Donnerstag, 5. April 2012

Krise in Spanien: Dörfliches Idyll II

Ich komme noch einmal auf das Thema Lädchen in unserer Siedlung in Spanien zurück, über das ich mich in meinem Eintrag vom 16. Februar ausgelassen hatte. Das Geschäft wird nun tatsächlich von einem chinesischen Ehepaar geführt. Uff, dazu gibt's soviel zu sagen. Ich hatte, wie im Februar geschrieben, nicht vor, dort wieder einzukaufen, weil es mir unangenehm ist, Leuten, die kein Hartz IV im Rücken haben, beim Scheitern zuzusehen. Ja, gut, dann brauchte ich irgendwann mal irgendwas und ging doch hoch. Die Vermutung, die mein Sohn P. geäußert hatte, dass nämlich die Chinesen (sie haben Namen, die möchte ich aber hier nicht hinschreiben) im Lagerraum hinter dem Geschäft leben, scheint sich zu bestätigen. Es ist eine Familie mit mehreren Kindern. Der Laden ist von 8 Uhr bis 23.30 Uhr geöffnet. Das Sortiment wurde zur Hälfte auf den für chinesische Läden üblichen Kram umgestellt. Ich unterhielt mich mit einer Freundin darüber und sagte: "Ich glaube, die Leute hier werden dieses Zeug nicht kaufen, die sind doch alle wohlhabend." Sie antwortete mir: "Die Leute verarmen so schnell ... viele hier haben schon Probleme." Als sie das sagte, musste ich an ein Rentnerehepaar denken, das ich persönlich kenne. Sie haben vier erwachsene Kinder, von denen nur eines, ein Arzt, arbeitet. Eines der Kinder hatte einen ganz tollen Job und die Eltern waren sehr stolz. Die Firma, bei der er arbeitete, ist pleite, er ist seit zwei Jahren arbeitslos, er hat selbst drei Kinder und eine große Hypothek zu schultern. Als Arbeitslosenunterstützung erhält er 426 Euro, sonst gibt's vom spanischen Staat nix. Die Rentner zahlen die Hypothek und den Lebensunterhalt der jungen Familie - und den der anderen beiden Kinder (nein, dies ist kein ungewöhnlicher Fall, solche Fälle gibt's hier wie Sand am Meer). Aus Gründen, die sich mir nicht erschließen, glauben sie, dass die Krise nächstes Jahr vorüber sein wird, aber was weiß ich schon.
Aber zurück zu den Chinesen: Es sind ganz liebe Leute mit ganz süßen Kindern. Lebensmittel verkaufen sie natürlich auch, sie haben aber keinen frischen Fisch mehr und nur abgepacktes Fleisch. Ich war mittlerweile schon mehrmals im Laden, hauptsächlich um frisches Brot zu holen. Am besten scheinen Tiefkühlpizzen (billiger als vom Pizzadienst und bis spät abends erhältlich!), Chips, Bier usw. zu gehen, Sachen also, die sich junge Leute holen, wenn Freunde zu Besuch sind oder die Mami oder die Haushälterin nicht genug vorgekocht hat. Sollte der Laden tatsächlich ein Erfolg werden??? Die Chinesen sind unendlich fleißig und wissbegierig. Da ich dem Mann erzählt habe, dass sie schon die fünften Pächter sind (das hatte ihm die Vermieterin vorenthalten), benutzt er mich nun als Informations-quelle. "Stimmt es, dass im Sommer viel mehr Leute hier in der Siedlung sind?" fragte er mich. Das hatte ihm auch die Vermieterin erzählt. Ich antwortete: "Im Sommer kommen viele Leute, aber von den Leuten, die das ganze Jahr über da sind, gehen im Sommer auch viele. Summa summarum sind es im Sommer nur wenige mehr." Letzten Sonntag, am Palmsonntag (ja, er hat auch sonntags geöffnet), kamen Leute mit Lorbeerzweigen (die hier anstatt Palmzweige verwendet werden) herein, um nach dem Gottesdienst frisches Brot zu kaufen. "Was hat es denn mit den Lorbeerzweigen auf sich?" fragte er mich. Ich erklärte es ihm. "Was ist denn nächsten Freitag los? Da ist doch irgendwas. Da darf ich auf keinen Fall Brot backen, habe ich gehört", sagte und fragte er. "Nächsten Freitag ist Karfreitag", erklärte ihm eine andere Kundin, "da darf man kein Brot backen und auch keins essen. Da ist nur einmalige Sättigung erlaubt. Früher haben am Karfreitag noch nicht einmal die Kühe auf der Weide gefressen!" Letzteres ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Sollte es möglich sein, dass der Laden ein Erfolg wird??? Wer die Familie kennt, schließt sie ins Herz. Der Sohn trägt denselben Vornamen wie der Torhüter der spanischen Nationalmannschaft. Die Miete beträgt achthundert Euro. Kann nicht funktionieren, oder? 
Jetzt bitte nicht wieder denken: "Oh nein, die Hausfrau ist deprimiert." Nein, ich bin nicht deprimiert, überhaupt nicht, ich möchte nur schriftlich festhalten, was hier in Spanien abgeht. Und ich werde auch eine neue Kategorie für meine Einträge einführen, nämlich "Krise in Spanien".

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