Dienstag, 10. März 2020

Das Coronavirus bei uns in Spanien

Ihr wisst, ich bin der Meinung, man sollte ein bisschen vorsorgen. In den spanischen Nachrichten berichten sie von Hamsterkäufen, die Leute räumen die Läden leer, insbesondere Toilettenpapier wird stark nachgefragt. Heute früh ging ich in die Apotheke, um ein paar Medikamente zu besorgen, denn ich warte praktisch immer bis zur letzten Tablette bevor ich nachkaufe, und das ist keine gute Strategie. Auf dem Weg zur Apotheke begegnete ich Nachbarn und fragte sie, ob sie auch ordentlich Vorräte angelegt haben. Nein, antworteten sie, sie hätten aber FFP2-Masken. Wow. Da der uns nächstgelegene Supermarkt ein Prospekt mit richtig guten Angeboten in die Briefkästen geworfen hat, forderte ich sie dringend auf, ihre Speisekammer zu bestücken. In meinem eigenen Interesse, nicht, dass sie dann kommen...hast du mal??? Da muss ich morgen noch einmal nachhaken. 
Als ich weiterging, begegnete ich einem lieben Freund in hohem Alter, der gerade vom Einkaufen kam. "Was ist? Habt ihr Vorräte angelegt?" fragte ich ihn. "Ich halte davon nichts," antwortete er. "Ich war nur gerade im Ort und habe ein paar Kilo Kichererbsen und Linsen gekauft. Und ich habe einen Schinken [darunter versteht man einen ganzen spanischen Schinken mit Fuß und vielleicht sieben Kilo Gewicht] und einen Lomo bestellt. Die werden mir dann gebracht." Unsereiner würde denken, dass das für zwei alte Leutchen schon ganz schön viel ist. Es ist hier sehr schwer zu wissen, was die Leute eingelagert haben und was nicht. Man hält sich gerne bedeckt. Unser Nachbar links gegenüber ist ein Jäger und hat eine große Tiefkühltruhe voller Fleisch. Das weiß ich, weil ich sie schon gesehen habe und er uns gelegentlich etwas schenkt. Die Nachbarn rechts gegenüber haben auch eine volle Tiefkühltruhe, weil sie gerne Sonderangebote kaufen, zum Beispiel ganze Käse, die sie in Stücken einfrieren und so weiter. Bei meinem direkten Nachbarn zur Linken war ich mal im Souterrain, weil er mir eine feuchte Stelle zeigen wollte, und sah dabei, dass der Raum, der bei uns Gästezimmer ist, beim ihm eine sehr, sehr gut bestückte Speisekammer ist. Diese Fülle hat mich ganz schön überrascht. 
Also, wie gesagt, in den Nachrichten wurden Bilder vom Hamstern, von leeren Regalen, Schlangen vor den Kassen und Wägelchen mit Warenbergen gezeigt, und damit indirekt natürlich dringend zum Hamstern aufgefordert. In Madrid ist in vielen Läden das Klopapier ausverkauft! Der Besitzer der größten und beliebtesten spanischen Supermarktkette Mercadona musste versichern, dass von allem genug da ist. Aber dass das nicht stimmt, weiß ja jeder seiner Kunden, der in den letzten Tagen Desinfektionsmittel für die Hände kaufen wollte.
Das wollte ich doch alles gar nicht erzählen. Ich ging also in die Apotheke und kaufte die Medikamente. Man hört, dass die Grundstoffe für praktisch alle Medikamente aus China kommen und die Chinesen nicht mehr liefern. Ich bekam mein Zeugs aber problemlos. 
Am Nachmittag ging ich zum Friseur. Mein Gatte hatte gemeint, man sollte gehen, bevor sich das Virus weiter ausbreitet. Okay, erledigt. Die Friseuse, die mich bediente, ist mit einem Feuerwehrmann verheiratet. Sie erzählte, dass die Notdienste in Salamanca heute früh eine Versammlung gehabt hätten, auf der ihnen vom Gesundheitsministerium der Regionalregierung mitgeteilt wurde, dass der Höhepunkt des Coronavirus für die Stadt in acht bis zehn Tagen vorgesehen ist. Also zwischen dem achtzehnten und dem zwanzigsten März. Die Feuerwehr erhielt Schutzanzüge. Man darf gespannt sein. Es ist jetzt schon verboten, alte Menschen in Altersheimen/Seniorenresidenzen zu besuchen. Amerikaner haben die Stadt verlassen. Womöglich hat ihre Botschaft ihnen was gesagt, was wir nicht wissen. Womöglich ist Spanien das neue Italien, das dreimal so durchseucht ist wie China. Die spanische Regierung hat heute neue Vorschriften verabschiedet. Die heftig subventionierten Reisen für alte Menschen, die der spanische Staat in der Nebensaison organisiert, damit die Hotels ausgelastet sind (viajes del inserso), werden auch bis auf weiteres ausgesetzt. Mein Schwager und meine Schwägerin, die eine solche Reise gebucht hatten, sind betroffen. Alle Flüge von und nach Italien sind eingestellt. In Madrid ist ab morgen der komplette Bildungsbetrieb eingestellt, von der Kinderkrippe bis zur Universität. Präsident Pedro Sanchez hat gesagt, er hätte einen Plan dafür, was mit den Kindern geschehen soll, während ihre Eltern arbeiten. Das ist fein, nicht wahr? Hoffentlich verrät er ihn zeitnah. Meine Freundin M.J. hat gerade ein WhatsApp geschickt, sie wäre einkaufen gewesen und es hätte weder Wasser noch Milch gegeben. Wenn in den Nachrichten soviel über das Hamstern gesprochen wird, ist es doch logisch, dass die Leute damit anfangen. Aber das ist womöglich die Absicht der Berichterstattung, denn wenn es so kommt wie in Italien, wenn Madrid so durchseucht wird wie Mailand... Ich schreibe diese Zeilen beim Stand Spanien 1695, Deutschland 1565, Italien 10.149. Ganz Italien steht unter Quarantäne. War auch höchste Zeit. Hoffentlich passiert uns das hier nicht. Mein Sohn in San Sebastian hatte auch keine Vorräte. Er hat gesagt, wenn was ist komme ich zu euch, aber jetzt, wo man das in Italien sieht, dass man nicht reisen darf... Er hat jetzt auch ein paar Sachen gekauft, ein paar Dosen und einen Sack Futter für den Hund... Ich hoffe, ich mache die Leute nicht verrückt. Meine Freundin C. hat gerade ein WhatsApp geschickt, wir sollten uns nicht so verrückt machen. C. ist die, die es nicht bemerkt hat, als wir mal ein paar Tage kein Wasser hatten, weil sie irgendeinen Spezialtank hat. 

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