Samstag, 21. März 2020

Tag 7

Theoretisch ist ja jetzt schon die Hälfte der Quarantäne um. Für uns, meinen Gatten, meinen Sohn und mich, ist es gar nicht schlimm. Drei von meinen Freundinnen wohnen in der Stadt, haben aber Sommerhäuser in unserer Siedlung. Es hat mich echt sehr, sehr gewundert, dass sie lieber in einer Wohnung in der Stadt eingesperrt sein wollen als in einem großen Haus mit Garten. Eine von ihnen hat gesagt, es wäre ihr zu lästig, ihre Sachen von der Stadt hier heraus zu bringen (Fahrzeit 20 Minuten). Und irgendwann war es zu spät. Fahrten in Zweitwohnsitze sind nicht mehr gestattet. 
Ihr wisst, dass in Spanien viele Leute in Hochhäusern wohnen. Im Radio hat heute einer erzählt, wie sein Tag so abläuft: Er steht früh auf und macht Home Office. Dann Yoga nach Anleitung im Internet. Um zwölf Uhr geht es auf den Balkon, dann wird in seinem Block die Nationalhymne zu ¡Viva España!-Rufen gespielt. Am späten Nachmittag wird über die Balkone hinweg Bingo gespielt, um 20 Uhr ist allgemeines Klatschen zum Zeichen der Anerkennung für die Menschen, die in medizinischen Berufen ihre Gesundheit riskieren. Das mit dem Klatschen um 20 Uhr ist wohl in allen dichtbesiedelten Gebieten. Und wenn man auf dem Land wohnt, ist man eben wirklich allein und sieht praktisch nur die Leute, mit denen man zusammenlebt. Meine Nachbarin zur Rechten bzw. zur Linken, je nachdem, von wo man schaut (C.), hat heute eine Schutzmaske aufgehabt, als sie die Blumen auf der Terrasse goss. Keine Ahnung, wieso. Wenn ich sie mal erwische, frage ich sie.
Für Geschäfte ist die Situation natürlich verheerend. Friseure, Bars, Bekleidungsgeschäfte, Restaurants, alle, vom Tourismussektor, der ja in Spanien enorm wichtig ist, ganz zu schweigen. Einnahmen null. 
Die Quarantäne wird rigoros durchgesetzt. Mein Sohn, der in San Sebastian lebt, wurde von einem Polizisten angehalten, weil er sich mit seinem Hund zu weit von zuhause entfernt hatte. Alle Hundehalter, die mit ihren Tieren auf dem Spazierweg unterwegs waren, wurden zurückgeschickt, hat er mir erzählt, und ein Herrchen, das von der Polizei mehrmals an verschiedenen Stellen angetroffen wurde, bekam einen Strafzettel.
Hoffentlich hat das alles einen Sinn. Die Zahlen der Neu-Infizierten gehen noch nicht zurück. Spanien 25.374 Erkrankte, Deutschland 22.213. Die USA kommen von hinten angeschossen und haben Deutschland schon überholt. In Italien sind seit gestern 800 Leute gestorben. In Salamanca sind 265 erkrankt, 15 sind gestorben, darunter ein 58-jähriger ohne Vorerkrankungen. Das sind die Zahlen von ganz Spanien vom 7. oder 8. März. Heute ist der 21. März. Das war vor zwei Wochen. Dass es hier so schlimm wird, dass hier 25.000 Leute erkranken, das ist doch ausgeschlossen, oder? Die Leute, die sich in ihren Häusern und Wohnungen verbarrikadiert haben, können doch gar nicht erkranken, oder? Zumindest jetzt nicht.
In Bayern hat man sich ja endlich entschlossen, auch Maßnahmen zu ergreifen. Die Deutschen haben wahnsinnige Angst um ihre Demokratie, die sie sich so mühselig erkämpft haben, und dass die durch Verbote beschädigt wird. Alles zu seiner Zeit, würde ich sagen, jetzt ist erstmal die Gesundheit wichtiger. Ich weiß, das ist eine ziemlich undeutsche Meinung, aber über deutsche Meinungen wird in anderen Ländern häufig verwundert oder auch bewundernd der Kopf geschüttelt. Ich habe heute eine Umfrage unter spanischen Zeitungslesern gesehen, bei der 93 % für die Ausrufung des Notstands waren, bei 300.000 Teilnehmern.

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