und dabei Folgendes erlebt: Zuerst war der Strahl zu schwach und erreichte seinen Popo gar nicht. Dann stellte er ihn stärker und er war zu stark, unangenehm stark, und er wusste nicht, wie man ihn wieder schwächer stellt und er wagte nicht, aufzustehen und genau zu gucken, weil er Angst hatte, dass die Fontäne im ganzen Bad herumspritzen würde (ich hatte meinen Kulturbeutel vorsichtshalber in Sicherheit gebracht), also blieb er sitzen und hielt aus, bis das Spektakel vorbei war. Danach hat er das Ding nicht mehr benutzt. Da wir, wie bereits gesagt, heute den ganzen Tag im Hotel verbringen müssen, probiere ich es nachher vielleicht auch einmal. Das Klo hat selbstverständlich noch viele weitere Features. Die Brille ist zum Beispiel immer vorgeheizt. Ich finde das unangenehm. Es ist nämlich echt als wäre gerade jemand aufgestanden und die Brille wäre noch warm vom Vorbenutzer. Ich mag das gar nicht, wenn mein Popo beheizt wird, ich mag auch keine Sitzheizung im Auto.
Auch aufgefallen ist mir, wie weiss die Haut der Frauen ist. Die bemühen sich wirklich, dass kein Sonnenstrahl an sie kommt. Die Kinder sind schön braun, die Männer sind dunkler als die Frauen, daran sieht man, dass sie eigentlich dieselbe Hautfarbe haben wie Mitteleuropäer, aber sie lieben eben diesen schneeweissen Hautton. Dann ist auch auffällig wie schlank sie sind. Die jungen Mädchen mit ihren langen Röcken oder sehr weiten Hosen, ihren hübschen Blusen, das ist schon chic. Die meisten Männer tragen schwarze oder dunkelblaue Hosen und weisse oder hellblaue Hemden. Sie sehen eleganter aus als wir.
Was noch? Sie futtern nicht auf der Strasse und tragen keine Kaffeebecher und Wasserflaschen mit sich herum. Das trägt auch zu einem schöneren Strassenbild bei.
Überall sieht man Schulkinder auf Klassenausflügen. Manche Schulen haben Uniformen, andere nicht. Gruppen von kleinen Kindern haben immer gleichfarbige Mützen auf, das finde ich praktisch, das erleichtert den Lehrern die Arbeit doch erheblich. Wenn da eine weinrote Mütze irgendwo abseits steht, weiss der Lehrer gleich: Aha, das ist einer oder eine von meinen. Überhaupt, praktisch, das ist ein Wort, das ich stark mit Japan verbinden würde. Wir haben ein ziemlich altes Buch, es ist vielleicht so zwanzig Jahre alt, das sich über japanische Gimmicks lustig macht. Zum Beispiel ein Haarezurückhalter für wenn man Ramennudelsuppe isst oder ein Regenschirm, dessen Rand bis zum Boden reicht, oder ein Strampelanzug für Babys mit Polierelementen, damit sie beim Krabbeln gleich das Parkett zum Glänzen bringen. Wir sind erst seit wenigen Tagen hier, aber schon hat sich mein Blick auf dieses Buch geändert: Es sind die Japaner, die sich über sich selbst lustig machen und über ihren Drang, zu verbessern, zu erfinden, das Leben leichter und angenehmer zu machen.
Was ist mir noch aufgefallen? Ach ja, das ist mir schon auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel aufgefallen: Wie sie ihre Wäsche trocknen. Vor dem Haus, möglichst gut sichtbar, auf festen Stangen. Hemden werden ordentlich auf Bügel gehängt und kommen auf diese Stangen vor dem Haus bzw. auf dem Balkon.
Leute, es regnet immer noch stark. Zwischen sechs und neun Uhr heute abend soll der Taifun am stärksten werden. Es bleibt spannend.

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