Samstag, 19. Oktober 2013

Krise in Spanien: Brotes Verdes, oder?

Ach, Leute. Ich weiß, dieses Thema interessiert Euch nicht und Google schickt niemanden, der Krise in Spanien als Suchwort eingibt, meines Weges. Aber, wie ich Euch schon mehrfach gesagt habe, ich will's einfach festhalten. So, also. Gestern stand ich wieder mit ein paar Nachbarn auf der Straße und wir diskutierten: Gibt es Brotes Verdes (sprich Brottes Werdes, zu deutsch grüne Triebe oder grüne Knospen)? Das oft bemühte Licht am Ende des Tunnels, das in Spanien von offizieller Seite in eben dieser botanischen Form überall gesehen wird? 
Naja, zu diskutieren gab es nicht viel. Wir standen da also draußen auf der Straße (Wetter war noch gut, morgen soll's regnen), totale Einigkeit, es gibt keine Brotes Verdes. Aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft und nur aus den letzten Wochen: B., die Handelsvertreterin, hat ihren Arbeitsplatz verloren. J. und A. sind derselben Massenentlassung zum Opfer gefallen, C. hat sein Haus verkaufen müssen und ist in Miete gezogen, J.s Lohn wurde von 800 auf 500 Euro gekürzt. Alle in unserer Nachbarschaft. ¿Brotes Verdes? Hahaha. S., die Aushilfslehrerin, hatte gehofft, zum Schuljahresbeginn gerufen zu werden, wurde sie aber nicht. Okay, eine positive Sache: Eine Forderung, die als uneinbringlich gegolten hatte, wurde doch zu 2/3 beglichen. Schön, oder?
Wie ich Euch bereits erklärt habe und auch meinen Nachbarn sagte, habe ich noch eine Zweitmeinung, siehe hier, Zweitmeinung der Hausfrau, die ich vorbrachte. Meine Nachbarn waren überrascht, wie ein Mensch, den sie doch als halbwegs vernünftig einschätzten (danke!), zumindest teilweise an die Brotes Verdes glauben konnte. "Das glaubst du doch nicht wirklich", sagten sie und meinten, ich würde den abogado del diablo, den Anwalt des Teufels, spielen. Ich habe aber handfeste Beweise dafür, dass ich mir wirklich diese Zweitmeinung, nämlich den Glauben an die Brotes Verdes, leiste. 
Die Spanier, von ganz links bis ganz rechts, glauben den Politikern gar nichts mehr. Die konservative Regierung von Mariano Rajoy hat jedes ihrer Wahlversprechen gebrochen. Man müsste wirklich suchen, ob vor der Wahl irgendwo irgendwas versprochen wurde, was gehalten wurde. Man hatte geglaubt, dass nach Zapatero nichts Schlimmeres kommen könnte, Links und Rechts haben das geglaubt. Aber es kam schlimmer. Es ist wie im Mittelalter: eine mächtige Kaste blutet ihr Volk aus. Dazu habe ich mal diesen interessanten Artikel gelesen (auf spanisch): Élites extractivas. Oh, ich sehe gerade es gibt ihn auch auf englisch: nämlich hier. Falls es irgendjemand interessiert. 
In Spanien wird kaum einer wegen Korruption bestraft, höchstens die Richter, die versuchen, dagegen vorzugehen. Hahaha, oder? Viele Spanier meinen, solange es kein funktionierendes Rechtssystem gibt (gibt es in Spanien nicht) und Korruption und Vetternwirtschaft in der bisherigen Form weiterbestehen, kann es nicht aufwärts gehen. Nun, ich kann beweisen, dass ich auch einer zweiten Meinung bin: Getreu dem amerikanischen Satz Put your money where your mouth is habe ich vor ein paar Wochen spanische Aktien gekauft (Telefonica und Banco Santander). Und die sind stark gestiegen. 
Im Grunde meines Herzens glaube ich aber, dass es für das gewöhnliche Volk weiter abwärts gehen wird und dass das von den wirklich Mächtigen gewünscht ist. Brotes Verdes an der Börse vorläufig ja, für unsere Bekannten B., J., A., C., J. und S. nicht. Mehr fällt mir dazu jetzt nicht ein. 

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