Dienstag, 20. Januar 2015

Honchi zua...

Honchi zua...atatakai omotenaschi-wo...arigató gosai masch-ta. Dieser Satz ist japanisch, geschrieben wie gehört. Die Pünktchen bedeuten nicht, dass da was fehlt, sondern dass da das Atmen erlaubt ist. Der Satz bedeutet: Vielen Dank für Ihre warme Gastfreundschaft am heutigen Tag. Um diesen Satz auswendig zu lernen - und um zu lernen, ihn mit korrekter Intonation und ganz natürlich vorzutragen - brauchte ich sage und schreibe fünf Stunden. Ich war mit einer Gruppe in einem japanischen Haushalt eingeladen und fand es halt hübsch und aufmerksam der Gastgeberin gegenüber, mich in ihrer Muttersprache zu bedanken. Ich bat also eine japanische Bekannte (Atsuko), mir einen Satz des Dankes zu sagen und ihn mir dann auf den Anrufbeantworter des Handys zu sprechen, damit ich ihn, so oft ich wollte, hören konnte, zwecks Intonation und so. Ich übte erst ein bisschen mit der Bekannten, dann füüüüünf Stunden lang alleine. Ich war ein bisschen erschrocken, wie lange ich für diese einfach scheinende Angelegenheit brauchte und fürchtete schon das Schlimmste (Alzheimer!!!! Galoppierende Verblödung! Beim jungen Menschen (damals so 45) noch schlimmer als beim alten!!!) 
Nun, dann kam der Tag, an dem ich meinen Satz los werden durfte. Wir hatten ein wunderschönes gemeinsames Mittagessen und ich bedankte mich im Namen der Gruppe in der in Rede stehenden Weise. Die Gastgeberin sagte etwas auf Japanisch und fertig. Hinterher sagte ich zu Atsuko: "Nobuko hat gar nichts dazu gesagt, wie schön ich den Satz vorgetragen habe." "Sie fand das nicht der Rede wert", antwortete mir Atsuko. "Sie hat einfach gedacht, du kannst japanisch." Naja, is' halt 'ne Anekdote aus meinem Leben.
Worauf ich aber hinaus will: Den extremen Zeitaufwand für das Auswendiglernen einer doch recht kurzen Buchstabenfolge: Honchi zua...atatakai omotenaschi-wo...arigató gosai masch-ta. Hätte ich da mit zwanzig Jahren genauso lange dafür gebraucht? Man beobachtet doch (also ich), dass man sich nicht mehr so lange konzentrieren kann wie früher und dass Sachen schlechter vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächnis wandern. Eine Freundin, die einer jungen Psychologin ein Auskommen verschaffen möchte, hat anderen Freundinnen und mir angeboten, bei ebendieser Psychologin einen Gedächtniskurs zu machen. Man darf gespannt sein, heute geht es los. Sie ist Diplom-Psychologin und hat einen Master in Neuropsychologie. Sie rief uns an, um Karteikarten anzulegen. Sie fragte, ob ich ein bestimmtes Anliegen hätte. "Ja," sagte ich, "ich kann mich nicht mehr so lange konzentrieren wie früher." Mit ihrer Antwort zeigte sie, dass all die Studienjahre nicht umsonst waren, dass Welten den geschulten Fachmann vom blutigen Laien trennen, denn sie sprach: "Ja, das ist das Alter." Ich war verblüfft ob dieser messerscharfen Analyse. Naja, heute geht es los, vier Abende im Ganzen.
P.S.: Leute, ich bin wieder da von meinem Kurs und ich muss Euch sagen, ich war sehr positiv überrascht. Der Unterricht, wenn ich es mal so nennen darf, war lehrreich und interessant. Das Thema heute war "Aufmerksamkeit". Die Psychologin begann damit, dass sie kurz (wir hatten ja nur eine Stunde) den Aufbau des Gehirns erklärte, die verschiedenen Bereiche, die für verschiedene Dinge zuständig sind, die Bäumchen, die mit Synapsen wachsen und sich verzweigen oder eingehen können. Sie beschrieb kurz die verschiedenen Formen der Aufmerksamkeit, die selektive, die langfristige und die geteilte Aufmerksamkeit. Dann machten wir verschiedene Übungen zu diesen Themen. Als erstes las sie einen naturgemäß extrem langweiligen Text über WLAN und das Anschließen von Routern vor und prüfte, wo wir ihm alle brav folgen konnten. Das war die langfristige Aufmerksamkeit. Dann spielten wir ein französisches Kartenspiel namens Dobble, bei dem man sehr gut aufpassen musste, um zu gewinnen. Das war die selektive Aufmerksamkeit. Ich habe gerade gesehen, dass man dieses Spiel für 9,99 Euro bei Amazon bestellen kann. Es ist zu empfehlen. ich werde es mal bei einer anderen Bestellung mitbestellen, damit der Versand nichts kostet (wenn ich es nicht vergesse, haha). Dann kam die geteilte Aufmerksamkeit. Zu diesem Thema spielte sie uns auf dem Computer Stand-up-Comedy vor und gleichzeitig mussten wir einen Text lesen, der nichts damit zu tun hatte. Dann befragte sie uns zum Text und zur Comedy. Das fand ich ziemlich schwierig. Dann machten wir noch ein Spiel, bei dem wir (4 Kursteilnehmer) die Hände auf dem Tisch überkreuzen mussten, dass also von den vier Händen, die vor dir lagen, die nächstgelegenen jeweils die der Nachbarn zur Rechten und Linken waren. Im Kreis musste immer eine Hand nach der anderen auf den Tisch klopfen, dazu musste man sich konzentrieren, während die Kursleiterin einen Artikel vorlas, zu dem sie uns dann befragte. Das war alles, wie schon gesagt, lehrreich und hat viel Spaß gemacht. Ich freue mich schon auf die nächste Stunde! Wusstet Ihr zum Beispiel, dass es im Hirn Funktionen gibt, die exekutive Funktionen heißen und die unter anderem dafür zuständig sind, wie man Entscheidungen trifft, sich organisiert und plant? Und dass diese Funktionen gestört sein können? Fand ich hoch interessant. Da sieht man jemanden und denkt: Was ist denn das für ein Chaot? und in Wirklichkeit ist es einfach ein Mensch, bei dem die Exekutivfunktionen nicht so toll laufen. Wenn jemand schlecht sieht, verzeiht man das sofort, dem Chaoten hält man seine Einschränkung vor. In der nächsten Stunde (nächsten Dienstag) kommen wir zum Thema "Gedächtnis". Am Ende war die heutige Stunde übrigens 90 Minuten lang. Ich glaube, die junge Kursleiterin war auch zufrieden mit ihrem Erfolg bei ihren Schülerinnen.     

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen