Sonntag, 24. Juni 2012

Aufregung in unserer Siedlung in Spanien

Vor ein paar Stunden: Ich war im Badezimmer und zog gerade meinen Badeanzug an, als ein Hubschrauber sehr niedrig am Fenster vorbeiflog. Es kommt hier gelegentlich vor, dass Flugzeuge niedrig fliegen, aber das war schon extrem. Ich schaute genauer: es war der Rettungshubschrauber. Er landete auf einer Wiese hinter den Häusern, die unseren Häusern gegenüber stehen. Ich zog mich fertig an, schnappte meine Badetasche und machte mich auf den Weg ins Schwimmbad, das sich neben der Wiese, etwa 3 Gehminuten von unserem Haus, befindet. Schon von weitem sah ich, dass viele Kinder auf dem Dach des Maschinenhäuschens in einer Ecke des Schwimmbads standen und über die Hecke auf die Wiese starrten.   
Die allgemeine Aufregung war für einen gewöhnlichen Herzinfarkt o.ä. eigentlich zu groß. Schon hörte ich die ersten Gerüchte: Jemand hat sich mit der Motorsäge ins Bein gehackt. Das nächste Gerücht: Jemand hat sich mit der Motorsäge in den Hals gehackt! Das dritte Gerücht, das nicht mehr korrigiert wurde und bei dem es dann blieb: Jemand hat sich mit einem Winkelschleifer den Arm abgeschnitten. Unfassbar. Sofort brannte sich dieses Bild in unsere Hirne ein. Meine Freunde und ich versuchten angestrengt, über andere Dinge zu reden und kamen doch immer wieder auf das Thema. Nach einer Weile kam auch noch ein Krankenauto. Es muss jemand aus den Häusern, die unseren Häusern gegenüber stehen, gewesen sein. Aber wer? Pepe war es nicht, der sitzt gerade auf seiner Terrasse und schaut mit seiner Familie Fußball. Aurelio war es nicht, der ist ein Intellektueller und weiß wahrscheinlich nicht einmal, was ein Winkelschleifer ist. Die im nächsten Haus kommen nur im Sommer und sind noch nicht da. Der nächste, Carlos, heimwerkelt, glaube ich, ein bisschen. Gerardo kann's nicht gewesen sein, der war selbst im Schwimmbad. Die Leute im nächsten Haus kenne ich nicht, dann kommt ein Megaheimwerker. Da heute Sonntag ist, glaube ich nicht, dass es ein Arbeiter war, der bei jemandem tätig war.
Der Sonntag ist der Tag des Herrn, am Sonntag ruh' und bete gern, haben wir als Kinder gelernt. 
Der Hubschrauber flog dann weg, der Mann wurde im Krankenauto mitgenommen, berichteten die Kinder. Es wurde vermutet, der Hubschrauber sei losgeflogen, Ärzte zum Wiederannähen einzusammeln. Die medizinische Fürsorge ist wirklich beeindruckend. Ich schätze, die Flugzeit von unserer Siedlung zur Uniklinik beträgt 5 Minuten. Ich weiß, wovon ich spreche, wir haben ein paar Jahre lang in einer Wohnung mit Blick auf einen Hubschrauberlandeplatz gelebt. Die Autofahrt dauert etwa 15-20 Minuten.
Schrecklich, schrecklich. Man muss für jeden Tag dankbar sein, an dem man gesund ist. Wie schnell kann aus fröhlichem Heimwerken eine Tragödie werden.

Update vom nächsten Tag: Was tatsächlich geschah und warum der Rettungshubschrauber kam: Es war der Megaheimwerker. Während er mit einem Winkelschleifer arbeitete, zersprang die Schleifscheibe. Ein Stück schnitt ihm tief in die Hand, zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Beobachtungen der Kinder "der Arm hing weg" oder "der Arm wurde separat in einer Kühltasche transportiert" waren falsch. Ein Stück der Schleifscheibe landete in seinem Hals. Die Frau des Heimwerkers rief den Intellektuellen, der von Beruf Arzt ist. Er stellte fest, dass man das Metallstück nicht entfernen konnte, weil die Gefahr bestand, dass das Blut aus der Halsschlagader schießen würde. Deshalb wurde der Rettungshubschrauber gerufen. Die Crew stabilisierte den Verletzten, dann wurde er ins Krankenhaus gefahren. Das Metallstück wurde chirurgisch entfernt, die Hand wurde genäht. In drei, vier Tagen darf er wieder nach Hause, bleibende Schäden werden nicht erwartet. Wahnsinn, wie nah unser Nachbar dem Tod war. Ein schöner Schreck für die ganze Siedlung.    

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